"Ich finde auf Anhieb erstmal spannend, was für ein bescheidenes Haus das ist, in dem ein so großer Theologe gewohnt hat, das lässt auch Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu."
So beschreibt der neue Archivleiter Peter Zocher den ersten Eindruck von seinem künftigen Arbeits- und Wohnort: ein unscheinbares Reihenhaus im idyllischen Basler Vorort Bruderholz, in dem Karl Barth die letzten Jahre vor seinem Tod gewohnt und gearbeitet hat. Doch hinter den typisch-schweizerischen Fensterläden und der rustikalen Holztür verbirgt sich eine Schatzkammer der Theologiegeschichte: 14.000 Bücher, dazu geschätzte 100.000 Vortragsmanuskripte, von Barth geschriebene Briefe und andere Dokumente. Sie füllen das professionelle Archivsystem im klimatisierten Keller und zahllose Schränke und Vitrinen in allen Räumen. Allerdings hat der große Systematiker Karl Barth es den Archivaren ziemlich schwer gemacht, diesen Schatz zu erfassen, sagt der bisherige Leiter, Hans-Anton Drewes:
"Auf jeden Fall war er in diesen praktischen Dingen ein ganz unsystematischer Mensch, der die Dinge so aufgestellt hat und so geordnet hat, dass sie möglichst schnell greifbar waren, aber der keinen Ehrgeiz darein gesetzt hat, jetzt ganz strenge Abgrenzungen und ganz genaue Ordnungen in diesen Bereichen zu schaffen."
Nach 14 Jahren übergibt Hans-Anton Drewes die Leitung des Archivs an Peter Zocher. Der promovierte Theologe hat sich an der Uni Münster intensiv mit Barths Werk beschäftigt und fühlt sich gut vorbereitet:
"Ich hab einen kirchengeschichtlichen Zugang zu Barth gehabt ursprünglich, habe mich dann aber im Verlauf meiner Tätigkeit am Seminar für Reformierte Theologie bei Professor Beintker auch theologisch, also dogmatisch, sehr stark mit Karl Barth beschäftigt. An diesem Seminar haben wir auch schon einen Band der Gesamtausgabe bearbeitet oder sind dabei, ihn zu bearbeiten, sodass ich mich in die editorische Arbeit schon gut eingefunden hatte. Ein kleines Kriterium war vielleicht auch: Ich kann Karl Barths Handschrift lesen, das ist nicht so ganz leicht. "
Was sein Vorgänger uneingeschränkt bestätigt:
"Also seine Handschrift ist in vielen Stücken so schwer zu lesen, dass man manches nur lesen kann, wenn man weiß, was da steht."
Im Mittelpunkt der Arbeit des jeweiligen Archivleiters steht die Karl-Barth-Gesamtausgabe. 47 der geplanten 70 Bände sind fertig, jeder um die 500 Seiten stark. Pro Jahr soll auch unter Peter Zochers Leitung mindestens einer neu hinzukommen.
"Daneben wird es aber sicherlich auch darum gehen, die Kooperation in der Barth-Forschung, die unter Herrn Drewes schon weit geführt worden ist, zu pflegen, auf jeden Fall, vielleicht weiter auszubauen und so der Barth-Forschung insgesamt eine Basis zu geben mit den Archivunterlagen, die da sind, wofür sich dieser Ort natürlich anbietet."
Etwa 60 bis 70 Wissenschaftler kommen pro Jahr ins Barth-Archiv nach Basel, um für ihre Studien an diesem historischen Ort zu recherchieren. Sie lassen sich inspirieren von den Bildern, die schon Barth an den Wänden sah, sitzen in seinem original erhaltenen Studierzimmer, lesen die Bücher, die auch er durchgearbeitet hat.
