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Ein Land - zwei Welten:

Wir sind gut gerüstet für die Zukunft. Bayern hat eine ausgesprochen gute Performance, gute und große wirtschaftliche Dynamik und eine gesellschaftliche Stabilität. Es gibt kein Land in Deutschland, das größere wirtschaftliche Aktivitäten entwickelt für wirtschaftliches Wachstum, für Arbeitsplätze, für die innere Sicherheit und damit für die Verbesserung der Lebensverhältnisse seiner Bürger.

Nikolaus Nützel und Arne Wilsdorff |
    Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber redet gerne über die wirtschaftlichen Erfolge in seinem Bundesland. Die statistischen Daten können sich sehen lassen: Im Durchschnitt des vergangenen Jahres lag die Arbeitslosenquote in Bayern bei 5,3 Prozent - und damit bei rund einem Viertel der Werte, die Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern erreichen. Auch im Vergleich mit vielen westdeutschen Bundesländern schneidet Bayern gut ab. Der Arbeitsamtsbezirk Freising im Norden von München weist seit Jahren sogar immer wieder Erwerbslosenquoten von weniger als 3 Prozent auf; unter Statistikern gilt das gemeinhin als Vollbeschäftigung. Arbeitslosigkeit ist also kein ernsthaftes Problem in Bayern - so stellt es zumindest die Staatsregierung dar. Doch nicht alle mögen dem zustimmen:

    Zu uns kommen alle möglichen Leute, also es ist von der Altersstruktur ganz unterschiedlich, es kommen junge Leute, es kommen Akademiker, die die Ausbildung abgeschlossen haben und dann einfach arbeitslos sind, es kommen ältere Leute, die jetzt z.B. 20, 30 Jahre in einem Betrieb gearbeitet haben, der dann dicht gemacht worden ist, die da von Jugend an gearbeitet haben. Und dann einfach mal gucken müssen, was gibt es da für Perspektiven. Es ist ganz bunt gemischt wie die Bevölkerung im Prinzip.

    Marion Hofmann ist Beraterin bei einer kirchlichen Arbeitslosen-Initiative in Bayreuth. Für sie und ihre Kollegen sind Menschen ohne Job nichts Exotisches. Denn die Erwerbslosenquote lag in ihrem Arbeitsamtsbezirk im vergangenen Jahr bei knapp 8 Prozent, also doppelt so hoch wie in München und rund dreimal so hoch wie in Freising. Noch schlechter steht der benachbarte Bezirk Hof da - im Winter schnellte die Arbeitslosenquote hier auf fast 12 Prozent hoch.

    Die Regionen um Bayreuth und Hof, Bamberg und Coburg bilden den Teil Bayerns, wo Arbeitslosigkeit kein Fremdwort ist: Oberfranken.

    Die oberfränkische Bluesband "Waldschrat" greift selbstironisch auf, was sie am Nordosten des Bundeslandes Bayern für typisch hält: Zwischen den Höhenzügen der Fränkischen Schweiz und des Fichtelgebirges herrscht ein rauhes Klima - von sechs Monaten Winter sprechen viele Einheimische. Es ist eine nur dünn besiedelte Gegend. Und vor allem gibt es nicht genügend Arbeitsplätze. Wer einmal arbeitslos ist, bleibt es oft auch, berichtet die Beraterin Marion Hofmann:

    Wenn er jetzt schon Mitte 40 ist, dann ist es oft nicht mehr möglich, dass das Arbeitsamt eine Umschulung bezahlt, weil die sagen, der ist zu alt, das machen wir jetzt nicht mehr. Und so jemand, der hat dann ein echtes Problem, weil er ist eigentlich darauf angewiesen, einen einfacheren Job, ohne jetzt eine bestimmte große Qualifikation zu kriegen, und die sind natürlich nicht zu finden, weil die sind abgebaut.

