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Ein grauer Bildungsmarkt

Wer sitzen bleibt, gilt als Versager. Aus Angst vor der Ehrenrunde und dem damit verbundenen sozialen Druck sind Eltern und Schüler oft bereit, viel Geld auszugeben: Nachhilfe soll die Rettung bringen. Der Bedarf an zusätzlichem Unterricht am Nachmittag ist in den vergangenen Jahrzehnten enorm gestiegen. Jeder vierte Schüler erhält nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung heute bezahlten Nachhilfe-Unterricht.

Von Nina Lindlahr |
    Und das hat seinen Preis: Welche Summen für die zusätzliche Förderung insgesamt in Deutschland ausgegeben wird, lässt sich nur schwer schätzen. Denn meistens fließt das Geld schwarz. Sicherlich sind es aber Summen im Milliardenbereich meint der Kölner Schulpsychologe Albert Zimmermann.

    " Das ist ein grauer Bildungsmarkt. Und ein unglaublich wirtschaftlich starker Bildungsmarkt und auch ein interessanter Markt. Also finanziell interessanter Markt. Da ist eine Menge Geld drin und es gibt also eine Menge Anbieter und es gibt also richtig Kampf um diesen Markt."

    Studenten, ältere Schüler, Lehrer oder Nachhilfeinstitute. Einzelförderung und Gruppenunterricht: Das Angebot ist vielfältig und die Preise variieren. Am günstigsten ist in der Regel die Unterstützung eines etwas älteren Schülers. Am Gymnasium Kreuzgasse in Köln haben Lehrer, Eltern und Schüler gute Erfahrungen mit diesem System gemacht. Edina Pajevic, Schülerin der Klasse 12 organisiert die Nachhilfe an ihrer Schule:

    " Wir dachten uns, es ist immer hilfreich, wenn Schüler, die selbst noch zur Schule gehen wissen, was sie wie beigebracht bekommen am besten eigentlich anderen Schülern helfen können. Auf jeden Fall hängen wir Listen aus, oder geben sie rum. Dann tragen sich Schüler ein die Nachhilfe geben und die Nachhilfe nehmen wollen und ich verwalte die Listen und teile jedem Schüler eine Schüler zu, sozusagen."

    Für 45 Minuten zahlt ein Schüler 8 Euro, wenn er sich von Edina vermitteln lässt. Vor allen Dingen Mathematik und Englisch sind in dem kleinen Netzwerk gefragt. Wenn hier einzelne Themenbereiche nicht richtig verstanden wurden ist die Hilfe durch ältere Schüler sehr sinnvoll. Sind aber die Grundlagen über Jahre hinweg nicht klar geworden, muss Nachhilfe ein systematisches Konzept haben. Dann sind Profis gefragt und die kosten mehr Geld. Albert Zimmermann

    " Wenn es also ein richtig qualifizierter Nachhilfelehrer ist, der auch pädagogisch ausgebildet ist und der nimmt also 25 bis 30 Euro die Stunde, da zucke ich nicht zusammen. Wenn man dann also jemanden hat, der nach so einem Konzept Einzelnachhilfe macht, dann kommt also unterm Strich doch ein Gewinn raus, weil der weniger Stunden braucht, als jemand der rumstümpert. Also ich tendiere eigentlich dazu: möglichst schnell, möglichst kurzzeitig und möglichst intensiv. Und dann darf es auch was kosten. "

    Einen qualifizierten Nachhilfelehrer findet man am besten über die Schule. Eine Alternative können Studenten der jeweiligen Fächer sein. Sie nehmen zwischen 8 und 13 Euro pro Stunde. Mehr als 20 Euro sollten Eltern aber nicht ausgeben. Und bei Nachhilfeangeboten von kommerziellen Instituten muss genau hingeschaut werden. Meist laufen Verträge dort viel zu lang.

    " Zu sagen, egal wie, auch wenn Ihr Sohn nicht mehr will, wenn der hier aussteigt, wenn er nicht kommt, aber ein halbes Jahr zahlen Sie, oder drei Monate oder vielleicht auch ein ganzes Jahr - das ist für mich nicht okay. Weil man kann gerade bei Kindern und Jugendlichen nicht absehen, ob das nun klappt über eine ganze Zeit und dann muss man die Möglichkeit haben auch auszusteigen und was anderes zu probieren."

    Bei kommerziellen Nachhilfeinstituten sollte also darauf geachtet werden, dass man monatlich kündigen kann und der Nachhilfelehrer nicht wechselt. Dann stimmen zumindest die Rahmenbedingungen. Und eine kommerzielle Richtung ist ja nicht mit Ausbeutung gleichzusetzen. Denn die große Nachfrage ergibt sich nicht allein aus gekonnten Marketing-Strategien der Institute. Der Bedarf an Nachhilfe kommt letztlich ganz woanders her. Schulpsychologe Albert Zimmermann:

    " Die Angst vor dem Sitzen bleiben ist ja nicht die Angst davor jetzt einfach nur sitzen zu bleiben und das Jahr zu wiederholen, sondern es ist die Angst vor dem sozialen Abstieg. Also man muss schon Abitur machen uns studieren und wer das Abitur nicht schafft, der muss also zur Müllabfuhr, so dass die Kinder für sich den sozialen Abstieg damit verknüpfen. Und dann zum Teil also auch nicht nur die Eltern die Nachhilfe wollen, sondern die Kinder die Eltern unter Druck setzen, damit sie Nachhilfe bekommen. "