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Ein gutes Jahr für Insekten

Wenn Insekten sprechen könnten, dann würden sie in diesem Jahr vom Wetter schwärmen: Der milde Winter sorgte dafür, dass ungewöhnlich viele Insekten und ihre Larven den Winter überleben konnten, das trockene Frühjahr war für viele dann die Gelegenheit, sich stärker auszubreiten als üblich. Blattläuse sind ein Beispiel, aber es gibt noch viele weitere. Landwirte, Gärtner, Hausmänner und Hausfrauen sind weniger begeistert. Frank Schweikert über einige Insektenarten und die Frage, wie man sich gegen sie zur Wehr setzen kann.

Von Frank Schweikert |
    Trockenheit und schwülwarmes Wetter sind die Hauptursache für die explosionsartige Vermehrung von Blattläusen gerade in den Sommermonaten. Dann nämlich gebären die weiblichen Blattläuse auf ungeschlechtlichem Wege bis zu sechs voll ausgebildete weibliche Nachkommen pro Tag. Hochgerechnet entstehen so mal eben zwei Millionen Individuen aus einer einzigen Blattlaus in cirka einer Woche. Eine irrsinnige Vermehrung und da ist es kein Wunder, dass Millionen kleiner Flüssigkeitströpfchen die unter Bäumen parkenden Autos verunstalten. Obwohl die Millimeter großen Läuse winzig sind, kann das der Pflanze bei einem heftigen Läusebefall schon ganz erheblich schaden, weiß Jochen Schering, Insektenexperte der Pflanzenschutzberatungsstelle der Universität Hamburg:

    Jochen Schering: "Der Schaden der Blattlaus ist eigentlich durch die enorme Saugtätigkeit. Die Pflanze verliert enorme Mengen an Saft und es kommt zu Kräuselungen innerhalb der Triebspitzen und des Blattes. Die Pflanze ist nicht mehr in der Lage, sich ausreichend zu ernähren. Dann sind die Blattläuse ja Verwerter der Eiweiße aus dem Pflanzensaft und den Zucker scheiden sie wieder aus. Dieser Zucker schlägt sich auf den Blattflächen nieder und auch auf dem Bewuchs unter den Bäumen. ..."

    Und wenn die parkenden Autos dann länger unter den Bäumen stehen, die von Läusen befallen sind, wächst auf dem Honigtau, so heißen die Zuckertröpfchen der Läuse, der sogenannte Schwärzepilz oder Rußtaupilz, und der kann den Lack durchaus schaden. Der größte Dorn im Auge der Schädlingsbekämpfer sind deshalb Läuse, die sich auf Nutzpflanzen breit gemacht haben. Falls Blattläuse auf dem Gummibaum im Wohnzimmer gefunden werden, können sie mit viel Mühe und Zeit sorgsam abgewaschen werden. Kleine Blattlausstäbchen im Boden der Blumentöpfe geben ein für die Blattläuse tödliches Gift ab, das wird über die Wurzeln der Pflanze aufgenommen und die Blattläuse schlucken es beim Saugen an den Blättern. Und in der freien Natur helfen starke Winde und schwere Regenfälle die Läuseplage von den Bäumen wieder herunterzuwaschen.

    Aber oft dauert es zu lange bis zum nächsten Regen und deshalb setzt der ökologisch bewusste Kleingärtner auf die natürlichen Feinde der Blattlaus, beispielsweise den Marienkäfer. Der Hamburger Insektenforscher Professor Ulrich Zunke weiß allerdings, dass die Marienkäfer Feinschmecker sind und nicht jede Laus mögen:

    Ulrich Zunke: "... Der sucht sich also seinen Speiseplan auch selber aus. Also wenn wir denken wir könnten jetzt den Siebenpunkt, den ja jeder kennt, bei uns aufm Garten aussetzen, so gezielt geht es leider nicht. Außerdem muss man auch wissen, die Käfer fliegen ja weg, man muss die Larven am besten nehmen. Und die Larven kann man einsetzen, weil sie auch mehrere Hundert Blattläuse vertilgen können, am besten im Gewächshaus oder im Wintergarten. ..."

    Für den eigenen Bedarf können Marienkäferlarven sogar gekauft werden, geliefert werden sie als Eier in kleinen Kästchen.

    Im Gegensatz zu den Läusen, die den Zucker ja wieder ausscheiden, mögens die Ameisen süß und gerade im Sommer können auch sie massenweise zu ungebetenen Gästen in der Küche oder Speisekammer werden. Haben Ameisen in der Küche etwas Süßes entdeckt, verraten sie ihren Artgenossen die Stelle und in Kürze wird die Beute über eine lange Ameisenstraße abtransportiert. Wer sich davor schützen möchte, muss im Haus selbst kleinste Ritzen, Spalten und Löcher zukitten und Süßigkeiten und andere Lebensmittel sorgfältig im Schrank verstauen. Vom alten Hausmittel "Backpulver" gegen Ameisen jedoch rät Biologin Helga Baur aus Hamburg inzwischen ab:

    Helga Baur: "Das Backpulver, was man zu Großmutters Zeiten, als diese Ratschläge entstanden, verwendete in der Küche, hatte eine ganz andere chemische Zusammensetzung. Und das wirkte dann allerdings tödlich auf Ameisen. Das heutige Backpulver mögen sie sehr gerne und gucken dann nach mehr." "... Besser ist es, wenn man Ameiseneinfälle ins Haus hat, in die Küche, dass man an den Stellen, wo die Ameisen hinein kommen, Fensterbank oder Türschwelle, ein bisschen Nelkenöl, was man verdünnen kann mit Brennspiritus, ausbringt, aufsprüht auf die Stellen oder aufstreicht. Das mögen die Ameisen überhaupt nicht riechen und da kann man sie häufig dann ganz aussperren. Dann bleiben sie im Garten und da richten sie auch keinen Schaden an."

    Im Garten sind Ameisen wichtige Nützlinge, die andere kleine Insekten jagen und den Boden umschichten und vielen Pflanzen wie dem Veilchen, Ehrenpreis oder dem Schöllkraut eine Verbreitung überhaupt erst ermöglichen. Seit der Novellierung der Bundesartenschutzverordnung Ende 1999 steht anstatt früher zwölf Arten jetzt nur noch eine, nämlich die Rote Waldameise vollständig unter Naturschutz und sie darf deshalb nicht getötet oder ihre Nester dürfen nach wie vor auch nicht zerstört werden.