    Fast ein Viertel der Erwerbslosen in Oberfranken ist schon länger als ein Jahr ohne Job. Im Bezirk Oberbayern trifft viel weniger Arbeitslose dieses Schicksal. Und auch wenn man die Wirtschaftsdaten vergleicht, schneidet der Norden des Freistaats in fast jeder Hinsicht schlechter ab als der Süden. Ein Grund dafür liegt in den Augen von Peter Belina von der oberfränkischen Industrie- und Handelskammer im Erbe der vergangenen Jahrhunderte:

    Oberfranken hat heute noch die dritthöchste Industriedichte Europas. Das heißt also, der Anteil der Industriebeschäftigten ist deutlich höher als anderswo. Das heißt natürlich, dass wir im Rahmen des Strukturwandels besonders betroffen sind. Und gerade eine Region wie jetzt hier der Raum Selb, Arzberg, wo die Porzellanindustrie viele Entlassungen vornehmen musste, ist da besonders betroffen. Und das Problem ist halt: Es entstehen zwar neue Arbeitsplätze. Aber um es überspitzt zu formulieren: Sie können nicht einfach aus einem Porzellan-Arbeiter einen Call-Center-Agent machen, das ist nur in Ausnahmefällen möglich.

    Die dritthöchste Industriedichte Europas? Wenn man durch die Wälder des Fichtelgebirges und die saftig grünen Täler des roten und des weißen Mains fährt, möchte man das kaum glauben. Es sind vor allem kleinere, unauffällige Industriebetriebe, die Oberfranken prägen: Porzellanfabriken wie Arzberg oder Rosenthal, Möbelhersteller, Spielzeugindustrie. Doch was in der dünn besiedelten Region früher für Wohlstand sorgte, ist heute zum Problem geworden. Es gehört zum Wesen aller Industriebetriebe, dass sie ihre Produktion rationalisieren und damit Arbeitsplätze abbauen, stellt Paul Bisping fest, Arbeitsmarktexperte beim Landesarbeitsamt Bayern:

    Und hier erlebt man jetzt als zusätzliche Belastung in Oberfranken, dass ein Großteil dieser Produktion im Laufe der Öffnung der innerdeutschen Grenze, und der Öffnung nach Osteuropa, dass Betriebsstätten, Produktionsstätten verlagert wurden. Und nun kommt in Oberfranken noch ein dritter Faktor hinzu, dass seit der Öffnung der innerdeutschen Grenze und der größeren Durchlässigkeit zu den osteuropäischen Ländern wir auch noch einen Zustrom von in der Regel beachtlich qualifizierten Mitarbeitern, Fachkräften haben. So dass also die verbleibenden Arbeitsplätze in der Region dann auch noch häufig besetzt werden von Personen, die woanders gewohnt haben, oder sogar noch woanders wohnen, und täglich oder wöchentlich hier reinpendeln.

    Firmen verlagern ihre Produktion in die neuen Länder, Neuansiedlungen gehen nach Sachsen und Thüringen statt nach Oberfranken. Besonders hart treffe es die Bauwirtschaft, stellt Paul Schmid fest. Er ist Sekretär bei der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt in Bayreuth. 50 Pleiten in der oberfränkischen Baubranche im vergangenen Jahr hat er gezählt - und er wundert sich keineswegs darüber:

    Die heimischen Baufirmen sind im Verdrängungswettbewerb mit denen aus den neuen Ländern, aus Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, die zu Lohn-Dumpingpreisen hier anbieten, Es wird auf die Preisspirale gesetzt und immer nach unten gesetzt. Wir haben neulich eine Baustelle ausfindig gemacht, wo Beschäftigte aus den neuen Ländern gearbeitet haben für 12 Mark - bei einem Mindestlohn von 19,17 Mark im Westen.

    Mit den Billiglöhnen der Baufirmen aus den Nachbarländern Sachsen und Thüringen könne die einheimische Baubranche nicht mithalten - außerdem werde das gesamte Lohnniveau gedrückt, klagt auch Gewerkschafter Schmidt. Die Zahlen scheinen ihm Recht zu geben: Ende der Neunziger Jahre hat das Statistische Landesamt errechnet, dass die Jahreseinkommen in Oberfranken rund ein Fünftel unter denen in Südbayern liegen. Dazu fällt Gewerkschafter Schmid nur ein Kommentar ein:

    Das Oberfranken ist jetzt zum Armenhaus von Bayern geworden. Leider, leider. Und was wir brauchen sind Investitionen des Freistaates, um das wieder auf die Beine zu bringen. Schaut man das Oberfränkische an, und die Arbeitslosenzahlen in Oberfranken: Wenn keine Firmen da sind, und wenn keine Firmenansiedlungen passieren, kann auch der beste Mensch kein Geld hier mehr verdienen, das ist das Schlimme an der ganzen Geschichte.

