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Ein Jahr danach

Beim Bildungsstreiks vor einem Jahr wurden Forderungen nach mehr Personal und mehr Geld für eine bessere Lehre laut. Ein Jahr später hat Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner eine Novelle des Hochschulgesetzes vorgelegt. Wie weit ist er den Studierenden dabei entgegengekommen?

Von Claudia van Laak | 17.11.2010
    Arm aber sexy – das ist der Lieblingsspruch von Klaus Wowereit, Berlins Regierendem Bürgermeister. Der rot-rote Senat hat nichts zu verteilen, bei der Pro-Kopf-Verschuldung steht die Hauptstadt derzeit auf Platz zwei hinter Bremen – auf jeden Berliner, jede Berlinerin kommen 17.140 Euro Schulden. Wie kann also die Lehre an den Hochschulen verbessert werden, ohne allzu viel Geld dafür auszugeben? Vor dieser Frage steht Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner. Seine Antwort: Ein neuer Typ Hochschullehrer, der oder die nicht forscht und stattdessen 18 Semesterwochenstunden unterrichtet.

    "Wir nehmen es selbstverständlich als gegeben hin, dass es Möglichkeiten geben muss, dass man sich von den Lehrverpflichtungen befreien kann, wie man das so unschön sagt, und schwerpunktmäßig Forschung macht. Und wenn man das ernst nimmt, muss auch das Umgekehrte möglich sein. Also es gibt Positionen, die schwerpunktmäßig Lehre machen."

    Diese Hochschuldozenten sollen befristet oder auf Dauer angestellt sein und haben das Recht zu promovieren. Die Landesrektorenkonferenz lehnt diesen Vorschlag von Wissenschaftsminister Zöllner ab. Mit uns wird es diesen Hochschuldozenten nicht geben, sagt Peter-Andre Alt, Präsident der FU Berlin und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz.

    "Lehrkräfte, die im universitären Betrieb mehr als 8 oder 10 Stunden unterrichten, können das nur auf Kosten der Qualität. Das heißt, das ist eine relativ billige, aber nicht qualitativ hochstehende Lehre, es fehlt dann auch noch Betreuung."

    Die Vertretung der Studierenden sieht dies genauso. Berlins Landesastenkonferenz kritisiert, mit der Einführung eines Hochschuldozenten für Lehre werde - Zitat – "die Forschung zu einem elitären Steckenpferd einer professoralen Minderheit". Julian Zwingel von der katholischen Hochschule für Sozialwesen:

    "Was hier passiert, ist die Verstärkung der Trennung von Forschung und Lehre, die auch ökonomisch gewollt ist. Das können wir natürlich nicht hinnehmen. Wenn Dozierende einseitig für die Lehre angestellt werden und nicht mehr rückgekoppelt sind an Aktualität und Qualität des derzeitigen Forschungsstandes."

    Die Trennung von Forschung und Lehre sei ja nicht auf Dauer angelegt, entgegnet Wissenschaftssenator Zöllner - ein Hochschuldozent könne sich ein paar Jahre lang auf die Lehre konzentrieren und sich danach wieder der Forschung widmen. FU-Präsident Alt hält dagegen:

    "Es gibt inzwischen Fächer, in denen der wissenschaftliche Fortschritt so rasant ist, dass man sagen muss: Wer ein Jahr aus der Forschung aussteigt, der verliert den Anschluss."

    Ob sich Wissenschaftssenator Zöllner dem Druck von Studierenden und Hochschulleitungen beugen wird und den Hochschuldozenten wieder aus der Gesetzesnovelle streicht, ist ungewiss. Klar ist jedoch, dass der SPD-Politiker die Novelle schnell durch Senat und Abgeordnetenhaus bringen will – und zwar bevor die heiße Phase des Wahlkampfes beginnt - im September 2011 wählt Berlin ein neues Abgeordnetenhaus. Die Studierenden wollen genau das Gegenteil. Ihr Ziel: die Hochschulpolitik Berlins zum Wahlkampfthema machen. Dazu gehört auch die Forderung: "Master für alle". Wissenschaftssenator Zöllner ist dieses Motto zu simpel:

    "Wenn ich davon ausgehe, dass ein vernünftig strukturiertes Studiensystem an einer Hochschule natürlich auch unterschiedliche Kombinationen zulassen sollte im Sinne der Studierenden, dann werde ich mit so einfachen Regeln nicht zurecht kommen."

    Um der Forderung "Master für Alle" Nachdruck zu verleihen, planen Berliner Studierende ein entsprechendes Volksbegehren, gerne in der heißen Wahlkampfphase.