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Ein Herzschlag genügt

Vergangene Woche präsentierte das Deutsche Herzzentrum Berlin einen Computertomografen, der die Aufnahmezeit und die Strahlenbelastung bei Untersuchungen von Herzpatienten drastisch reduziert. Damit öffnen sich auch neue Wege in der Kinder-Kardiologie.

Von Susanne Billig | 27.06.2012
    "Weltweit gibt es 150 von solchen Geräten und 42 in Deutschland. Aber mit diesem neuen Stellar-Detektor, der die Dosisreduktion noch einmal forciert und auch die Bildschärfe noch einmal verbessert, ist es das erste Gerät in einem klassischen Routinebetrieb."

    Deutsches Herzzentrum Berlin. Eine Patientin wird in einen Computertomografen geschoben. Leise surrt das Gerät um ihren Körper. Von außen ist es nicht von Vorgängermodellen zu unterscheiden - das Neue steckt im Inneren. Laut Hersteller ist es der schnellste CT der Welt mit der geringsten Strahlenbelastung. Welche Kräfte müssen Ingenieure in Bewegung setzen, damit eine solche Leistung gelingt? Der Medizintechniker Wolfgang Schaber von Siemens:

    "Hochinteressante Frage! Man kann sich das gar nicht so vorstellen, man müsste mal die Abdeckung abnehmen: Wenn man wüsste, dass sich 1,6 Tonnen bewegen, dann würde man sich da gar nicht reinlegen. Aber das bekommt ja der normale Patient in keinster Form mit."

    Bei einer computertomografischen Untersuchung wird der Patient auf einer Liege durch einen kurzen Tunnel geschoben. Dabei schickt das CT-Gerät Röntgenstrahlen durch seinen Körper. Detektoren messen, auf welche Weise das geschieht. Je dichter das Gewebe ist, desto heller wird es im CT-Bild dargestellt. Herkömmliche Computertomografen arbeiten mit nur einer Röntgenröhre - das ist bei dem neuen Gerät anders, erklärt Siemens-Fachberater Markus Stappenbeck:

    "Wir untersuchen ja in einem CT den Körper in einer Spiralbewegung um den Körper. Und dadurch, dass wir zwei Röhren haben, können wir diese Bewegung schneller machen. Wir können auch schneller vorwärts fahren. Und das ist das Besondere."

    Die zwei Röhren sind um 90 Grad gegeneinander versetzt eingebaut und rotieren gleichzeitig. Auf diese Weise können doppelt so viele Daten gesammelt werden - die Aufzeichnungszeit halbiert sich und damit auch die Strahlenbelastung. Dazu kommen die neuen Detektoren, die das elektronische Hintergrundrauschen so gut wie vollständig unterdrücken und kristallklare, dreidimensionale Bilder liefern. Die Kardiologin Natalia Solowjowa arbeitet am Deutschen Herzzentrum täglich mit der CT-Diagnostik. Sie erinnert sich noch gut an die alten Geräte-Generationen:

    "Eine getriggerte Aorten-Untersuchung vom Thorax dauerte gute 32 Sekunden mit eigentlich fast nicht einzuhaltendem Atem. Das war wie so ein Tauchgang. Jetzt haben wir eigentlich sechs Sekunden höchstens. Was das Herz separat anbetrifft: Das ist tatsächlich nur eine Rotation und es ist eine Untersuchungszeit von deutlich unter einer Sekunde."

    20, 30 Sekunden die Luft anhalten, um verwackelungsfreie Bilder zu bekommen - das ist für schwerkranke oder unruhige Patienten so gut wie unmöglich. Wegen der hohen Strahlenbelastung musste vor allem die Kinder-Kardiologie bislang weitgehend auf den Einsatz von CT-Geräten verzichten und für eine Feindiagnostik zum Herzkatheter greifen - ein langwieriger und mit Risiken behafteter Eingriff.

    "Führende Kardiologen unseres Hauses sind bereit, auch Indikationen zu einer Herzkatheter-Untersuchung bei einem Kind zu überdenken und das zugunsten des CTs sozusagen anders positionieren - und hoffen, neue Wege auf diesem Terrain zu untermauern."

    Deshalb haben die Mediziner des Deutschen Herzzentrums neue Forschungsstudien begonnen. Sie sollen klären, bei welchen Krankheitsbildern die Kinder-Kardiologie möglicherweise in der Zukunft ganz auf den Herzkatheter verzichten kann. Auch daher rührt das große Interesse an dem neuen Computertomografen.