Nach Mitternacht geht es rund, dann sind die "echten" Segler im Peter Café Sport unter sich. Käptn Bob hat schon sehr viel Gin-Tonic getankt, an einem Stuhl in der Nähe des Tresens festgemacht und singt. Sein Freund Dave erzählt, wie ihm auf der Fahrt aus der Karibik der Motor kaputt gegangen ist. Dabei trinkt er ein Bier nach dem anderen. Und Florence, die junge Pariserin, die morgen Richtung Frankreich ablegt, versucht, sich noch einen Drink zu erschnorren, obwohl sie den längst nicht mehr bräuchte.
Die Touristen mit ihren Peter-T-Shirts, Fotoapparaten und Videokameras sind lange verschwunden. Jetzt gehört die urige Kneipe den raubeinigen Seeleuten, den bärtigen Einhand-Atlantiküberquerern, den Abenteurern, mit denen alles angefangen hat. José Henrique Azevedo erinnert sich:
"Das Café ist zu einem Symbol für all die Segler geworden, weil meine Familie ihnen immer geholfen hat. Hier auf der Insel nennen wir sie Abenteurer, denn damals waren sie das wirklich: Die haben in kleinen Booten mit einfachster Ausrüstung den Atlantik überquert, die Welt noch ohne GPS umrundet. Das war noch ein echtes Abenteuer.
Und wenn sie hier ankamen, ist mein Vater ihnen mit einem kleinen Boot entgegengerudert und hat sie begrüßt. Ich heiße José Azevedo, aber alle nennen mich Peter, hat er denen gesagt. Wir haben ein kleines Café oben am Hafen, schauen Sie doch mal vorbei. Wir helfen auch, wo wir können."
Und sie sind gekommen! Peter wurde zur Institution. Genauso wie die riesigen Gin-Tonics, von denen früher jeder den ersten zur Begrüßung geschenkt bekam. Seit einem Schlaganfall vor fünf Monaten kommt Papa Peter, inzwischen 79-jährig, allerdings nicht mehr ins Café. Steht nicht mehr verschmitzt lächelnd in der Souvenir-Ecke, die Hände auf dem Ladentisch, gekleidet in eine viel zu weite Hose mit dicken Hosenträgern. Jetzt muss der Sohn José Henrique die Geschichte vom Spitznamen des Vaters erzählen:
"Während des zweiten Weltkriegs hat mein Vater mit 16 im Hafen gearbeitet. Da war ein aliierter Stützpunkt. Eines Tages hat ein englischer Offizier ihn gefragt, ob er ihn Peter nennen dürfte. Denn so hieß dessen Sohn und mein Vater sah dem sehr ähnlich. Mein Vater sagte, er habe nichts dagegen, fühle sich sogar geehrt. Bald nannten ihn alle Engländer nur noch Peter, dann auch die Portugiesen. Und niemand sagte mehr "Gehen wir ins Café Sport", alle sagten nur noch "Wir gehen zu Peter"."
Am Café Peter führt kein Weg vorbei: Wer über den Atlantik segelt, den bringt der Wind nun einmal auf die Insel Faial. Und in der Inselhauptstadt Horta führen dann alle Wege zur berühmten Kneipe. Am Nachmittag bestaunen Urlauber ehrfurchtsvoll die bunten Bootswimpel und Flaggen, die die Abenteurer an die Wände und sogar an die Decke geheftet haben.
Kein Quadratzentimeter ist unbeklebt. Hier eine zerfledderte norwegische Fahne, dort ein Aufkleber des österreichischen Hochsee Yacht Clubs. Eine Weltkarte der "Cable & Wireless Limited"-Telegrafengesellschaft erinnert an die Zeiten, als die Insel Faial ein Kommunikationsknotenpunkt war: Ende des 19. Jahrhunderts liefen hier die Telegrafenkabel aus Amerika und Europa zusammen; eines, das der "Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft" wurde übrigens 1900 nach Borkum verlegt. Auch zu Vaters, zu Peters Zeiten war einiges los auf Faial, weiß Sohn José Henrique, der nun Zeit für einen kleinen Hafenspaziergang hat.