    Das Gefälle zwischen Südbayern und dem Norden des Freistaates sei aber keinesfalls ein unabwendbares Schicksal, meint der Landrat von Hof, Bernd Hering. Er ist einer der wenigen SPD-Politiker, die einem bayerischen Landkreis vorstehen, und glaubt, dass für die Probleme Nordbayerns auch die Staatsregierung verantwortlich ist. Vom Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber fühlt er sich schlecht vertreten:

    Es geht nicht an, dass man sich hinstellt, und sagt: Wir in Bayern wir sind ein High-Tech-Land, wir haben die wenigsten Arbeitslosen, bei uns boomt es und bei uns ist die Situation ganz anders. Das muss geändert werden. Ich kann nicht alles immer nur positiv hinstellen, und das was schlecht ist in eine Ecke drücken. Schauen Sie: Stoiber möchte ja Bundeskanzler werden. Er sagt, Aufbau Ost ist für ihn die wichtigste Aufgabe. Er hat es ja nicht einmal geschafft, in Bayern einigermaßen gleiche Verhältnisse zu schaffen. Wie will er es dann mit den neuen Bundesländern machen?

    Gleiche Verhältnisse für Oberfranken und Südbayern. Vor allem wenn diese Forderung aus dem Mund von SPD-Politikern kommt, hat Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu dafür wenig Verständnis. Die regional unterschiedlichen Arbeitslosenquoten sind in den Augen des CSU-Politikers geradezu ein Beweis dafür, dass die bayerische Wirtschaftspolitik erfolgreich ist:

    Also ich kann es auch so sagen: Wenn alle gleich schlecht san, dann ist der Abstand, der regionale, gleich Null. Dann ist es einfach, das ist anscheinend Politik in SPD-regierten Ländern. Wenn sie sagen, es haben alle 10 Prozent Arbeitslosigkeit oder zwölfe, dann haben sie keine regionalen Unterschiede. Wenn das der Hauptwert ist einer Wirtschaftspolitik, dann sind die hervorragend. Da kommen die daher und mosern an diesen Dingen rum. Die sollen das mal in einem Land zusammenbringen, wie bei uns in die Situation in Oberfranken ist, da wären viele froh, wenn sie die Situation hätten, wie wir sie in Nordbayern haben.

    Nordbayern stehe besser da als weite Teile von Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen, erklärt Wiesheu. Doch die Arbeitslosenquoten in Hof, Marktredwitz oder Wunsiedel liegen inzwischen regelmäßig über dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer - eine Steilvorlage für den Landesvorsitzenden der SPD, Wolfgang Hoderlein:

    Ja, das ist genau diese Killerphrasenpolitik, die wir seit Jahren erleben. Natürlich hat Bayern relativ gute Landesschnittwerte, die zweitbesten nach Baden-Württemberg. Aber die Frage ist doch, aus welchen Extremen setzt sich dieser Wert zusammen. Wenn sie im selben Monat in einer Region 2,8 und in der anderen 11,6 haben, dann ist das eine Spreizung die Sie in dieser Form in westlichen Bundesländern nirgendwo finden. Und diese Spreizung ist das spezielle Problem Bayerns, sie hat zugenommen seit 1993, seit Stoiber Verantwortung trägt. Und drittens, ein Teil davon hat sich früh angekündigt, aber es ist diesen Frühindikatoren nicht gefolgt worden in der Politik, jedenfalls nicht mit den Maßnahmen die man durch Politik machen kann.

