Susanne Kuhlmann: Seit vor knapp vier Monaten Erdbeben und Tsunami den Nordosten Japans verwüsteten und die Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima zerstörten, hat sich auch hierzulande eine Menge geändert – Stichwort Energiewende. Diese Ereignisse haben eine andere Bedrohung vorerst in den Hintergrund treten lassen, die nicht minder augenfällig und dramatisch ist: der Klimawandel. Stürme, Dürren, Überschwemmungen, Unwetter vernichten Existenzen in vielen Teilen der Welt und machen die Betroffenen zu Armuts- und Hungerflüchtlingen. Im kommenden Jahr läuft das Kyoto-Protokoll aus, die Vereinbarung, mit der sich die Industriestaaten zur Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen verpflichtet haben. Jetzt drängt die Zeit immer mehr, denn ab Ende November soll im südafrikanischen Durban erneut versucht werden, ein Nachfolgeabkommen zu treffen. Die Chancen dafür stehen allerdings eher schlecht. Philipp Banse in Berlin, kann der Petersberger Dialog, der übrigens so heißt, weil die Konferenz im Vorjahr erstmals auf dem Petersberg bei Bonn stattfand, kann dieses Treffen also neuen Schwung in die Verhandlungen bringen?
Philipp Banse: Ich fürchte, das wird sehr schwer. Hier in Berlin, am Brandenburger Tor, haben jetzt Vertreter von 35 Staaten zwei Tage lang zusammengesessen, um eben diesen Klimagipfel in Durban Ende des Jahres vorzubereiten, und die Gespräche sind vertraulich, es dringt wenig nach außen. Umweltminister Norbert Röttgen will in ungefähr zwei Stunden die Ergebnisse verkünden. Aber die Verhandlungen scheinen zäh wie eh und je, was der Umweltminister gestern mit seiner bemerkenswerten somalischen Weisheit illustrierte.
O-Ton Norbert Röttgen: "Die somalische Weisheit besteht darin, dass man ein Kamel fordern soll, um am Ende eine Ziege zu bekommen. Und nun sind wir entschlossen, das Kamel zu fordern, aber wir müssen nun darüber reden, dass wir auch wirklich eine Ziege brauchen."
Banse: Also zunächst vielleicht zum Kamel: Damit wäre eben ein rechtlich verbindlicher Klimavertrag gemeint, der wirklich alle Länder zu Treibhausgasreduktionen zwingt, diese überprüfbar macht und die Verstöße auch mit Strafen belegt. Das Kyoto-Protokoll, das kommt diesem Ideal schon sehr nahe, regelt aber eben nur ein Drittel der weltweiten Emissionen, weil die USA und China sich zu nichts verpflichten lassen wollten. Zudem läuft dieses Kyoto-Protokoll – Sie sagten es – Ende kommenden Jahres aus und die große Frage ist jetzt: Was kommt dann? Und diese Frage, die wird wohl auch bei den Vorbereitungsgesprächen hier in Berlin nicht beantwortet werden. Umweltminister Norbert Röttgen stellt sich die Zeit nach Kyoto dann so vor:
O-Ton Norbert Röttgen: "Die Aufgabe, die nun vor uns liegt, besteht darin, diese Struktur des Kyoto-Protokolls schrittweise auch auf andere Länder auszudehnen, unter anderem Namen möglicherweise, in anderen Rechtsformen, aber es bedarf eben weltweit eines Systems, das CO2-Minderungsziele festlegt, das dafür Institutionen schafft und auch Regeln, an die sich alle halten."