Doch es geht nicht nur um den Blick zurück. Karl Barth war einer der wichtigsten Vertreter der sogenannten Dialektischen Theologie, die auch als "Theologie der Krise" bezeichnet wurde. Sie entstand nach dem 1. Weltkrieg unter dem Eindruck, dass die meisten Geistlichen sich damals nicht genug gegen den Krieg aufgelehnt hatten. Deshalb sind Barths Werke in der heutigen, von Wirtschafts-, Finanz- und Umweltkrisen geprägten Zeit aktueller denn je, findet der künftige Archivleiter Peter Zocher.
"Weil Karl Barth aufgrund dieser Krisenerfahrung die vorschnelle Orientierung an weltlichen, politischen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten infrage gestellt hat, versucht hat, die Theologie auf ihr Wesentliches zu reduzieren, also auf die Botschaft, die sie zu verkünden hat, und davor gewarnt hat, sich zu schnell den Gegebenheiten anzupassen, um eben auch nicht in Abhängigkeit von diesen Gegebenheiten zu geraten."
Ein besonderes Zeugnis dieser Einstellung ist die maßgeblich von Karl Barth verfasste Barmer Theologische Erklärung von 1934. Der handschriftliche Entwurf, der dann nahezu unverändert übernommen wurde, liegt ebenfalls im Archiv in Basel. In diesem Dokument erkannte die Bekennende Kirche allein Jesus Christus als Herrscher an und sprach den Nationalsozialisten jegliche Autorität ab. Peter Zocher freut sich, dass die neue Nordkirche, zu der sich Ende Mai die Nordelbische, die Mecklenburgische und die Pommersche Landeskirche zusammenschließen, diesen Text in der Präambel ihrer Verfassung aufgenommen hat.
"Dass und wie es geschehen ist, ist sicherlich eine sehr positive Sache. Auch der Zusammenhang, der hergestellt wird, also die Verbindung zu den alten Bekenntnisschriften und den Bekenntnisschriften der Reformation, die textliche Verbindung, die da mit der Barmer Theologischen Erklärung hergestellt wird, das ist sicherlich gelungen - und insofern ist es schon ein schöner Schritt, wenn eine große lutherische Kirche nach 75 Jahren der Barmer Theologischen Erklärung diesen Rang zuerkennt."
So beschreibt der neue Archivleiter Peter Zocher den ersten Eindruck von seinem künftigen Arbeits- und Wohnort: ein unscheinbares Reihenhaus im idyllischen Basler Vorort Bruderholz, in dem Karl Barth die letzten Jahre vor seinem Tod gewohnt und gearbeitet hat. Doch hinter den typisch-schweizerischen Fensterläden und der rustikalen Holztür verbirgt sich eine Schatzkammer der Theologiegeschichte: 14.000 Bücher, dazu geschätzte 100.000 Vortragsmanuskripte, von Barth geschriebene Briefe und andere Dokumente. Sie füllen das professionelle Archivsystem im klimatisierten Keller und zahllose Schränke und Vitrinen in allen Räumen. Allerdings hat der große Systematiker Karl Barth es den Archivaren ziemlich schwer gemacht, diesen Schatz zu erfassen, sagt der bisherige Leiter, Hans-Anton Drewes:
"Auf jeden Fall war er in diesen praktischen Dingen ein ganz unsystematischer Mensch, der die Dinge so aufgestellt hat und so geordnet hat, dass sie möglichst schnell greifbar waren, aber der keinen Ehrgeiz darein gesetzt hat, jetzt ganz strenge Abgrenzungen und ganz genaue Ordnungen in diesen Bereichen zu schaffen."
