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Ein Herz für die Umwelt im Harz

Der Strom soll immer dann aus der Steckdose kommen, wenn man ihn braucht. Doch genau dieser Punkt ist die Achillesferse bei den erneuerbaren Energien, also der Stromgewinnung aus der Sonnen- oder Wasserkraft zum Beispiel. Der Wind weht eben nicht immer und auch die Sonne verbirgt sich oft hinter dicken Wolken. Wie man diese naturbedingten Schwankungen ausgleichen kann, wird im Landkreis Harz getestet. Antje Uebel stellt das Projekt, das in dieser Woche gestartet wurde, vor.

Von Anja Uebel |
    Seinen Hut muss Thomas Radach heute festhalten. Ein kräftiger Wind treibt die Rotorblätter der 29 Anlagen im Windpark Druiberg im Harz. Thomas Radach ist Betriebsleiter des Windparks und macht seinen täglichen Kontrollgang.

    "Der durchschnittliche Haushalt in Deutschland, einVier-Personen-Haushalt, verbraucht im Jahr zwischen 3.500 und 4.500 Kilowattstunden. Eine Anlage macht vier Millionen. Müsste man jetzt schnell mal rechnen ..."

    Es sind 1000 Haushalte, die ein einziges Windrad ein Jahr lang mit Strom versorgen kann. Alle Anlagen des Windparks zusammen gezählt könnten fast die Hälfte der Haushalte im Landkreis versorgen. Theoretisch! Denn der Wind richtet sich nicht nach dem Herd oder der Zimmerbeleuchtung. Weht zuviel, kann er nicht vollständig genutzt werden, weht zu wenig, würde man im Dunkeln sitzen, wenn man allein auf den Wind angewiesen wäre. Die Lösung liege vor allem in einer effizienten Speichertechnik, erklärt Projektleiter Ulrich Narup. Im Harz dient ein höher gelegener See als Energiespeicher: Über ein nahe gelegenes Pumpspeicherwerk wird Wasser dort hinein gepumpt.

    "Wenn das Angebot im Stromnetz hoch ist, wird dieser obere Speicher wieder gefüllt mit Wasser und zu Spitzenzeiten, wenn viel Strom gebraucht wird, zum Beispiel um 11:00 Uhr, wenn alle ihren Herd anschalten, dann wird aus diesem Kraftwerk aus diesem Becken Wasser raus gelassen."

    Über die Turbinen wird dann wieder Strom erzeugt. Auch andere Betreiber regenerativer Energieträger haben ihre Mitarbeit am Projekt zugesichert: Solar- und Biogasanlagen der Region sollen zusätzlichen Strom liefern, Elektrofahrzeuge sollen ihn speichern. Netz- und Energieanlagenbetreiber – regenerative sowie konventionelle - und die regionalen Stadtwerke arbeiten dann Hand in Hand. Wie das Zusammenspiel einmal aussieht, welche Lücken in der Stromversorgung auftauchen und wie man sie schließen kann – all dies sei noch unklar, das Projekt stehe noch ganz am Anfang, erklärt Ulrich Narup. Fest steht jedoch, dass die Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg mit neuen Messinstrumenten das Projekt unterstützen wird. Professor Zbigniew Styczynski:

    "Wir werden dort erst mal prüfen, ob das Netz in der Region Harz diese neue Aufgabe überhaupt bewältigen kann, also unterschiedliche Szenarien auch simulieren und wir werden dann nachher diese Instrumente installieren. Es handelt sich um ganz neue Messgeräte, die mit Hilfe der GPS-Synchronisation eine sehr genaue Information über den Zustand des Netzes nach Außen geben werden und durch diese Information wird es möglich, die Region Harz optimal mit Strom zu versorgen wenn er gebraucht wird."

    Und das ist auch das Ziel: ein stabiles Stromnetz, in dem möglichst nur noch Strom aus regional erzeugten erneuerbaren Energien fließt. Der Landkreis soll rund um die Uhr mit Strom aus eigenen Anlagen versorgt werden. Vier Jahre hat man für die Umsetzung Zeit – solange wird die Modellregion vom Bundeswirtschaft- und Bundesumweltministerium gefördert. Ob man dann tatsächlich bei "100 Prozent regenerativ" bzw. 100 Prozent regional" angelangt ist, das kann Ulrich Narup heute noch nicht sagen. Zwar sieht er bei der technischen Umsetzung keine Schwierigkeiten, grüner und regional erzeugter Strom sind heute allerdings noch teuerer als Atom- oder Kohlestrom. Eine Milchmädchenrechnung, sagt der Projektleiter.

    "Wenn man die Kernenergie sieht, die angeblich preiswert sein soll, dann ist sie in meinen Augen nicht preiswert, weil sich bestimmte Kostenkomponenten wie zum Beispiel die Endlagerung des Atommülls in den Kosten nicht widerspiegeln. Im Grunde werden diese Preise den nachfolgenden Generationen aufgebürdet und die zahlen die Zeche. Die Sonne schickt uns keine Rechnung. Die Sonne schickt uns auch keine Verschmutzung. Und dadurch sind diese Formen der Energieerzeugung auf Dauer unschlagbar."

    Trotzdem weiß auch er: selbst wenn es in der Bevölkerung im Landkreis viele Befürworter gibt, regenerative Energie inzwischen einen hohen Stellenwert genießt und zum wichtigen Arbeitgeber in der Region geworden ist – grüner Strom muss verlässlich und erschwinglich sein. Dazu gehört für ihn auch eine kluge Preispolitik und das Angebot an den Verbraucher, den Strom zu bestimmten Tages- und Nachtzeiten billiger zu verkaufen – nämlich dann, wenn genügend davon vorhanden ist.

    "Als es noch keinen Strom gab, war es für uns selbstverständlich, uns nach dem Wetter zu richten. Also, Wäsche konnte nur getrocknet werden wenn Wind wehte und es draußen trocken war. Heute trocknen wir Wäsche immer, weil wir einen elektrischen Trockner haben. Wir brauchen wieder da etwas Schläue, also dass wir die Wäsche dann trocknen, wenn der Strom günstig ist. Und da vielleicht mal einen halben Tag warten mit dem Wäsche trocknen."

    Ein neues, zukunftsweisendes Denken und Handeln ist in der Bevölkerung erforderlich, glaubt Ulrich Narup – über Preise ist das nur bedingt regelbar. Doch neue Ideen und Investitionen in Projekte wie dieses bringen auch neue Chancen, letztendlich auch über die Grenzen des Landkreises Harz hinaus.