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Ein Leben lang Pleite?

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Thomas Gesterkamp |
    Bankangestellten wie Verbraucherschützern fällt auf, dass die von Überschuldung Betroffenen immer jünger werden. "Kaufe jetzt - zahle später": Das ist nicht nur ein Werbespruch von Autohändlern oder Versandhäusern, sondern auch die Lebensdevise vieler Jugendlicher und junger Erwachsener. Eine gerade veröffentlichte Studie der "Schufa" stellt fest, dass immer mehr Bankkunden im Alter von 20 bis 24 Jahren in die Schuldenfalle geraten.

    Die Zahl der "Vertragsstörungen" sei spürbar angestiegen, heißt es in der Untersuchung. Als Hauptursache hat die "Schufa" den sorglosen Umgang mit Mobiltelefonen ausgemacht: In den vergangenen vier Jahren hat sich in der genannten Altersgruppe die Zahl derjenigen verdreifacht, die ihre Handy- oder Internetrechnung auch nach mehreren Mahnungen nicht bezahlen konnten: 282 000 junge Erwachsene telefonierten auf Pump. Hinzu rechnet die "Schufa"-Statistik rund 95 000 Darlehensnehmer, die ihre Kredite bei Banken und Sparkassen nicht rechtzeitig beglichen. Als Schufa-Chef Rainer Neumann im vergangenen Monat in einer Grafik die Außenstände der Banken und der Telekomunternehmen verglich, da zeigte sich ein neuer Trend:

    "Da haben wir festgestellt und das ist sicher auch ein Ausdruck der Konjunktursituation und der entsprechenden Vorsicht bei der Investition, dass Negativmeldungen von Banken leicht oder stetig zurückgehen. Die Balken im Hintergrund bilden ab die Meldungen der Telekommunikationsbranche. Und dass die Handybranche sicherlich einen wesentlich Anteil an der Überschuldung junger Menschen hat, das drückt sich an diesem Punkt aus. Es wird sehr sorglos mit Handyrechnungen umgegangen. Was sich hier aber auch widerspiegelt ist das Anwachsen der Möglichkeiten mit dem Handy Geld auszugeben, die sind ja so vielfältig wie noch nie."

    Hier schnell eine SMS verschickt, da eben kurz vom Zug aus Bescheid gesagt, dann noch ausführlich mit der Freundin geplaudert, und das alles mehrmals täglich: Die dauernde Nutzung teurer Handyverbindungen verursacht Kosten, die erst sichtbar werden, wenn die Zahlungsaufforderung ins Haus flattert. Schuldnerberater bestätigen, dass in den Gesprächen mit jungen Hilfesuchenden fast immer Verbindlichkeiten bei Mobilfunk-Anbietern eine bedeutende Rolle spielen.

    "Handykultur und Markenhype" benennt auch das Institut für Grundlagen- und Programmforschung als wichtigste Ursache für die wachsende Verschuldung Jugendlicher. Mehr als jeder zweite Heranwachsende zwischen zwölf und neunzehn Jahren besitzt mittlerweile ein mobiles Telefon; zwei Drittel von ihnen geben in Umfragen an, dass ihnen elektronische Statussymbole wichtig sind.

    Noch 1989 war eine Untersuchung des gleichen Institutes zu dem Ergebnis gekommen, dass nur jeder zwanzigste Jugendliche in Westdeutschland finanzielle Schwierigkeiten hat. Mittlerweile liegt diese Zahl deutlich höher, wie aus dem letzten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hervorgeht. Jeder fünfte Jugendliche in den alten und jeder siebte in den neuen Ländern ist inzwischen verschuldet. Das tatsächliche Ausmaß des Problems sei sogar noch drastischer, vermutet der Politikwissenschaftler Michael Klundt, der an einem Forschungsprojekt der Universität Köln über die Armut von Kindern und Jugendlichen beteiligt war. Es gebe eine Dunkelziffer, weil vor dem Erreichen der vollen Geschäftsfähigkeit mit 18 Jahren formal die Eltern als Schuldner gelten.

