Kurz nach Sonnenaufgang am Strand von Mansourie. Dutzende Rennkrabben flitzen über den Sand und verschwinden ganz schnell in ihren Löchern. Vor der Küste dümpeln drei kleine Fischerboote aus weißem Holz - sonst ist Ruhe an diesem einsamen, 1,4 Kilometer langen und etwa 5 Meter breiten Sandband.
Früh am Morgen inspizieren die 57-jährige Mona Khalil und die 48jährige Habiba Syed den Strand. Die in kurzen Hosen und weißem T-Shirt gekleideten Frauen suchen nach Spuren der gefährdeten unechten Karettschildkröten sowie der noch selteneren Suppenschildkröten. Beide Arten legen im Südlibanon zwischen Mai und August ihre Eier ab, rund zwei Monate später schlüpfen die Jungen.
Seit sechs Jahren betreuen Mona und Habiba ihr Schildkröten-Projekt, das von der "Mediterranean Association to save the sea turtles" unterstützt wird. Plötzlich zeigt Mona auf eine Vertiefung von rund einem Meter Durchmesser. Im Sand liegen Tischtennisball-große, zerbrochene weiße Eierschalen.
"Das ist ein Massaker. Dort war ein Nest von Suppenschildkröten, die Eier wurden während des Krieges, als wir nicht mehr hier waren, abgelegt, deshalb wussten wir nicht genau, wo sie waren und konnten nichts zu ihrem Schutz unternehmen."
Während des Krieges zwischen Hisbollah und Israel kämpften nicht nur die Schildkröten ums Überleben. Mona und Habiba, die beide während des libanesischen Bürgerkrieges das Land verlassen hatten, blieben 16 Tage lang unter den Bomben in ihrem Orange-House, einem alten Familienbesitz, bestehend aus einem zweistöckigen Haus und einem großen, blühenden Garten, nur 200 Meter vom Strand entfernt. Doch schließlich hatten sie Angst.
"Wir wollten nicht fliehen, aber als die Israelis das Nachbarhaus bombardierten, und auch nachts heftig gekämpft wurde, da beschlossen wir, dass es zu gefährlich war."
Sie flohen nach Beirut und konnten nur Monas grauen Papagei mitnehmen. Die beiden Hunde, Poupie und Sour, sowie Blacky, die schwarze Katze, blieben versorgt mit viel Futter und Wasser zurück. Glücklicherweise fanden alle wieder zueinander, als der Krieg nach fünf Wochen vorbei war. Das Haus stand noch, doch zwei Zimmer wurden von israelischen Raketen beschädigt. Nach dem fröhlichen Wiedersehen kümmerten sich die beiden Frauen mit Freude wieder um die Meeresschildkröten. Sobald sie ein Nest ausgemacht haben, suchen sie vorsichtig nach den Eiern.
"Wenn wir die Eier gefunden haben, schieben wir den Sand ein wenig beiseite und legen einen ein Quadratmeter großen Maschendraht drüber, befestigen ihn, und schieben den Sand wieder drüber. Die Maschen sind groß genug, dass die Jungtiere später durchkrabbeln können."
Der Maschendraht schützt die Schildkrötenbrut vor wilden Hunden oder Füchsen. Das ausgeraubte Nest der Suppenschildkröten war allerdings Füchsen zum Opfer gefallen, so Mona.
"Eines Morgens kamen wir und hofften, wir könnten die frisch geschlüpften Jungtiere auf ihrem kurzen, aber gefährlichen Weg ins Meer schützen, dann sahen wir den Schlammassel. Sie hatten das ganze Nest ausgegraben, sie hatten es gerochen, es riecht sehr stark, wenn die Babys geschlüpft sind."
Gewöhnlich sind die größten Feinde auf dem Weg zum Wasser am Strand von Mansourie die zahlreichen Rennkrabben.
"Und in diesem Jahr hatten wir die Füchse. Die sind normalerweise nicht hier, sie leben in den nahen Bergen. Sie kamen während des Krieges wegen der Bombenangriffe und des Raketenbeschusses an den Strand. Hier fanden sie eine Menge Futter, denn sie kamen in der Schlupfsaison der Meeresschildkröten."