    So hätte die Staatsregierung zum Beispiel schon in den letzten Jahren außeruniversitäre Forschungseinrichtungen auch nördlich der Linie Regensburg - Erlangen ansiedeln müssen, meint Hoderlein. Und dass ausgerechnet die wirtschaftlich schwächsten Bezirke Oberfranken, Niederbayern und Oberpfalz leer ausgingen, als 12 technologieorientierte Gründerzentren eingerichtet wurden, hält der SPD-Politiker für unentschuldbar. Auch Wirtschaftsminister Wiesheu räumt ein, dass Unterschiede zwischen dem Süden Bayerns und dem Norden gebe. Doch in seinen Augen sind sie schlicht unvermeidbar:

    In Südbayern haben wir mit München und der gesamten Region einen strukturstarken Standort, einen der stärksten Standorte weltweit. Damit liegt die Messlatte höher als sonstwo. Und damit ist die Messlatte auch für den innerbayerischen Vergleich höher.

    Der Großraum München setzt in der Tat Maßstäbe. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner liegt im Landkreis München gut 90 Prozent über dem bayerischen Durchschnitt. In vielerlei Hinsicht sei München eben besonders, meint Peter Kammerer. Er ist bei der dortigen Industrie- und Handelskammer für die Konjunkturentwicklung zuständig:

    Das Geheimnis von München, oder dem Wirtschaftsraum München, ist sicherlich seine sehr diversifizierte Wirtschaftsstruktur. Wir haben in der Region vom Klein- und Mittelständlern bis zum großen Weltkonzern eigentlich alle Betriebsgrößen. Man hat vor allen Dingen in der Region einen großen Anteil von Wachstumsbranchen, im Bereich von High-Tech, IT, Medien, Biotechnologie auf der einen Seite aber auch einen hohen Anteil von Industriebranchen, die sehr wachstums- und innovationsfreudig sind, wie die Automobilindustrie oder die Elektrotechnik, Maschinenbau. Und der ganze Wirtschaftsraum basiert auf einem sehr qualifizierten Arbeitsmarkt, der wiederum versorgt wird mit qualifizierten Kräften durch eine gute Hochschullandschaft mit vielen Universitäten wie die LMU oder die TU, die in ihren Bereichen oder im Technikbereich führend in Deutschland und der Welt sind.

    Doch wer meint, man könne das Erfolgsrezept Münchens auf die anderen Teile Bayerns übertragen, der denkt in die falsche Richtung, glaubt der Konjunkturexperte von der IHK München und Oberbayern. Denn die Faktoren, die zum Erfolg Münchens geführt hätten, gebe es eben nur dort:

    Wenn ein großes Unternehmen, ein großes High-Tech-Unternehmen einen Standort wählt, dann ist nicht die Alternative München oder Oberfranken, sondern die Alternative bei den Standortanfragen, die wir bekommen ist dann immer München oder Mailand oder Paris. Das ist die Konkurrenz Münchens. Das heißt, es ist natürlich nicht möglich, Firmenansiedlungen beliebig in Regionen Bayerns zu lenken.

    Firmenansiedlungen beliebig zu lenken, sei nicht möglich; das räumt auch Bayerns Wirtschaftsminister Otto Wiesheu ein. Aber die Staatsregierung tue, was sie könne, beteuert er:

    64 Prozent aller Fördermittel aus Bund, Land und EU fließen in den ländlichen Bereich. Und gerade in Nordbayern wird erheblich mehr eingesetzt, als es dem Bevölkerungsanteil entspricht. All die Punkte weisen eindeutig nach, dass die Mehrheit der Mittel in den nordbayerischen Raum gehen und in die Grenzlandgebiete gehen. Auch bei der High-Tech-Offensive, bei der Infrastrukturförderung, bei der Technologieförderung, wo immer gesagt worden ist, da läuft nichts - das selbe. Und deswegen ist dieses alte Klagelied sachlich in keiner Weise gerechtfertigt.

    Das alte Klagelied von der Benachteiligung Oberfrankens stimmt der Hofer Landrat Bernd Hering dennoch weiterhin an. Er weiß, dass viel Geld in seine Region fließt. Aber weil bisher beispielsweise kaum eine Firma aus dem High-Tech-Bereich ihren Standort in Oberfranken hat, gibt es kaum Mittel für diese Branche, stellt er fest:

    Eines ist klar: Dass die Technologie- und High-Tech-Förderung in München wesentlich höher ist, ich glaube, dass wir bei uns nur 5 bis 7 Prozent dessen bekommen, was München bekommt. Man muss sich überlegen, dass im Großraum München wöchentlich 550 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Wenn wir das im Jahr bei uns hätten, dann wären wir froh und glücklich.

