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Ein Kuckucksei zum Geburtstag?

In diesem Sommer feiert die Bundeskunsthalle ihren 20. Geburtstag. Doch zum Jubiläum herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Denn die aktuelle Ausstellung steht sowohl wegen ihres Kurators als auch wegen des Eigentümers der Bilder in der Kritik.

Von Stefan Koldehoff | 21.06.2012
    Nie haben die riesigen Formate von Sam Francis, David Hockney oder Gerhard Richter so grandios wirken können wie in den hohen hellen Räumen der Bundeskunsthalle. Zwar scheint die Außenfassade eher abweisend. Drinnen aber eröffnen sich Räume, die für die kleine Kabinettausstellung ebenso geeignet sind wie für den großen Wurf, der einer vom Staat unterhaltenen Bundeskunsthalle würdig ist. Diesen großen Wurf aber hat es – mit Ausnahme einer Thomas Schütte-Retrospektive 2010 - schon lange nicht mehr gegeben. Stattdessen: eine aus Berlin ins Programm gezwungene Tut-anch-Amun-Ausstellung, für die das Mubarak-Regime Geld von der Bundesregierung kassierte. Eine Modigliani-Ausstellung mit mindestens einem halben Dutzend Fälschungen. Eine Liebermann-Werkschau ohne These und roten Faden, bei der die maßgeblichen Werke fehlten und durch Bilder aus dem Kunsthandel ersetzt wurden. Und ansonsten: viel Kulturgeschichte von den Thrakern über Mongolen und Sizilianer bis nach Pakistan, Byzanz und Afghanistan. Dazu: Sammlungspräsentationen aus anderen Museen. Kunst aus Bonner Schulen, der jährliche Bundeswettbewerb "Studenten stellen aus" und "Romy Schneider in der Fotografie". Bedeutende eigene Kunstausstellungen? Fehlanzeige.

    Und jetzt das: Nicht einmal zum 20-jährigen Jubiläum fällt dem amtierenden Direktor – der in Bonn Intendant heißt – etwas Eigenes ein. Stattdessen zeigt er einmal mehr den in den vergangenen Jahren ausführlich gezeigten Anselm Kiefer. Die Werke der Ausstellung, die heute Abend eröffnet wird, stammen ausnahmslos von einem Sammler, mit dem Bonn schon einmal zweifelhafte Erfahrungen gemacht hat: Der Unternehmer Hans Grothe hatte zahlreichen Künstlern zugesagt, ihre Werke würden an ein Museum gehen, und dafür erhebliche Preisnachlässe erhalten. Tatsächlich zog er 45 Werke aus dem Kunstmuseum Bonn wieder ab und verkaufte sie. Mit den nun gegenüber gezeigten Kiefer-Bildern soll das angeblich mindestens 30 Jahre lang nicht geschehen. Offenbar glaubt man Grothe in Bonn einmal mehr.

    Faktischer Kurator der Kiefer-Ausstellung ist Grothes Adlatus Walter Smerling. Auch in kennt man in Bonn. Mit einem Verein, der sich Stiftung nennt, veranstaltete er 1999 im Kunstmuseum die hybride Millenniums-Ausstellung "Zeitenwenden". Sie endete mit einem Minus von fast zwei Millionen Mark, für das das Kunstmuseum seinen Ankaufsetat opfern und sogar ein Baselitz-Gemälde verkaufen musste.

    Kunstmuseums-Direktor Stephan Berg hat entsprechend laut gegen den kuratorischen Offenbarungseid von Robert Fleck protestiert, zum 20-Jährigen nun ausgerechnet Smerling ausgerechnet Raum für eine Ausstellung aus Grothe-Beständen zu geben. Es sei dem Ruf und der Integrität der Bundeskunsthalle abträglich, exklusiv mit nur einem Sammler zusammenzuarbeiten, zumal bei Grothe "Partikularinteressen” bestünden. Deshalb habe er im Programmbeirat der Bundeskunsthalle "mit vielen Argumenten versucht, Fleck von dem Kiefer-Projekt abzubringen”.
    Der allerdings kann sich daran offenbar nicht mehr erinnern und behauptet in einem Interview, niemand habe Vorbehalte gegen die Ausstellung gehabt.

    In Berlin, so ist gleichzeitig zu hören, strecke bereits der Gropiusbau die Finger nach dem Etat der Bundeskunsthalle aus. Walter Smerling hat auch dort mehrfach inhaltlich dünne Ausstellungen kuratiert. Wehren kann sich Bonn gegen mögliche Kürzungen nur, wenn dort sehr bald wieder bedeutende Ausstellungen stattfinden – interessenfrei.