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"Ein Hologramm für den König"
Tykwer schickt Hanks in die Wüste

Nach der Verfilmung des Bestsellers "Cloud Atlas" setzen Regisseur Tom Tykwer und Hollywoodstar Tom Hanks ihre Zusammenarbeit fort. Auch "Ein Hologramm für den König" basiert auf einer literarischen Vorlage. Die stammt diesmal vom US-amerikanischen Schriftsteller Dave Eggers.

Von Jörg Albrecht | 27.04.2016
    Der Schauspieler Tom Hanks kommt zur Europapremiere des Films "Ein Hologramm für den König" in Berlin.
    Tom Hanks bei der Europapremiere von "Ein Hologramm für den König" (dpa / Jörg Carstensen)
    "Genauso wie es immer war. Genauso wie es immer war. ... Ein Leben ohne ein wunderschönes Haus, ohne eine wunderschöne Ehefrau."
    Wie ist er – wie ist Alan Clay da nur hingekommen? Sein Albtraum zu den Klängen des Talking Heads-Klassikers "Once in a Lifetime" mit dem leicht abgewandelten Text ist für Alan Clay traurige Realität. Der – von Tom Hanks gespielte – 53-jährige US-Amerikaner ist ein Opfer von Finanz- und Ehekrise. Haus weg, Ehefrau weg, Geld weg. Und der Job? Nun ja – auch der hängt am seidenen Faden. Eine Geschäftsreise, die Clay nach Saudi-Arabien führt, ist quasi seine letzte Chance.
    "Sind Sie Alan Clay? – Sind Sie der Fahrer? – Führer, Fahrer, Held. Yousef. ..."
    Der junge Saudi Yousef wird von nun an sein treuer und auch – wie Clay feststellen muss – sehr spezieller Begleiter sein.
    "Und diese Kiste bringt uns ans Ziel? – Sie lässt mich nie im Stich. – Ist wirklich alles okay? – Ich musste nur, bevor ich ins Hotel gehe, die Batterie abklemmen. – Warum? – Damit es keiner verdrahtet. – Sie meinen kurzschließt, um es zu stehlen? – Nein, ich meine verdrahtet, um es zu sprengen. ... Nein, nein – nichts Terroristisches! Nur so ein Typ, der glaubt, dass ich es mit seiner Frau treibe. Er versucht vielleicht mich zu ermorden."
    "Lost in Translation in Saudi-Arabien"
    Der westliche Handlungsreisende in einem fremden Land, in dem die Uhren etwas anders gehen. "Lost in Translation" kommt einem sofort in den Sinn und etwas später noch ein weiterer Film mit Bill Murray in der Hauptrolle. Auch für Tom Hanks, heißt es nach einiger Zeit in Saudi-Arabien: "Und täglich grüßt das Murmeltier". Denn die Tage wiederholen sich und mit ihnen die immer gleiche Frage.
    "Wie lange warten wir voraussichtlich noch auf den König? Reden wir von Tagen? – Das weiß ich nicht. – Wochen? – Ich weiß es nicht. – Monaten? – Ich hoffe nicht."
    Statt "Warten auf Godot" also das Warten auf den König. Absurdes Theater mitten in der Wüste. Denn nur der saudische Herrscher höchstpersönlich kann den Auftrag erteilen und den Deal mit Clay und seinen Geschäftspartnern absegnen. Für die geplante saudische Millionenstadt aus der Retorte, die "King Abdullah Economic City", will Clay ein innovatives Kommunikationssystem liefern: jenes Hologramm, das schon im Titel von Roman und Film auftaucht.
    Das Problem ist aber nicht nur, dass vom König weit und breit nichts zu sehen ist. Auch die Rahmenbedingungen für die Präsentation lassen noch zu wünschen übrig und sein saudischer Ansprechpartner übt sich im Beschwichtigen.
    "Ich versichere Ihnen, dass uns kein anderer Anbieter wichtiger ist als die Reliant Group. – Also, das ist wirklich schön zu hören. Aber es gibt Schwierigkeiten. – Raus damit! – Wir können uns da nicht für unsere Präsentation einrichten. – Wieso nicht? – Weil wir in einem Zelt sitzen. – Tut mir leid, aber das ist der Ort, an dem die Präsentation stattfindet. – Wir brauchen einen Internetanschluss. – Das kriege ich nicht hin. – Dann zumindest ein sehr stabiles WLAN."
    Während es im klassischen Road Movie die Etappen sind, die der Protagonist zurückgelegen muss, um sich am Ende selbst zu finden, ist es in "Das Hologramm für den König" der Stillstand, der Alan Clay zum Nachdenken über sich und seine Verankerung in einer globalisierten Welt zwingt.
    Auf der Suche nach Orientierung
    Wie dicht Komik und Tragik bei dieser Orientierungssuche im Orient aneinander liegen, lotet Tom Tykwer meisterhaft aus. Anrührend und für Tykwer erstaunlich entspannt und erfreulich ungekünstelt fällt die Charakterstudie aus. Und in Tom Hanks hat der Regisseur dafür den perfekten Schauspieler gefunden. Sein Alan Clay verkörpert den Bedeutungsverlust der USA.
    "Ich fühle mich nicht wohl in letzter Zeit. – Nicht wohl? – Schwerfällig, langsam, irgendwie kraftlos. … Ich glaube, ich habe die Orientierung verloren. …"
    Zarah, die Ärztin aus Riad, die Clay konsultiert wegen einer dicken Beule auf seinem Rücken, die ihn schon monatelang piesackt, wird nicht nur die Geschwulst entfernen. Sie entfaltet für den US-Amerikaner auch über seine medizinischen Probleme hinaus eine heilende Kraft. In der zweiten Hälfte wandelt sich die feine Charakterstudie zur eher konventionellen Liebesgeschichte. Sehenswert bleibt der Film dennoch bis zum Schluss.
    "Was würden unsere Kinder wohl hiervon halten? – Was genau meinen Sie? Von Ihnen und mir? Dem großen Kulturunterschied?"
    Am Ende von "Ein Hologramm für den König" wird der Albtraum vom Anfang vergessen und werden Haus, Ehefrau und Geld wieder in Reichweite sein. Der Film, obwohl nah an Eggers Roman, ist immer eine Idee leichter und versöhnlicher als die Vorlage. Dafür steht allein schon Sympathieträger Tom Hanks. Der übrigens wird demnächst auch in Der Circle eine Hauptrolle spielen. Der nächste Film nach einem Bestseller von Dave Eggers ist bereits im Kasten.