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Ein Giftcontainer voller Männerhass

Sexismus in Sprache - ein Thema, bei dem sich Bernhard Lassahn "an die Wäsche gegangen" fühlt. Deshalb begann er, sich mit Männerfeindlichkeit in Sprache und Gesellschaft zu beschäftigen. Das Ergebnis "Frau ohne Welt" soll nun nichts Geringeres als die Liebe retten.

von Florian Felix Weyh | 28.08.2013
    "Frauenlob ist der durchgehende Ton in einer von Männern gemachten Kultur", sagt der Mann.

    "Ich bin selber auch ein Frauenlober, ein Liedermacher. Ich habe also Liebeslieder jedenfalls versucht zu schreiben. Das find ich ganz normal."

    So weit, so normal.

    "Und was ich jetzt nun gemacht habe mit dem neuen Buch ‚Frau ohne Welt‘, ist wie so eine Art Container. Dass ich mir gedacht habe: ‚Diese ganze Problematik, die pack ich mal in ein Schubfach, in einen sozusagen neben dem Schreibtisch aufgestellten Container.‘ Da kommt das alles rein, damit ich dann, wenn ich wieder Frauenlobsachen schreibe, die Sachen dann woanders gelagert habe."

    Quasi eine Entgiftungsaktion, denn der Container mit der "ganzen Problematik" ist schwer kontaminiert. Durch Rechthaberei zum Beispiel.

    "Die Sprachvorschriften waren für mich tatsächlich die Stunde Null, wo ich gesagt habe: ‚Das find‘ ich jetzt nicht richtig, ja? Da muss ich jetzt gegen an!‘ Also ich finde weder diese Innen-Form richtig, noch finde ich richtig, dass man ‚Studierende‘ sagt. Dahinter hab ich erst ziemlich spät erkannt, dass eine Ablehnung des Männlichen steckt. Dass es tatsächlich darum geht, den Sexismus erst mal in die Sprache einzuführen, obwohl man so tut, als würde man den Sexismus bekämpfen, und dass es hauptsächlich darum geht, das männliche grammatische Geschlecht zu bekämpfen, eigentlich aber den Mann meint."

    Dabei ist es gar nicht notwendig, Männer zu bekämpfen. Jedenfalls dieses Exemplar nicht.

    "Ich bin also ein Freund des Feminismus, man glaubt es gar nicht ... gewesen! Ja? Ich habe selber unterschrieben, selber demonstriert, habe selber Frauenkonzerte organisiert. Ich komm halt aus dieser Zeit. Und bin auch entsprechend enttäuscht gewesen, weil ich gedacht habe, da hat sich etwas entwickelt, das so gar nicht gemeint war. Das ich so von Anfang an nicht verstanden habe."

    Vielleicht hat er es falsch verstanden, damals, und heute erst richtig. Jedenfalls begann Bernhard Lassahn irgendwann, Tonnen feministischer Literatur zu lesen, und was er da las, gefiel ihm nicht. Zu oft benötigte er seinen imaginären Giftmüllcontainer neben dem Schreibtisch, um die eigene Balance beim Frauenlobdichten nicht zu verlieren. Doch schon vor der näheren Beschäftigung mit harsch männerfeindlichen Schriften ließ sich die Schreibklause kaum abdichten gegen den Neusprech-Diskurs, gegen Gender-Phrasen und geschlechtsorientierte Sprachdiktate. Bewertet man es männlich-strategisch à la Clausewitz, könnte es ein entscheidender Fehler engagierter Feministinnen gewesen sein, sich ihre größten Siege ausgerechnet auf dem Feld der Sprache zu sichern. Denn – man denke nur an die weitaus harmlosere Rechtschreibreform – bei Sprache geht es nie um bloß veränderbare Gewohnheiten, sondern stets um Identität. Und in Identitätsfragen wird jeder oktroyierte Veränderungsbefehl als brutale Aggression empfunden, die man – der Mann – mit Gegenaggression beantwortet:

    "Also in dem Augenblick, wo sie mir an die Sprache gingen, gingen sie mir an die Wäsche! Ansonsten bin ich ja gar nicht so unglücklich mit den Frauen. Es gibt hervorragende Einzelbeispiele, ich habe selber auch eine Tochter, und das ist auch alles ganz wunderbar! Aber tatsächlich ist in dem Augenblick, wo sie anfangen, mir die Sprache kritisch zu machen, da hab ich gedacht: ‚So, da mach ich nicht mit!‘"

    Bernhard Lassahn – Romancier, Liederschreiber, Kinderbuchautor und "Käpt’n Blaubär"-Texter ist ein äußerst angenehmer und friedlicher Geselle. Und doch trägt seine furiose Streitschrift "Frau ohne Welt" den Untertitel "Der Krieg gegen den Mann". Kriege sind ohne Gewalt nicht führbar, und Lassahn konstatiert, Frauen seien zwar selten offen gewalttätig, aber erfolgreich passiv-aggressiv. Bei genauem Hinsehen passt dieses psychologische Etikett möglicherweise sogar – Waffengleichheit als Erfolgsrezept! – auf Lassahns Pamphlet:

    "Vielleicht ist es tatsächlich auch selber passiv-aggressiv, weil ich so freundlich daherkomme. Jedenfalls möchte ich freundlich daherkommen! Es geht ja auch um Liebe, und ich will jetzt nicht derjenige sein, der jetzt anklagend gegen irgendwelche Dummheiten des Feminismus angeht, das ist ja auch ein bisschen albern. Aber, aber, aber: Ich glaube doch, dass ich so versteckte Widerhaken drin habe in dem Buch, die vielleicht zunächst mal gefällig – oder ich wollte es jedenfalls so – gefällig daherkommen, und dann aber eine ja Art Aggression haben. Oder sagen wir mal: irgendwie ne Deutlichkeit!"

