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Ein Hochschul-Juwel

Sein fünfhundert Jahren prägen Edelsteine die Region um das Städtchen Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz. Die Edelsteinminen sind zwar längst stillgelegt und nur noch eine Touristenattraktion, doch immer noch bestreiten gut 2000 Menschen in rund 400 Betrieben ihr Einkommen durch Verarbeitung und Verkauf der Juwelen. Außerdem ist zwischen den Stadtteilen Idar und Oberstein das Schild ”Fachhochschule” nicht zu übersehen: In die abgelegene Mittelgebirgslandschaft der Stadt kommen junge Erwachsene aus der ganzen Welt, um hier Edelstein- und Schmuckdesign zu studieren.

Von Ludger Fittkau |
    Die Edelstein-Schleiferei. Hier werden alle Edelsteine bearbeitet, die auch in der Industrie verarbeitet werden. Das können Rubine sein, Saphire, Aquamarine, Achate, Quarze in allen Arten und so weiter.

    Nur Diamanten werden hier nicht verarbeitet, erklärt Winfried Juchem, der Leiter der Schleiferei. Denn Diamanten sind doch zu teuer für die 84 Studierenden am Idar-Obersteiner Fachbereich Edelstein- und Schmuckdesign der Fachhochschule Trier.
    Die angehenden Schmuckdesigner müssen nämlich ihr Material für die Semesterarbeiten selbst kaufen – also übt man das Schleifen lieber mit billigeren Edelsteinen, wie Wibke Hase:

    Ich arbeite jetzt zu dem Thema Licht und Transparenz und da habe ich mir Formen erarbeitet und die setzte ich jetzt hier in jungem Bernstein um. Den man jetzt nicht unbedingt als Bernstein bezeichnen, weil der noch zu jung ist, erst 2000 Jahre alt, aber aus dem Material mache ich das jetzt.

    Gleich nebenan schleift der Koreaner Sang Jong Che einen Menschenfuß aus brasilianischem Achat:

    Das ist eine traditionelle Technikübung.

    Sang Jong Che ist keine Ausnahme: Die angehenden Edelstein-Designer kommen aus der ganzen Welt nach Idar-Oberstein –darauf ist Werkstattleiter Winfried Juchem stolz.

    Wir haben viele Bewerbungen aus Asien, dann aus dem benachbarten Luxemburg, Frankreich, Holland vor allen Dingen, (...) dann haben wir Leute hier aus Tschechien, aus der Slowakei, eigentlich das ganze Spektrum.

    Dabei liegt die Hürde für einen Studienplatz in Idar-Oberstein hoch, sagt Professor Lothar Brügel, der Dekan des Fachbereichs:

    Das Studium ist künstlerisch, gestalterisch ausgerichtet und wir erwarten, dass die Bewerber eine Lehre haben oder zumindest ein Praktikum. Am liebsten ist uns eine abgeschlossene Lehre von drei Jahren, manche haben sogar den Meisterbrief und darauf aufbauend das Designstudium.

    Doch weil seit Jahren der Nachwuchs bei den hiesigen Edelsteinschleifereien fehlt, haben die meisten Bewerber eine Goldschmiedelehre. in Einzelfällen haben auch Glasschleifer oder sogar Zahntechniker eine Chance auf einen Studienplatz.

    Gleich neben der Schleifwerkstatt liegt die Goldwerkstatt, hier wird mit der Hand an Bronze oder Silberschmuck gefeilt. Hier arbeiten auch Studierende,
    die ihre Diplomarbeiten bereits fertig gestellt haben und sich nun in Idar-Oberstein selbstständig machen wollen – immerhin ca. 20 Prozent aller Absolventen, schätzt Thomas Dirks, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fachbereichs.

    Wir stellen die Werkstätten zur Verfügung, weil gerade in der Gründungsphase sind natürlich die finanziellen Ansprüche immens und da versuchen wir Hilfestellung zu leisten.

    Dass sich in den letzten Jahren mehr und mehr junge Absolventen des Studiengangs dazu entschließen, sich in der Region niederzulassen, ist ein Hoffungsschimmer für die Edelstein-Industrie in Rheinland-Pfalz. Denn die Globalisierung hat auch um Idar-Oberstein keinen Bogen gemacht, erläutert Design-Professor Theo Smeets, der aus Amsterdam ins deutsche Edelstein-Zentrum berufen wurde:

    Es ist so, dass die reine Edelsteinschleiferei inzwischen in Asien größtenteils stattfindet und das hier vor Ort mehr das Design erstellt wird, geschliffen wird dann mehr in Asien.

    Wie lange die angehenden Designer ihre Edelsteine noch in Idar-Oberstein schleifen, ist zur Zeit ebenfalls nicht ganz klar. Es droht allerdings keine Verlagerung des Fachbereichs nach Asien, sondern aus Kostengründen ins 80 Kilometer entfernte Trier- dem Hauptstandtort der Fachhochschule. Winfried Juchem, der Leiter der Schleiferei, hält das für keine gute Idee. Denn in Trier würden die kurzen Wege zur Edelsteinindustrie fehlen- die den Hochschul - Standort Idar-Oberstein auszeichnen:

    Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil hier die Verbindungen auch weltweit vorhanden sind. Das ist ja ein globales System, in das wir eingebunden sind und wenn ich jetzt beispielsweise den Standort Trier nehme, der überhaupt keinerlei Bezug zu Schmuck oder Edelsteinen hat, da wäre das sehr schwierig.

    Bereits angekündigte Proteste von Studierenden gegen Finanzkürzungen bei Rheinland-Pfälzischen Fachhochschulen sind aber in der letzten Woche zunächst einmal abgesagt worden. Es wird zunächst weiter verhandelt – wohl auch über die Juwelen-Designer von Idar-Oberstein.