Die unechte Karettschildkröte sowie die noch seltenere Suppenschildkröte stehen als vom Aussterben bedrohte Arten unter dem Schutz des Washingtoner Abkommens. Sie werden gejagt wegen ihres Fleisches und ihres Schildplatts. Außerdem wird ihr Lebensraum immer kleiner, da nur noch wenige unbebaute und touristisch nicht genutzte Strände existieren, wo sie in Ruhe ihre Eier ablegen können.
"In diesem Jahr hatten wir 79 Nester, neun der seltenen Suppenschildkröten und 70 der unechten Karettschildkröten. Trotz des Krieges haben ungefähr 5.000 Schildkrötenbabys erfolgreich das Meer erreicht."
Das klingt viel, ist es aber nicht, denn statistisch kommen davon vielleicht fünf Weibchen an den Strand von Mansourie zurück, um hier wieder Eier abzulegen. Denn dies ist eine der Besonderheiten der Meeresschildkröten: Geschlechtsreife Weibchen kehren immer an ihren eigenen Geburtsstrand zurück, um für Nachwuchs zu sorgen.
Südlich dieses friedlichen Strandes erkennt man die weißen Felsen von Naqoura, wo die UN-Friedenstruppe UNIFIL ihr Hauptquartier hat. Draußen auf dem Meer ist eines der Patrouilleboote zu sehen, die im Rahmen der UNO-Resoultion 1701 die libanesische Küste überwachen. UNIFIL versucht, die Lage im libanesisch-israelischen Grenzgebiet zu beruhigen. Die spanischen und italienischen Militärschiffe sorgten aber leider auch für neue Probleme, klagt Mona:
"Ich glaube nicht, dass die Schiffe den Meeresschildkröten etwas ausmachen werden. Aber sie bringen mehr und mehr Müll und Plastik ins Meer und an den Strand. Ich weiß nicht, warum sie alles ins Meer werfen. Und das ist erst der Anfang, Gott weiß, was später noch kommt."
Jeden Tag sammeln sie spanische und italienische Plastikverpackungen auf. Habiba schimpft, auch Teerklumpen seien neuerdings aufgetaucht.
"Allein an unserem Strand, der 1,4 Kilometer lang ist, finden wir täglich 30 bis 40 Mineralwasserflaschen, Shampoos, Conditioner und Orangensaftkartons. Wir hoffen, UNIFIL setzt dem ein Ende."
Die beiden hoffen auch, dass die deutsche Flotte, wenn sie die Führung der maritimen UNIFIL-Komponente am 15. Oktober übernimmt, mit dieser Praxis nicht fort fährt. Seitens des deutschen Marineeinsatzkommandos kommt Entwarnung. Oberstleutnant Daniel Auwermann, Sprecher im zypriotischen Limassol, der Basis des deutschen UNIFIL-Marineverbandes, versichert, auch auf hoher See gälten auf deutschen Marineschiffen deutsche Gesetze und man führe strikte Mülltrennung durch. Plastikflaschen würden beispielsweise gesammelt, gepresst und dann auf Zypern recycled.
Mona und Habiba wollen sich weiter für den Schutz der Meeresschildkröten und den Umweltschutz in Mansourie einsetzen. Sie finanzieren das zumindest teilweise durch die Vermietung von vier Zimmern an Pensionsgäste - zwei Drittel des Geldes investieren sie in ihr Schildkrötenprojekt. Darüber hinaus setzen sie sich dafür ein, dass der Strand von Mansourie zum Naturschutzgebiet erklärt wird. Ein schwieriger Kampf, so Mona:
"Es gibt eine Menge Leute, die davon träumen hier eines Tages Hochhäuser zu bauen, Hotels, vielleicht Clubs - wie überall an der libanesischen Küste. Aber so lange ich hier bin, werden sie das nicht schaffen."
Mona und Habiba ist nicht nach Aufgeben zumute, beide schütteln entschlossen den Kopf und lachen. Denn ihre Motivation ist mächtiger als alle Widerstände:
"Die Liebe zu den Tieren sowie zum Leben, und die Liebe der Kontinuität."