    Etwa in der Formulierung, dass es in Deutschland die SEP gäbe, eine "Sexistische Einheitspartei", die trenne und spalte, was doch gar nicht getrennt und gespalten gehört.

    "Das ist tatsächlich eine der bösen Stellen, wenn man so will. Aber wenn ich mir einen Wahlabend angucke, und immer wird von Wählerinnen und Wählern gesprochen – alle Parteien sagen das! Das heißt, sie benutzen die – wie ich sie nenne – sexistische Sprechweise, immer das Weibliche zu betonen, obwohl das ja gar nicht wichtig ist! Ich meine, wir sind alle gleichermaßen wahlberechtigt. Wir haben unseren Wahlzettel nicht auf getrennten rosa und lila Zetteln ausgefüllt, und wir sind nicht in Wahlkabinen gegangen wie auf Damen- und Herrentoiletten!" (lacht) "Sondern jeder ist in dieselbe Wahlkabine gegangen und hatte denselben Zettel! Und sie haben auch eben alle eine Quote. Und diese Quoten, die die Parteien haben, führt dazu, dass es keine Bewegung in der Frage der Geschlechterpolitik gibt! Die haben damit eine Sperrminorität. Irgendwelche Vorschläge, die so ein bisschen nicht feminismusgerecht aussehen, kommen gar nicht erst in die Parteien hinein."

    Wer Sexismus bislang nur als Kampfvokabel gegen Männer kannte, muss bei Bernhard Lassahn umdenken. Bei ihm umfasst der Begriff eine Spielart des Rassismus und ist damit geschlechtsneutral. Frauen können genauso sexistisch sein wie Männer:

    "Sexismus – wie ich es meine – ist so, dass man die Sexualität als die Nummer 1 der Erkennung und der Beschreibung von Menschen sieht, und das ist das Kriterium, an dem sich die Menschen und die Welt scheiden."

    Einen scheinbar neutralen Ausweg – zurück zur Sprachdebatte – bietet die Form der Geschlechtsamputation, wie sie jüngst gerade etwa die Straßenverkehrsordnung vollzog, als sie aus Fußgängern "zu Fuß Gehende" machte. Neben dem ästhetischen Kollateralschaden birgt dieses Verfahren viel Stoff für Satiriker. Trifft eigentlich die Bezeichnung "zu Fuß Gehende" auch noch zu, wenn diese eindeutig an der Ampel stehen? Oder wie Lassahn schreibt: "Früher gab es noch protestierende Studenten. ‚Protestierende Studierende‘ müssten mit erstaunlichen Fähigkeiten ausgestattet sein."

    "Möglich ist es! Sie könnten ja, während sie protestieren, ihren Laptop dabeihaben ..." (lacht) "... wenn Sie auf der Straße sind, und dann auch dabei noch studieren."

    "Der Unterschied zwischen Tätigkeit und Status wird bis zur Unkenntlichkeit verwischt", analysiert Lassahn, was zur ideologisch verursachten Verdummung beitrage. Feminismus sei ein Simplifizierungsprogramm und deswegen gefährlich:

    "Weil es tatsächlich wie eine ansteckende Krankheit ist. Man kann sich daran gewöhnen. Die Vereinfachung ist das Verlockende daran, die Primitivität. Das ist wie das manichäische Weltbild, wo es hell und dunkel gab, das ist schon sehr verlockend!"

    Spätestens hier werden sich die Meinungen spalten. "Frau ohne Welt" ist ein Buch, über das man sich richtig schön aufregen kann oder – wie Leserkommentare im Internet zeigen – über das man vor Freude in die Hände klatscht. Letzteres nicht unbedingt nur als Mann, denn "nicht die Frau ist feministisch, sondern die Situation, in der sie lebt", paraphrasiert Lassahn ein berühmtes Minderheiten-Mantra – ganz ohne Spott:

    "Ich wollte damit sagen, dass es tatsächlich mir auch nicht darum geht, die Frauen anzugreifen, sondern dass so was wie eine Struktur da ist – um auch auch mal dieses Wort zu benutzen! –, dass tatsächlich Rahmenbedingungen geschaffen worden sind, in denen sich Frauen so verhalten, wie sie sich sonst eben nicht verhalten wollen. Nicht verhalten würden auch! Man spricht auch von Fehlanreizen, die da geschaffen worden sind. Und insofern ist es eine politische Frage und keine persönliche."

    Wirklich? Die Nagelprobe im Geschlechterkampf findet immer noch im Privaten statt. Was sagt denn die erwachsene Tochter zum aufrührerischen Buch des Vaters?

    "Die hat erst mal nur die Ankündigung gelesen und war nicht einverstanden." (lacht) "Damit muss ich leben!"


    Bernhard Lassahn: "Frau ohne Welt"
    Manuscriptum Verlag, 174 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3937801803