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Ein Held, der keiner sein wollte

Raumfahrt.- Neil Armstrong war der erste Mensch, der den Mond betrat. Nun ist er im Alter von 82 Jahren gestorben. Wissenschaftsjournalist Harro Zimmer schildert im Gespräch mit Arndt Reuning seine Erinnerungen an die Person Neil Armstrong sowie an die Berichterstattung vom 20. Juli 1969.

27.08.2012
    Arndt Reuning: "Neil war einer der größten amerikanischen Helden - nicht nur seinerzeit, sondern für alle Zeiten." So heißt es in einer Mitteilung des US-Präsidenten Barack Obama zum Tode von Neil Armstrong. Am vergangenen Samstag war der erste Mensch auf dem Mond im Alter von 82 Jahren gestorben - an den Folgen einer Herzoperation. Ein Held hatte der Weltraumpionier allerdings nie sein wollen, nach eigenen Aussagen bloß ein guter Ingenieur. Am Telefon bin ich nun verbunden mit meinem Kollegen Harro Zimmer, der jahrzehntelang für den RIAS über Raumfahrt berichtet hat. Herr Zimmer, Sie haben Neil Armstrong mehrmals getroffen. War er tatsächlich solch ein bescheidener Mensch, wie das eben anklang?

    Harro Zimmer: Bescheidenheit kann man natürlich sehr unterschiedlich definieren. Er war ein sehr zurückhaltender Mensch, der auf Lob überhaupt nicht reagierte, der in irgendeiner Weise in sich ruhte. Er hatte immer so ein bisschen Kontaktschwierigkeiten in der Kommunikation mit seiner Umwelt gehabt und daraus entstand der Eindruck, dass er sehr bescheiden in seiner Art ist. Aber man merkte sofort, dass er auch anders sein konnte, wenn man ihn auf Fakten ansprach, auch über Technik mit ihm diskutierte. Da hatte er seine ganz konkreten Standpunkte und wusste genau, was er sagte - und dass das wirklich einen dicken Background hatte. Also er ist ein bisschen schwierig zu durchschauen gewesen. Eben deshalb, weil er mit seiner Umwelt an für sich relativ wenig zu tun haben konnte. Sein Interesse galt - ich will das mal profan formulieren - eigentlich immer den Maschinen.

    Reuning: Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit - mit diesen Worten betrat Neil Armstrong die Mondoberfläche, am 20. Juli 1969. Wie haben Sie denn als Journalist diesen Moment erlebt?

    Zimmer: Das war natürlich eine sehr spannende Geschichte. Ich habe das ja damals für den RIAS reportiert und dann auch alle anderen Mondlandungen, so dass ich einen gewissen Vergleich ziehen konnte. Es war also fast ein wenig gespenstisch. Denn dieser Augenblick war ja nicht mit Fernsehbildern dokumentiert. Erst der Ausstieg - und Sie wissen alle, die Fernsehqualität steckte damals noch in den Kinderschuhen, zumindest bei der NASA ... und es war natürlich ein völlig beeindruckendes Erlebnis, das man also gar nicht zu schnell verarbeiten und verdauen konnte. Es war auch schwierig, die entsprechenden Worte zu finden, auch den berühmten Satz von Armstrong zu interpretieren, überhaupt ihn richtig zu verstehen. Denn er war von Störgeräuschen unterbrochen.

    Reuning: Weshalb war eigentlich Armstrong ausgewählt worden, als erster Mensch den Mond zu betreten und nicht einer seiner beiden Kollegen, Michael Collins oder Buzz Aldrin?

    Zimmer: Nun, das ist ja eine Frage, über die man also trefflich streiten kann. Wenn Sie jetzt Buzz Aldrin danach fragen würden, dann hätte er Ihnen sicherlich geantwortet, ich wäre normalerweise der Erste gewesen, der den Fuß auf die Oberfläche des Mondes hätte setzen müssen. Denn ich war sozusagen der Pilot der Mondlandefähre. Und es gibt Gerüchte, wonach es also heftigen Disput gegeben habe, wer von den Beiden sozusagen der Erste sein würde. Aber es steht fest, dass die NASA die Entscheidung getroffen hatte, der Kommandant der gesamten Mission hat das Vortrittsrecht. Und man hat ihn natürlich auch bewusst gewählt, weil man ihm ja attestieren konnte, dass er eigentlich jede technische Situation meistern konnte. Es ist ein Mann ohne Nerven gewesen. Das zieht sich durch sein Leben wie ein roter Faden. Ob das im Koreakrieg als Kampfpilot war, ob es das Desaster beim Flug von Gemini 8 im März 1966 gewesen ist, oder kurz vor der Mondlandung dieses Training mit dieser merkwürdigen nachgebauten Landefähre, die ihm sozusagen unter dem Hintern auf Gutdeutsch fast explodiert ist. Er hatte keine Nerven. Ich habe viel auch mit seinen Kollegen gesprochen, die zu dem Zeitpunkt im Kontrollzentrum saßen. Man hat ja damals in diesen letzten Minuten und Sekunden spekuliert: Brechen wir unter Umständen die Mission ab? Aber ich glaube, Armstrong hätte darauf gar nicht reagiert. Man hat dann also sozusagen im Stillen gedacht, Augen zu und durch, lass ihn machen, der Mann weiß, was er kann und was er ist. Und er hat sie also alle durch diese Punktlandung überzeugt.