Sagt' s und hebt eine weitere Plastikflasche vom Strand auf: "Primavera, Aqua minerale naturale". Ein Gruß aus Spanien.
Früh am Morgen inspizieren die 57-jährige Mona Khalil und die 48jährige Habiba Syed den Strand. Die in kurzen Hosen und weißem T-Shirt gekleideten Frauen suchen nach Spuren der gefährdeten unechten Karettschildkröten sowie der noch selteneren Suppenschildkröten. Beide Arten legen im Südlibanon zwischen Mai und August ihre Eier ab, rund zwei Monate später schlüpfen die Jungen.
Seit sechs Jahren betreuen Mona und Habiba ihr Schildkröten-Projekt, das von der "Mediterranean Association to save the sea turtles" unterstützt wird. Plötzlich zeigt Mona auf eine Vertiefung von rund einem Meter Durchmesser. Im Sand liegen Tischtennisball-große, zerbrochene weiße Eierschalen.
"Das ist ein Massaker. Dort war ein Nest von Suppenschildkröten, die Eier wurden während des Krieges, als wir nicht mehr hier waren, abgelegt, deshalb wussten wir nicht genau, wo sie waren und konnten nichts zu ihrem Schutz unternehmen."
Während des Krieges zwischen Hisbollah und Israel kämpften nicht nur die Schildkröten ums Überleben. Mona und Habiba, die beide während des libanesischen Bürgerkrieges das Land verlassen hatten, blieben 16 Tage lang unter den Bomben in ihrem Orange-House, einem alten Familienbesitz, bestehend aus einem zweistöckigen Haus und einem großen, blühenden Garten, nur 200 Meter vom Strand entfernt. Doch schließlich hatten sie Angst.
"Wir wollten nicht fliehen, aber als die Israelis das Nachbarhaus bombardierten, und auch nachts heftig gekämpft wurde, da beschlossen wir, dass es zu gefährlich war."
Sie flohen nach Beirut und konnten nur Monas grauen Papagei mitnehmen. Die beiden Hunde, Poupie und Sour, sowie Blacky, die schwarze Katze, blieben versorgt mit viel Futter und Wasser zurück. Glücklicherweise fanden alle wieder zueinander, als der Krieg nach fünf Wochen vorbei war. Das Haus stand noch, doch zwei Zimmer wurden von israelischen Raketen beschädigt. Nach dem fröhlichen Wiedersehen kümmerten sich die beiden Frauen mit Freude wieder um die Meeresschildkröten. Sobald sie ein Nest ausgemacht haben, suchen sie vorsichtig nach den Eiern.
"Wenn wir die Eier gefunden haben, schieben wir den Sand ein wenig beiseite und legen einen ein Quadratmeter großen Maschendraht drüber, befestigen ihn, und schieben den Sand wieder drüber. Die Maschen sind groß genug, dass die Jungtiere später durchkrabbeln können."
Der Maschendraht schützt die Schildkrötenbrut vor wilden Hunden oder Füchsen. Das ausgeraubte Nest der Suppenschildkröten war allerdings Füchsen zum Opfer gefallen, so Mona.
"Eines Morgens kamen wir und hofften, wir könnten die frisch geschlüpften Jungtiere auf ihrem kurzen, aber gefährlichen Weg ins Meer schützen, dann sahen wir den Schlammassel. Sie hatten das ganze Nest ausgegraben, sie hatten es gerochen, es riecht sehr stark, wenn die Babys geschlüpft sind."
Gewöhnlich sind die größten Feinde auf dem Weg zum Wasser am Strand von Mansourie die zahlreichen Rennkrabben.
"Und in diesem Jahr hatten wir die Füchse. Die sind normalerweise nicht hier, sie leben in den nahen Bergen. Sie kamen während des Krieges wegen der Bombenangriffe und des Raketenbeschusses an den Strand. Hier fanden sie eine Menge Futter, denn sie kamen in der Schlupfsaison der Meeresschildkröten."