Der "Insel-Express" hat gerade angelegt. Das Schiff verbindet Faial mit der Nachbarinsel Pico, deren majestätischer, über 2000 Meter hoher Vulkankegel wie fast immer wolkenverhangen ist. In Horta dagegen scheint die Sonne. Die weißen Häuser schmiegen sich an den grünen Hang, auf den Bänken der verschlafenen Uferstrasse sitzen alte Fischer.
Horta heißt auf Deutsch Garten und irgendwie sieht das Städtchen auch so aus. Nahe der Kaimauer üben Jugendliche Kajakfahren. Dort legten einst stolze Walfänger-Segelschiffe aus Amerika an. Dann bot die Bucht von Horta englischen und amerikanischen Kriegsschiffen Schutz. Sogar riesige Wasserflugzeuge aus den USA machten in den 40er Jahren bei ihren Atlantikflügen hier Zwischenstation.
Das alles kennt der 45-jährige José Henrique nur aus den Erzählungen des Vaters. Doch die Begeisterung lässt seine Augen blitzen. Er blickt irgendwie sehnsüchtig aufs Meer hinaus, spricht voller Bewunderung von Abenteuern und Abenteurern. Gleichzeitig gesteht José Henrique ein, wie wenig er sich dafür eignet:
"Meine einziger großer Segeltörn hätte auf die Insel São Miguel gehen sollen. Der erste Tag war wunderschön, ein toller Sonnenuntergang und meine Mutter hatte uns einen sagenhaften Braten eingepackt. Es war ein kleines Boot, acht Meter und ohne Motor. Am zweiten Tag kamen wir in einen Sturm, der so schlimm war, dass wir umkehren mussten. Ich habe stundenlang Wasser gepumpt und als wir glücklich hier im Hafen waren, ist auch noch der Mast abgebrochen."
José Henrique ist untersetzt, ein ruhiger und schüchterner Typ. Statt um Abenteuer kümmerte er sich ums Geschäft; und so ist "Peter" inzwischen nicht mehr nur ein Café, sondern fast ein kleiner Konzern. Mit Souvenirläden auf verschiedenen Azoren-Inseln, die Peter-T-shirts, Peter-Pullover, Peter-Mützen und Peter-Schlüsselanhänger verkaufen. An Touristen - die echten Segler, die Abenteurer verabscheuen diesen Schnickschnack.
Aber sie lieben ihr Peter Café Sport. Auch wegen des Rundum-Service: Am späten Nachmittag kommt Käptn Bob vorbei, fragt, ob er Post bekommen hat. Denn viele Segler lassen sich ihre Briefe noch immer ans Café schicken - postlagernd sozusagen. Ein Service, den selbstverständlich Peter, der Vater, gestartet hat. Sohn José Henrique erinnert sich an die spektakulärste Postübergabe:
"Als Sir Francis Chichester in den 60er Jahren die Welt ohne Zwischenstopps umsegelte, hat mein Vater ein Telegramm seiner Frau in eine Flasche gesteckt, ist aufs Meer gerudert und hat sie ins Wasser geworfen. Chichester hat sie mit einem Netz aufgefischt und so die ersten Nachrichten von seiner Frau bekommen."
Natürlich sind Sir Francis Chichester und Peter dicke Freunde geworden. Natürlich hat Sir Francis auch den einen oder anderen Gin-Tonic im Peter Café Sport getrunken. Alle Abenteurer haben hier einen Pflichtstopp gemacht, tun es heute noch.
Jetzt, nach Mitternacht, sind sie wieder unter sich: Gerade kommt John, der Südafrikaner, herein, der demnächst nach Brasilien will. Fluchend schüttelt er seinen klatschnassen Cowboyhut, draußen regnet es. Käptn Bob, der schon wieder mindestens zwei über den Durst getrunken hat, singt. Dave, der Engländer, der seinen Motor vor der Weiterfahrt reparieren muss, trinkt Bier. Und José Henrique Azevedo steht lächelnd hinter dem Tresen. Hört zu, wie die wilden Jungs, die übrigens alle bereits über 60 sind, ihr Seemannsgarn spinnen. Jose Henrique hört zu, wie es schon sein Vater getan hat, den alle nur Peter nennen.