Banse: Die entscheidenden Worte sind hier "anderer Name" und "andere Rechtsform". So wird dann eben aus dem Kamel eine Ziege. Einiges deutet darauf hin, dass in Durban, wenn es gut läuft, eine Art Kyoto light vorangetrieben werden wird, eine kleine progressive Gruppe um die Europäer vielleicht verpflichtet sich, auch über 2012 hinaus bindend zu massiven Treibhausgaseinsparungen, die Schwellenländer wie China und Indien setzen sich weiterhin nur freiwillige Ziele, müssen diese aber in nationale Gesetze gießen und dann, vielleicht so ab 2015/16, auch international bindend machen. Die USA bleiben in diesem Szenario auf Jahre außen vor und streben weiterhin nur ihre unverbindlichen freiwilligen Reduktionsziele an. Welchen Rechtsrahmen die Staaten nun auch finden, verbindlich, freiwillig, alle Länder dabei, oder nur ein paar, in jedem Fall müssen alle Länder mehr Treibhausgase einsparen, als bisher zugesagt, mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
O-Ton Angela Merkel: "Wir werden sicherlich noch keine abschließende Verständigung in Durban erreichen, aber ich hoffe doch, dass man ein Stück weiterkommen kann in einigen Fragen, und das könnte sein erstens bei konkreten Minderungszielen, alle Staaten müssen sich noch mehr engagieren, denn die Addition der abgegebenen Zielvorstellungen führt mit Sicherheit zu einer größeren Erwärmung als zwei Grad."
Banse: Maximal zwei Grad Erderwärmung, dieses Ziel haben sich die Staaten beim letzten Klimagipfel in Mexiko gesteckt, und nur dann könnte der Klimawandel beherrschbar bleiben, hatte die UNO errechnet. Ziel müsse daher sein, so die Kanzlerin, dass jeder Erdenbürger pro Jahr nicht mehr als zwei Tonnen CO2 oder Treibhausgas produziert. Zwei Tonnen das Ziel; ein Amerikaner produziert heute 20 Tonnen pro Jahr, ein Europäer immer noch zehn Tonnen. Greenpeace fordert daher, dass auch die EU noch draufsatteln müsse. Bisher will die EU bis 2020 20 Prozent Treibhausgase einsparen, die EU müsse aber auf 30 Prozent hochgehen, und zwar einseitig und ohne Bedingungen. Diese Forderung haben überraschenderweise auch Energieversorger unterschrieben wie Vattenfall und ENBW. Nur wenn die EU einseitig mehr Treibhausgas-Minderung zusage, gehe es voran, sagt der Leiter Klimapolitik von Greenpeace, Martin Kaiser.
O-Ton Martin Kaiser: "Ein weiterer Schritt ist, dass man dann Bedingungen stellt an China und Indien, in der nächsten Verpflichtungsperiode dann auch völkerrechtlich verbindlich eingebunden zu werden. Aber ohne ein diplomatisches Faustpfand werden sich diese Klimaverhandlungen nicht von der Stelle bewegen."
Banse: Und damit zurück nach Köln.
Kuhlmann: Kyoto light – heute geht der Petersberger Klimadialog zu Ende. Philipp Banse schilderte den Stand der Dinge. Danke schön nach Berlin.
Philipp Banse: Ich fürchte, das wird sehr schwer. Hier in Berlin, am Brandenburger Tor, haben jetzt Vertreter von 35 Staaten zwei Tage lang zusammengesessen, um eben diesen Klimagipfel in Durban Ende des Jahres vorzubereiten, und die Gespräche sind vertraulich, es dringt wenig nach außen. Umweltminister Norbert Röttgen will in ungefähr zwei Stunden die Ergebnisse verkünden. Aber die Verhandlungen scheinen zäh wie eh und je, was der Umweltminister gestern mit seiner bemerkenswerten somalischen Weisheit illustrierte.
O-Ton Norbert Röttgen: "Die somalische Weisheit besteht darin, dass man ein Kamel fordern soll, um am Ende eine Ziege zu bekommen. Und nun sind wir entschlossen, das Kamel zu fordern, aber wir müssen nun darüber reden, dass wir auch wirklich eine Ziege brauchen."
