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Ein Jahr nach der Flut
Sachsens Unternehmer kämpfen mit Hochwasserschäden

Vor allem der Osten Deutschlands war vor einem Jahr von einem schweren Hochwasser betroffen. In Sachsen richtete die Flut Schäden in Milliardenhöhe an. Bis heute kämpfen die Firmen mit den Folgen der Katastrophe.

Von Nadine Lindner |
    Eine überflutete Straße am 08.06.2013 in Magdeburg (Sachsen-Anhalt).
    Im Osten Deutschlands waren vor einem Jahr in vielen Städten die Straßen überflutet. (picture alliance / dpa / Foto: Andreas Lander)
    Wer zu Immobilienmakler Wolfgang Kaminsky will, der muss einen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Durch ein paar Türen, und dann den Flur bis zum Ende durch. Denn sein Büro ist nun dort, wo früher mal sein Lagerraum war. In seinen eigentlichen Räumlichkeiten mit großen Fenstern direkt auf den Grimmaer Markt, ist immer noch der Putz von den Wänden geschlagen. Auch ein Jahr danach sind die Folgen der Flut hier bei ihm noch allgegenwärtig. Und auch der Rest der Innenstadt hat sich noch nicht komplett erholt:
    "Die Vermietung von Wohnung im Erdgeschoss und Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss ist unheimlich schwierig – mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass so eine Flut mal wiederkommt."
    Die Folge: Die Immobilienpreise sind deutlich gesunken. Wer nun im Innenstadtbereich ein Haus verkaufen will, muss mit Preisen rechnen, die 30 oder 40 Prozent niedriger liegen als vor Juni 2013. Schon zum zweiten Mal hat es die 20.000 Einwohner zählende Stadt Grimma getroffen. Auch bei der ersten großen Flut im Jahr 2002 stand hier das Wasser des Flusses Mulde.
    "Also es ist ein Unterschied zu 2002 ganz deutlich spürbar, wo der Aufbauwille und das Engagement, vom ersten Tag an da waren. Das ist dieses Mal ganz, ganz anders, es geht alles viel, viel schleppender,"
    Kaminsky glaubt, dass es noch mindestens ein oder zwei Jahre dauern wird, bis der Stand von Anfang 2013 wieder erreicht ist. Da war Grimma eine lebendige kleine Stadt mit Touristen, vielen Händlern in der Innenstadt. Wer heute durch die Straßen läuft, blickt in viele leere Fenster.
    Das will Matthias Berger ändern. Auch der umtriebige parteilose Bürgermeister arbeitet noch im Provisorium:
    "Wir haben schätzungsweise eine Schadensbilanz von 200 Millionen Euro. Diesmal stand das Wasser länger. Und das hinterlässt natürlich Schäden an der Bausubstanz."
    Für Bürgermeister Berger steht fest: Seine Stadt wird auch in Zukunft von Hochwasser bedroht sein.
    Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums von Sachsen hat es im ganzen Bundesland rund 6.000 Betriebe getroffen. So viele haben direkt nach der Flut Soforthilfe beantragt. Wie viele Betriebe in Sachsen in Folge der Flut schließen mussten, kann die Landesregierung jedoch nicht beantworten.
    Viele waren bereits ein zweites Mal betroffen
    Unter den Geschädigten waren auch viele Handwerker, wie Manuela Salewsky, Leiterin der Wirtschaftsförderung der Handwerkskammer Dresden erklärt.
    "Die Masse der Betriebe, die jetzt betroffen waren, waren ein zweites Mal betroffen. Man zahlt noch Kredite von 2002 zurück. Und das schränkt natürlich die Investionsmöglichkeiten ein."
    Problematisch sei zudem für viele, dass sie noch auf Geld für den Wiederaufbau warten, dass durch die Sächsische Aufbaubank und das Land Sachsen bereitgestellt wird. Immer wieder gibt es Klagen über das zu bürokratische und damit langwierige Vorgehen. Das verzögere die Sanierung von Betrieben und Privathäusern zusätzlich.
    Dass Handwerker jedoch in großem Stil aufgegeben haben, ist ihr nicht bekannt. Allerdings habe es in den Flutgebieten auch keinen Wiederaufbau-Boom gegeben.
    Hart getroffen hat es auch die Gastronomie-Betriebe an den Flüssen, vor allem in der Sächsischen Schweiz, an der Elbe oder an der Mulde.
    Hier in der Nähe von Grimma betreibt Mario Sörnitz zusammen mit seinem Bruder das Restaurant "Schiffsmühle". Mit über 30 Mitarbeitern ist es einer der größten Betriebe der Gegend. Der Fluss Mulde ist nur wenige Meter entfernt. Bis unter die Decke liefen seine Gasträume voll.
    "Zehn Monate hatten wir zu. Wir haben jetzt am Karfreitag, an Ostern wieder aufgemacht."
    Obwohl er sich sicher ist, dass es nicht das letzte Hochwasser war, will er an seinem angestammten Firmensitz bleiben.
    Geschäftsaufgaben sind trotz aller Widrigkeiten unter Sachsens Gastronomen bislang im einstelligen Bereich, sagt Jens Vogt von Hotel- und Gaststättenverband Dehoga.
    Ob Handwerk, Gastronomie oder Einzelhandel – ein massenhaftes Betriebssterben hat es in den Flutgebieten nicht gegeben. Und doch sind die Belastungen durch den Wiederaufbau für Unternehmer hoch – finanziell wie psychologisch.