Nach 14 Jahren übergibt Hans-Anton Drewes die Leitung des Archivs an Peter Zocher. Der promovierte Theologe hat sich an der Uni Münster intensiv mit Barths Werk beschäftigt und fühlt sich gut vorbereitet:
"Ich hab einen kirchengeschichtlichen Zugang zu Barth gehabt ursprünglich, habe mich dann aber im Verlauf meiner Tätigkeit am Seminar für Reformierte Theologie bei Professor Beintker auch theologisch, also dogmatisch, sehr stark mit Karl Barth beschäftigt. An diesem Seminar haben wir auch schon einen Band der Gesamtausgabe bearbeitet oder sind dabei, ihn zu bearbeiten, sodass ich mich in die editorische Arbeit schon gut eingefunden hatte. Ein kleines Kriterium war vielleicht auch: Ich kann Karl Barths Handschrift lesen, das ist nicht so ganz leicht. "
Was sein Vorgänger uneingeschränkt bestätigt:
"Also seine Handschrift ist in vielen Stücken so schwer zu lesen, dass man manches nur lesen kann, wenn man weiß, was da steht."
Im Mittelpunkt der Arbeit des jeweiligen Archivleiters steht die Karl-Barth-Gesamtausgabe. 47 der geplanten 70 Bände sind fertig, jeder um die 500 Seiten stark. Pro Jahr soll auch unter Peter Zochers Leitung mindestens einer neu hinzukommen.
"Daneben wird es aber sicherlich auch darum gehen, die Kooperation in der Barth-Forschung, die unter Herrn Drewes schon weit geführt worden ist, zu pflegen, auf jeden Fall, vielleicht weiter auszubauen und so der Barth-Forschung insgesamt eine Basis zu geben mit den Archivunterlagen, die da sind, wofür sich dieser Ort natürlich anbietet."
Etwa 60 bis 70 Wissenschaftler kommen pro Jahr ins Barth-Archiv nach Basel, um für ihre Studien an diesem historischen Ort zu recherchieren. Sie lassen sich inspirieren von den Bildern, die schon Barth an den Wänden sah, sitzen in seinem original erhaltenen Studierzimmer, lesen die Bücher, die auch er durchgearbeitet hat.
Doch es geht nicht nur um den Blick zurück. Karl Barth war einer der wichtigsten Vertreter der sogenannten Dialektischen Theologie, die auch als "Theologie der Krise" bezeichnet wurde. Sie entstand nach dem 1. Weltkrieg unter dem Eindruck, dass die meisten Geistlichen sich damals nicht genug gegen den Krieg aufgelehnt hatten. Deshalb sind Barths Werke in der heutigen, von Wirtschafts-, Finanz- und Umweltkrisen geprägten Zeit aktueller denn je, findet der künftige Archivleiter Peter Zocher.
"Weil Karl Barth aufgrund dieser Krisenerfahrung die vorschnelle Orientierung an weltlichen, politischen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten infrage gestellt hat, versucht hat, die Theologie auf ihr Wesentliches zu reduzieren, also auf die Botschaft, die sie zu verkünden hat, und davor gewarnt hat, sich zu schnell den Gegebenheiten anzupassen, um eben auch nicht in Abhängigkeit von diesen Gegebenheiten zu geraten."
Ein besonderes Zeugnis dieser Einstellung ist die maßgeblich von Karl Barth verfasste Barmer Theologische Erklärung von 1934. Der handschriftliche Entwurf, der dann nahezu unverändert übernommen wurde, liegt ebenfalls im Archiv in Basel. In diesem Dokument erkannte die Bekennende Kirche allein Jesus Christus als Herrscher an und sprach den Nationalsozialisten jegliche Autorität ab. Peter Zocher freut sich, dass die neue Nordkirche, zu der sich Ende Mai die Nordelbische, die Mecklenburgische und die Pommersche Landeskirche zusammenschließen, diesen Text in der Präambel ihrer Verfassung aufgenommen hat.
"Dass und wie es geschehen ist, ist sicherlich eine sehr positive Sache. Auch der Zusammenhang, der hergestellt wird, also die Verbindung zu den alten Bekenntnisschriften und den Bekenntnisschriften der Reformation, die textliche Verbindung, die da mit der Barmer Theologischen Erklärung hergestellt wird, das ist sicherlich gelungen - und insofern ist es schon ein schöner Schritt, wenn eine große lutherische Kirche nach 75 Jahren der Barmer Theologischen Erklärung diesen Rang zuerkennt."