Die Touristen mit ihren Peter-T-Shirts, Fotoapparaten und Videokameras sind lange verschwunden. Jetzt gehört die urige Kneipe den raubeinigen Seeleuten, den bärtigen Einhand-Atlantiküberquerern, den Abenteurern, mit denen alles angefangen hat. José Henrique Azevedo erinnert sich:
"Das Café ist zu einem Symbol für all die Segler geworden, weil meine Familie ihnen immer geholfen hat. Hier auf der Insel nennen wir sie Abenteurer, denn damals waren sie das wirklich: Die haben in kleinen Booten mit einfachster Ausrüstung den Atlantik überquert, die Welt noch ohne GPS umrundet. Das war noch ein echtes Abenteuer.
Und wenn sie hier ankamen, ist mein Vater ihnen mit einem kleinen Boot entgegengerudert und hat sie begrüßt. Ich heiße José Azevedo, aber alle nennen mich Peter, hat er denen gesagt. Wir haben ein kleines Café oben am Hafen, schauen Sie doch mal vorbei. Wir helfen auch, wo wir können."
Und sie sind gekommen! Peter wurde zur Institution. Genauso wie die riesigen Gin-Tonics, von denen früher jeder den ersten zur Begrüßung geschenkt bekam. Seit einem Schlaganfall vor fünf Monaten kommt Papa Peter, inzwischen 79-jährig, allerdings nicht mehr ins Café. Steht nicht mehr verschmitzt lächelnd in der Souvenir-Ecke, die Hände auf dem Ladentisch, gekleidet in eine viel zu weite Hose mit dicken Hosenträgern. Jetzt muss der Sohn José Henrique die Geschichte vom Spitznamen des Vaters erzählen:
"Während des zweiten Weltkriegs hat mein Vater mit 16 im Hafen gearbeitet. Da war ein aliierter Stützpunkt. Eines Tages hat ein englischer Offizier ihn gefragt, ob er ihn Peter nennen dürfte. Denn so hieß dessen Sohn und mein Vater sah dem sehr ähnlich. Mein Vater sagte, er habe nichts dagegen, fühle sich sogar geehrt. Bald nannten ihn alle Engländer nur noch Peter, dann auch die Portugiesen. Und niemand sagte mehr "Gehen wir ins Café Sport", alle sagten nur noch "Wir gehen zu Peter"."
Am Café Peter führt kein Weg vorbei: Wer über den Atlantik segelt, den bringt der Wind nun einmal auf die Insel Faial. Und in der Inselhauptstadt Horta führen dann alle Wege zur berühmten Kneipe. Am Nachmittag bestaunen Urlauber ehrfurchtsvoll die bunten Bootswimpel und Flaggen, die die Abenteurer an die Wände und sogar an die Decke geheftet haben.
Kein Quadratzentimeter ist unbeklebt. Hier eine zerfledderte norwegische Fahne, dort ein Aufkleber des österreichischen Hochsee Yacht Clubs. Eine Weltkarte der "Cable & Wireless Limited"-Telegrafengesellschaft erinnert an die Zeiten, als die Insel Faial ein Kommunikationsknotenpunkt war: Ende des 19. Jahrhunderts liefen hier die Telegrafenkabel aus Amerika und Europa zusammen; eines, das der "Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft" wurde übrigens 1900 nach Borkum verlegt. Auch zu Vaters, zu Peters Zeiten war einiges los auf Faial, weiß Sohn José Henrique, der nun Zeit für einen kleinen Hafenspaziergang hat.