Die unechte Karettschildkröte sowie die noch seltenere Suppenschildkröte stehen als vom Aussterben bedrohte Arten unter dem Schutz des Washingtoner Abkommens. Sie werden gejagt wegen ihres Fleisches und ihres Schildplatts. Außerdem wird ihr Lebensraum immer kleiner, da nur noch wenige unbebaute und touristisch nicht genutzte Strände existieren, wo sie in Ruhe ihre Eier ablegen können.
"In diesem Jahr hatten wir 79 Nester, neun der seltenen Suppenschildkröten und 70 der unechten Karettschildkröten. Trotz des Krieges haben ungefähr 5.000 Schildkrötenbabys erfolgreich das Meer erreicht."
Das klingt viel, ist es aber nicht, denn statistisch kommen davon vielleicht fünf Weibchen an den Strand von Mansourie zurück, um hier wieder Eier abzulegen. Denn dies ist eine der Besonderheiten der Meeresschildkröten: Geschlechtsreife Weibchen kehren immer an ihren eigenen Geburtsstrand zurück, um für Nachwuchs zu sorgen.
Südlich dieses friedlichen Strandes erkennt man die weißen Felsen von Naqoura, wo die UN-Friedenstruppe UNIFIL ihr Hauptquartier hat. Draußen auf dem Meer ist eines der Patrouilleboote zu sehen, die im Rahmen der UNO-Resoultion 1701 die libanesische Küste überwachen. UNIFIL versucht, die Lage im libanesisch-israelischen Grenzgebiet zu beruhigen. Die spanischen und italienischen Militärschiffe sorgten aber leider auch für neue Probleme, klagt Mona:
"Ich glaube nicht, dass die Schiffe den Meeresschildkröten etwas ausmachen werden. Aber sie bringen mehr und mehr Müll und Plastik ins Meer und an den Strand. Ich weiß nicht, warum sie alles ins Meer werfen. Und das ist erst der Anfang, Gott weiß, was später noch kommt."
Jeden Tag sammeln sie spanische und italienische Plastikverpackungen auf. Habiba schimpft, auch Teerklumpen seien neuerdings aufgetaucht.
"Allein an unserem Strand, der 1,4 Kilometer lang ist, finden wir täglich 30 bis 40 Mineralwasserflaschen, Shampoos, Conditioner und Orangensaftkartons. Wir hoffen, UNIFIL setzt dem ein Ende."
Die beiden hoffen auch, dass die deutsche Flotte, wenn sie die Führung der maritimen UNIFIL-Komponente am 15. Oktober übernimmt, mit dieser Praxis nicht fort fährt. Seitens des deutschen Marineeinsatzkommandos kommt Entwarnung. Oberstleutnant Daniel Auwermann, Sprecher im zypriotischen Limassol, der Basis des deutschen UNIFIL-Marineverbandes, versichert, auch auf hoher See gälten auf deutschen Marineschiffen deutsche Gesetze und man führe strikte Mülltrennung durch. Plastikflaschen würden beispielsweise gesammelt, gepresst und dann auf Zypern recycled.
Mona und Habiba wollen sich weiter für den Schutz der Meeresschildkröten und den Umweltschutz in Mansourie einsetzen. Sie finanzieren das zumindest teilweise durch die Vermietung von vier Zimmern an Pensionsgäste - zwei Drittel des Geldes investieren sie in ihr Schildkrötenprojekt. Darüber hinaus setzen sie sich dafür ein, dass der Strand von Mansourie zum Naturschutzgebiet erklärt wird. Ein schwieriger Kampf, so Mona:
"Es gibt eine Menge Leute, die davon träumen hier eines Tages Hochhäuser zu bauen, Hotels, vielleicht Clubs - wie überall an der libanesischen Küste. Aber so lange ich hier bin, werden sie das nicht schaffen."
Mona und Habiba ist nicht nach Aufgeben zumute, beide schütteln entschlossen den Kopf und lachen. Denn ihre Motivation ist mächtiger als alle Widerstände:
"Die Liebe zu den Tieren sowie zum Leben, und die Liebe der Kontinuität."
Sagt' s und hebt eine weitere Plastikflasche vom Strand auf: "Primavera, Aqua minerale naturale". Ein Gruß aus Spanien.