Banse: Also zunächst vielleicht zum Kamel: Damit wäre eben ein rechtlich verbindlicher Klimavertrag gemeint, der wirklich alle Länder zu Treibhausgasreduktionen zwingt, diese überprüfbar macht und die Verstöße auch mit Strafen belegt. Das Kyoto-Protokoll, das kommt diesem Ideal schon sehr nahe, regelt aber eben nur ein Drittel der weltweiten Emissionen, weil die USA und China sich zu nichts verpflichten lassen wollten. Zudem läuft dieses Kyoto-Protokoll – Sie sagten es – Ende kommenden Jahres aus und die große Frage ist jetzt: Was kommt dann? Und diese Frage, die wird wohl auch bei den Vorbereitungsgesprächen hier in Berlin nicht beantwortet werden. Umweltminister Norbert Röttgen stellt sich die Zeit nach Kyoto dann so vor:
O-Ton Norbert Röttgen: "Die Aufgabe, die nun vor uns liegt, besteht darin, diese Struktur des Kyoto-Protokolls schrittweise auch auf andere Länder auszudehnen, unter anderem Namen möglicherweise, in anderen Rechtsformen, aber es bedarf eben weltweit eines Systems, das CO2-Minderungsziele festlegt, das dafür Institutionen schafft und auch Regeln, an die sich alle halten."
Banse: Die entscheidenden Worte sind hier "anderer Name" und "andere Rechtsform". So wird dann eben aus dem Kamel eine Ziege. Einiges deutet darauf hin, dass in Durban, wenn es gut läuft, eine Art Kyoto light vorangetrieben werden wird, eine kleine progressive Gruppe um die Europäer vielleicht verpflichtet sich, auch über 2012 hinaus bindend zu massiven Treibhausgaseinsparungen, die Schwellenländer wie China und Indien setzen sich weiterhin nur freiwillige Ziele, müssen diese aber in nationale Gesetze gießen und dann, vielleicht so ab 2015/16, auch international bindend machen. Die USA bleiben in diesem Szenario auf Jahre außen vor und streben weiterhin nur ihre unverbindlichen freiwilligen Reduktionsziele an. Welchen Rechtsrahmen die Staaten nun auch finden, verbindlich, freiwillig, alle Länder dabei, oder nur ein paar, in jedem Fall müssen alle Länder mehr Treibhausgase einsparen, als bisher zugesagt, mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
O-Ton Angela Merkel: "Wir werden sicherlich noch keine abschließende Verständigung in Durban erreichen, aber ich hoffe doch, dass man ein Stück weiterkommen kann in einigen Fragen, und das könnte sein erstens bei konkreten Minderungszielen, alle Staaten müssen sich noch mehr engagieren, denn die Addition der abgegebenen Zielvorstellungen führt mit Sicherheit zu einer größeren Erwärmung als zwei Grad."
Banse: Maximal zwei Grad Erderwärmung, dieses Ziel haben sich die Staaten beim letzten Klimagipfel in Mexiko gesteckt, und nur dann könnte der Klimawandel beherrschbar bleiben, hatte die UNO errechnet. Ziel müsse daher sein, so die Kanzlerin, dass jeder Erdenbürger pro Jahr nicht mehr als zwei Tonnen CO2 oder Treibhausgas produziert. Zwei Tonnen das Ziel; ein Amerikaner produziert heute 20 Tonnen pro Jahr, ein Europäer immer noch zehn Tonnen. Greenpeace fordert daher, dass auch die EU noch draufsatteln müsse. Bisher will die EU bis 2020 20 Prozent Treibhausgase einsparen, die EU müsse aber auf 30 Prozent hochgehen, und zwar einseitig und ohne Bedingungen. Diese Forderung haben überraschenderweise auch Energieversorger unterschrieben wie Vattenfall und ENBW. Nur wenn die EU einseitig mehr Treibhausgas-Minderung zusage, gehe es voran, sagt der Leiter Klimapolitik von Greenpeace, Martin Kaiser.
O-Ton Martin Kaiser: "Ein weiterer Schritt ist, dass man dann Bedingungen stellt an China und Indien, in der nächsten Verpflichtungsperiode dann auch völkerrechtlich verbindlich eingebunden zu werden. Aber ohne ein diplomatisches Faustpfand werden sich diese Klimaverhandlungen nicht von der Stelle bewegen."
Banse: Und damit zurück nach Köln.
Kuhlmann: Kyoto light – heute geht der Petersberger Klimadialog zu Ende. Philipp Banse schilderte den Stand der Dinge. Danke schön nach Berlin.