Der "Insel-Express" hat gerade angelegt. Das Schiff verbindet Faial mit der Nachbarinsel Pico, deren majestätischer, über 2000 Meter hoher Vulkankegel wie fast immer wolkenverhangen ist. In Horta dagegen scheint die Sonne. Die weißen Häuser schmiegen sich an den grünen Hang, auf den Bänken der verschlafenen Uferstrasse sitzen alte Fischer.
Horta heißt auf Deutsch Garten und irgendwie sieht das Städtchen auch so aus. Nahe der Kaimauer üben Jugendliche Kajakfahren. Dort legten einst stolze Walfänger-Segelschiffe aus Amerika an. Dann bot die Bucht von Horta englischen und amerikanischen Kriegsschiffen Schutz. Sogar riesige Wasserflugzeuge aus den USA machten in den 40er Jahren bei ihren Atlantikflügen hier Zwischenstation.
Das alles kennt der 45-jährige José Henrique nur aus den Erzählungen des Vaters. Doch die Begeisterung lässt seine Augen blitzen. Er blickt irgendwie sehnsüchtig aufs Meer hinaus, spricht voller Bewunderung von Abenteuern und Abenteurern. Gleichzeitig gesteht José Henrique ein, wie wenig er sich dafür eignet:
"Meine einziger großer Segeltörn hätte auf die Insel São Miguel gehen sollen. Der erste Tag war wunderschön, ein toller Sonnenuntergang und meine Mutter hatte uns einen sagenhaften Braten eingepackt. Es war ein kleines Boot, acht Meter und ohne Motor. Am zweiten Tag kamen wir in einen Sturm, der so schlimm war, dass wir umkehren mussten. Ich habe stundenlang Wasser gepumpt und als wir glücklich hier im Hafen waren, ist auch noch der Mast abgebrochen."
José Henrique ist untersetzt, ein ruhiger und schüchterner Typ. Statt um Abenteuer kümmerte er sich ums Geschäft; und so ist "Peter" inzwischen nicht mehr nur ein Café, sondern fast ein kleiner Konzern. Mit Souvenirläden auf verschiedenen Azoren-Inseln, die Peter-T-shirts, Peter-Pullover, Peter-Mützen und Peter-Schlüsselanhänger verkaufen. An Touristen - die echten Segler, die Abenteurer verabscheuen diesen Schnickschnack.
Aber sie lieben ihr Peter Café Sport. Auch wegen des Rundum-Service: Am späten Nachmittag kommt Käptn Bob vorbei, fragt, ob er Post bekommen hat. Denn viele Segler lassen sich ihre Briefe noch immer ans Café schicken - postlagernd sozusagen. Ein Service, den selbstverständlich Peter, der Vater, gestartet hat. Sohn José Henrique erinnert sich an die spektakulärste Postübergabe:
"Als Sir Francis Chichester in den 60er Jahren die Welt ohne Zwischenstopps umsegelte, hat mein Vater ein Telegramm seiner Frau in eine Flasche gesteckt, ist aufs Meer gerudert und hat sie ins Wasser geworfen. Chichester hat sie mit einem Netz aufgefischt und so die ersten Nachrichten von seiner Frau bekommen."
Natürlich sind Sir Francis Chichester und Peter dicke Freunde geworden. Natürlich hat Sir Francis auch den einen oder anderen Gin-Tonic im Peter Café Sport getrunken. Alle Abenteurer haben hier einen Pflichtstopp gemacht, tun es heute noch.
Jetzt, nach Mitternacht, sind sie wieder unter sich: Gerade kommt John, der Südafrikaner, herein, der demnächst nach Brasilien will. Fluchend schüttelt er seinen klatschnassen Cowboyhut, draußen regnet es. Käptn Bob, der schon wieder mindestens zwei über den Durst getrunken hat, singt. Dave, der Engländer, der seinen Motor vor der Weiterfahrt reparieren muss, trinkt Bier. Und José Henrique Azevedo steht lächelnd hinter dem Tresen. Hört zu, wie die wilden Jungs, die übrigens alle bereits über 60 sind, ihr Seemannsgarn spinnen. Jose Henrique hört zu, wie es schon sein Vater getan hat, den alle nur Peter nennen.