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Ein Kuckuck unter Pinguinen

Am 23. Juni war es wieder so weit: nicht nur einen, sondern gleich drei Tage lang trafen sich Entwickler und Anhänger des freien Betriebsystems zum in Karlsruhe. Zu feiern gab es dabei sogar ein kleines Jubiläum, war es doch das zehnte Treffen dieser Art. Mit von der Partie war diesmal auch ein Unternehmen, das eingefleischte Linux-Enthusiasten eigentlich als Erzrivalen betrachten: Microsoft.

    Überleben heißt die Devise auf dem kurzlebigen IT-Markt, und darüber scheint sich auch Microsoft seine Gedanken zu machen, wenn auch sehr frühzeitig. Denn nur allzu lange unterschätzte der Redmonder Branchenprimus die Open-Source-Szene und ihre frei zugänglichen Programme. Doch die vermeintlichen Garagenbastler betreiben längst selbst florierende Geschäfte und finanzkräftige Konzerne wie IBM und SAP halten sich dabei mit erheblicher Unterstützung mit im Spiel. Um den Anschluss nicht zu verlieren, scheint Microsoft jetzt den Konfrontationskurs zur freien Windowsalternative langsam aufzugeben. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist aber, dass die US-Firma Einblick in bislang eifersüchtig gehütete Windows-Geheimnisse gibt und etablierte Standards einhält. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt der Druck der Anwender, die nicht länger bereit sind, ungeprüften herstellereigenen Vorgaben zu vertrauen. Vor allem Hightech-Unternehmen dürften sich angesichts fortbestehender Gerüchte um Windows-Hintertüren für den US-Geheimdienst National Security Agency NSA - auch zuständig für Technologiespionage - so ihre Gedanken gemacht haben.

    Um dem grassierenden Schwund an Vertrauen seiner Kunden entgegen zu treten, sucht Microsoft jetzt die Annäherung zur Open-Source- und Linux-Bewegung. Nachdem bereits im vergangenen Jahr ein Microsoft-Emissär an Podiumsdiskussionen des LinuxTags teilgenommen hatte, beteiligte sich das Unternehmen in diesem Jahr sogar mit einem eigenen Stand an der Schau. Die Schar der Linux-Fans nahm den Auftritt gelassen auf und konstatierte selbstbewusst, der Windows-Hersteller zeige damit Lernfähigkeit. Konziliant gab sich denn auch Alfons Stärk von Microsoft Deutschland: "Der Markt hat gelernt, vielleicht initiiert durch Open Source, dass Standards sehr wichtig sind. Dabei geht die Entwicklung hin zu offenen Standards. Wir haben bereits mit Windows 2000 konsequent damit angefangen, auf offene Standards zu setzen, und damit einen Weg geschaffen, dass Systeme besser zusammen arbeiten können." Die neue Strategie scheint zu fruchten und auf der Basis des technisch orientierten Austausches weichen die verhärteten Fronten allmählich auf.

    Dass aber Windows zukünftig möglicherweise komplett als Open Source verfügbar sein könnte, bezweifeln dennoch viele Teilnehmer des Karlsruher Treffens. Dennoch sind Teile von Microsofts Betriebssystemen unter bestimmten Bedingungen sehr wohl einsehbar, betont Stärk: "C Sharp, die Sprache von Dot-Net, die wir entwickelt haben, ist zum Beispiel freigegeben. Das besitzt Microsoft gar nicht mehr. Auch die Common Language Runtime ist in ihrer Spezifikation freigegeben und kann von anderen Anbietern implementiert werden." So führten Drittanbieter bereits Gespräche mit Microsoft, um die Programmierumgebung in ihren Anwendungen umzusetzen. Dies werten Beobachter als deutliche Trendwende bei Microsoft, denn noch vor Jahresfrist hatte Microsoft-Deutschland-Geschäftsführer Jürgen Gallmann für seine Open-Source-Ideen aus Redmond heftigen Druck geerntet. Doch gerade unter dem Eindruck zunehmender Etablierung von Linux beispielsweise bei Behörden - so hat die Stadt München etwa den Wechsel zu Linux eingeleitet - zeigt sich jetzt offenbar auch die Microsoft-Führung kompromissbereiter.

    [Quelle: Peter Welchering]