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Ein Klumpen Eisen aus dem Nichts

Chemie.- Forscher entwickeln immer effizientere Solarmodule und suchen stets nach neuen Möglichkeiten, um Sonnenenergie zu speichern. Ein US-Chemiker nutzt die Ergebnisse aus diesen Bemühungen jetzt, um industrielle Prozesse sauberer zu machen: So hat er eine CO2-neutrale Möglichkeit gefunden, aus Eisenerz Eisen zu produzieren - mithilfe von Sonnenenergie.

Von Jan Lublinski |
    Der Chemiker Stuart Licht von der US-amerikanischen George Washington Universität ist ein eigenwilliger Tüftler-Typ. Sein Labor liegt in Ashburn, weit außerhalb von Washington DC an einer Landstraße. Dort sucht er mit einer kleinen Gruppe von Studenten nach neuen Wegen, wie man Sonnenenergie für industrielle, chemische Verfahren nutzen kann.

    "Wir sind mit unseren Experimenten in der Lage, mit Sonnenlicht Chemikalien zu erzeugen, mit denen man die Energie speichern kann – aber auch andere Materialien, die unsere Gesellschaft braucht. Wir versuchen dabei einen neuen Weg aufzuzeigen, der möglichst ohne Kohlendioxid auskommt."

    In letzter Zeit hat Stuart Licht sich intensiv mit der Herstellung von Eisen befasst. Einem Prozess, der sich seit über 3000 Jahren nicht grundlegend geändert hat - und der einen großen Anteil zum Klimawandel beiträgt: 25 Prozent der industriellen CO2-Produktion stammt aus der Eisenherstellung. Das Metall wird als Eisenerz gefördert und muss dann verhüttet werden, das heißt: aus dem Eisenoxid-Erz wird das reine Eisenmetall herausgeschmolzen. Dazu verbrennen die Eisenhütten Koks – und produzieren große Mengen CO2.

    Zu diesem herkömmlichen Verfahren der Eisenherstellung hat Stuart Licht jetzt eine Alternative anzubieten.

    "Das ist für uns eine sehr, sehr aufregende Entwicklung. Viele unserer Kollegen haben das für unmöglich gehalten: Wir haben einen elektrochemischen Weg gefunden, wie wir das Eisen sauber heraustrennen können. Wir bringen das Eisenerz zunächst in eine spezielle Schmelze, dann legen wir eine elektrische Spannung an und produzieren Eisen und Sauerstoff. Eine sehr saubere und effiziente Methode, die nur wenig Energie benötigt. Wir können große Mengen Eisen mit relativ kleinen Elektroden produzieren."

    Stuart Licht nennt sein Verfahren STEP, solarthermischer, elektrochemischer Photoprozess. Als Energiequelle nutzt er Sonnenlicht und spaltet es in zwei Komponenten auf: Zum einen das infrarote Licht, Wärmestrahlung, mit der er sein Experiment aufheizt und die Schmelze erzeugt. Bei einer Temperatur oberhalb von 800 Grad Celsius läuft die Eisenherstellung besonders effizient ab.

    Den sichtbaren Anteil des Lichts fokussiert er mit speziellen Linsen, um die Eisenmoleküle aus dem Erz herauszutrennen. Insgesamt ein eindrucksvoller Laborversuch: Allein mit Sonnenlicht und raffinierter Elektrochemie gelingt es Stuart Licht, aus einer Schmelze einen Klumpen Eisen wachsen zu lassen.

    Doch wie kann es gelingen, dieses Experiment in eine industrielle Anwendung zu überführen? Stuart Licht hat darauf nur eine Teilantwort.

    "Ich bin Wissenschaftler und kann nur sagen: die nötigen Komponenten, um diesen Aufbau deutlich zu vergrößern, sind vorhanden. Die Sonnenkollektoren und auch die Verfahren der chemischen Elektrolyse sind etabliert. Wir machen ja in gewisser Weise das Gegenteil von Brennstoffzellen: Wir stecken Energie in den Prozess hinein und holen chemische Stoffe heraus. Also ich denke die Technologie ist eigentlich da – und ich bin optimistisch, dass sie sich auf großen Skalen umsetzen lassen wird. "

    An der Entwicklung der industriellen Technologie will sich Stuart Licht nicht beteiligen. Er tüftelt lieber an anderen Verfahren, die mit seinem STEP-Prozess möglich werden. Etwa die effiziente Herstellung von Wasser aus Wasserstoff, die klimafreundliche Produktion von Bleichmitteln oder die Herstellung von künstlichem Diesel oder neuen Treibstoffen für Flugzeuge. Statt eine Firma zu gründen und den Versuch zu unternehmen, Wirtschaftsvertreter von seinen Ideen zu überzeugen, bleibt Licht lieber in seinem Labor an der Landstraße, weit außerhalb von Washington DC.