    Für Oberfranken mit seiner Arbeitslosenquote, die doppelt bis dreimal so hoch ist wie in Südbayern, wird es wohl kaum möglich sein, das Erfolgsrezept des Großraums München zu kopieren. Dennoch will der Hofer Landrat alles daran setzen, aus eigener Kraft den Aufschwung anzukurbeln. Dazu sei aber eines nötig, meint er: Die Oberfranken dürften sich nicht immer nur als die Verlierer in Bayern sehen. Doch die Zukunft sehen viele Einheimische mit gemischten Gefühlen - vor allem wenn sie nach Osten schauen.

    Joachim Hunger, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Oberfranken, kann eigentlich kein Tschechisch. Aber wenn er gemeinsam mit Kollegen aus Tschechien in Marktredwitz vor die Presse tritt - beispielsweise bei der Vorstellung einer Studie -, dann bemüht er sich zumindest im Grußwort um die Sprache der Gäste. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer aus dem tschechischen Sokolov sei nicht nur symbolisch, betont der Konjunkturfachmann der oberfränkischen IHK, Peter Belina. Er will die heimische Wirtschaft gut vorbereitet sehen, wenn die Grenze nach Tschechien im Jahr 2004 weiter geöffnet wird:

    Oberfranken liegt an der Nahtstelle zwischen der jetzigen EU und den Beitrittskandidaten. Vieles wird natürlich in den großen Zentren gemacht, an Kooperationen, an Verträgen. Aber man besinnt sich darauf, dass man hier vor Ort sitzt, dass man die Kompetenz hat. Und dass man ganz gezielt diese EU-Erweiterung als Chance sieht, nicht nur als Risiko.

    Eine Umfrage der oberfränkischen und der westböhmischen Industrieverbände zeigt allerdings, dass nur knapp ein Drittel der Firmen auf der deutschen Seite einen Bedarf sehen, sich intensiv auf die Osterweiterung der Europäischen Union vorzubereiten. Auf der tschechischen Seite der Grenze ist die Zahl der Firmen, die Vorbereitungen treffen, doppelt so hoch. Die oberfränkische Wirtschaft sei in Gefahr, von der Entwicklung überrollt zu werden - und Chancen zu verpassen, meint deshalb Paul Bisping vom Landesarbeitsamt Bayern:

    Wenn das zu schnell, zu unkontrolliert geschieht, wenn die Betriebsstrukturen, die Produktionsstrukturen nicht mit Schritt hält, dann muss es - muss es! - einfach zu einer höheren Arbeitslosigkeit kommen. Weil ja auch dieses Lohngefälle eine große Rolle spielt. Wenn aber die oberfränkische Wirtschaft in der Zeit, die ihr noch bleibt, ihre Produktpalette und Produktionsweisen weiterentwickelt, dass dort interessante und marktgängige Produkte entstehen, die man in diese neu sich entwickelnden Märkte verkaufen kann, dann muss überhaupt langfristig nicht zu einem Problem werden, sondern besteht in der Öffnung nach Osten die große Chance für den Raum. Das heißt also: Die Nähe eines potenten Wirtschaftsraumes muss - nach einer Übergangszeit zumindest - nicht eine Bedrohung sein, sondern eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Der Weg dahin wird steinig.

    Bei vielen Einwohnern von Hof, Marktredwitz oder Wunsiedel löst der Blick in die Zukunft allerdings mehr Resignation als Hoffnung aus. Marion Hofmann von der Arbeitsloseninitiative in Bayreuth bringt auf den Punkt, was viele denken:

    Die Problematik Nord-Süd in Bayern, die ist altbekannt, es ist schon viel dazu gesagt worden. Und ich habe die Befürchtung: Wenn sich bis jetzt noch nichts geändert hat, und die Situation ist ja bekannt, mit der Nähe zu Tschechien, mit der Nähe zu den neuen Bundesländern - wird es bestenfalls so bleiben wie es ist. Oder es wird noch schlechter.