    Michael Klundt: "Das Problem bei der Überschuldung ist, dass Kinder offiziell gar nicht überschuldet sein können. Eigentlich können nur die Eltern belangt werden. Allerdings lässt sich in der Forschung deutlich zeigen, dass 1999 zwanzig Prozent der Jugendlichen im Westen und vierzehn Prozent der Jugendlichen im Osten bereits Schulden hatten. Wie sich das darstellt, hat auch damit zu tun, dass es über informelle Strukturen geht, dass Kinder sich von anderen Kindern etwas leihen und das nicht zurückgeben. Offenbar haben wir es hier mit einer Grauzone zu tun. Das hängt auch davon ab, wie manche Handyverträge aussehen, wer dann tatsächlich haftet. Man stellt jedenfalls fest, dass es diese Überschuldung tatsächlich gibt."

    Michael Klundts gerade abgeschlossene Forschungstätigkeit am Kölner Institut für Politikwissenschaft vergleicht die Armut von Heranwachsenden in Ost- und Westdeutschland. In einem Verbund mit Fachhochschulen in Düsseldorf und Münster haben sich die Wissenschaftler dem Thema aus vielfältigen Blickwinkeln genähert. Sie untersuchten zum Beispiel die unterschiedlichen Lebenslagen von Familien in Großstädten und in ländlichen Regionen. Und sie haben das Phänomen Kinderarmut aus globaler Perspektive betrachtet, konfrontierten die deutschen Ergebnisse mit der Situation in den Entwicklungsländern.

    Armut von Kindern oder Verschuldung von Jugendlichen sind erst in jüngerer Zeit zu einem Forschungsfeld der Wissenschaft geworden. Im Gegensatz zu früher wird das Phänomen nicht mehr verdrängt oder geleugnet. Noch in den achtziger Jahren gab es so gut wie keine seriösen Daten zum Thema. Wenn in der Politik oder an den Universitäten überhaupt eine Diskussion über Armut stattfand, kreiste diese um die schwierige soziale Lage älterer Menschen. Und hier vor allem um die Armut alleinstehender Frauen, die wegen ihrer unregelmäßigen Erwerbsbiografien zu wenig in die Rentenversicherung eingezahlt hatten.

    Die Arbeiterwitwe, die auf Sozialhilfe angewiesen ist, gibt es natürlich immer noch. Doch der Kern des Problems liegt heute anderswo: Vier von zehn Sozialhilfeempfängern in Deutschland sind noch minderjährig. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die von staatlicher Unterstützung leben müssen, ist fünfmal höher als unter den mehr als 65-Jährigen. Anders ausgedrückt: Jeder 16. Heranwachsende bezieht Sozialhilfe, aber nur jeder 72. ältere Mensch. Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaft und einer der Initatoren des Kölner Forschungsprojektes, fasst die Ergebnisse des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung so zusammen:

    Butterwegge: "Man spricht in der Armutsforschung von einer Infantilisierung der Armut. Zugrunde liegt die Entwicklung, dass Menschen, die arm sind, sehr junge Menschen sind - wohingegen die Altersarmut bei Rentnerinnen und Rentnern in den letzten Jahren und Jahrzehnten zurückgegangen ist. Heute sind Kinder und Jugendliche eigentlich die Hauptbetroffenengruppe im Bezug auf Armut. Wenn man sich die Zahlen anguckt, dann stellt man fest, dass in einer so reichen Gesellschaft wie der Bundesrepublik sehr viele Kinder als arm zu bezeichnen sind. Ungefähr 1,1 Millionen Kinder leben in Sozialhilfe-Haushalten, circa 2,8 Millionen Kinder sind arm, wenn man einen erweiterten Armutsbegriff zugrunde legt, wie das die Armutsforschung tut."

    Dieser erweiterter Armutsbegriff stützt sich auf eine Definition der Europäischen Union: Danach gelten Personen oder Familien als bedürftig, die weniger als fünfzig Prozent des gesellschaftlichen Durchschnittsverdienstes zur Verfügung haben. Die EU-Diktion spricht in diesem Zusammenhang meist von "sozialer Ausgrenzung" - weil der Begriff Armut im weltweiten Maßstab betrachtet eher problematisch ist. Ernst-Ulrich Huster, Rektor der Evangelischen Fachhochschule in Bochum, hat die europäischen Förderprogramme zur Bekämpfung von Armut lange wissenschaftlich begleitet.

    Huster: "Armut wie übrigens auch Reichtum sind relative Begriffe. Armut in der Sahel-Zone ist was anderes als in der Bundesrepublik Deutschland, und Armut bei den schlesischen Webern im 19. Jahrhundert ist ebenfalls was anderes als heute. Fakt ist, dass wir nach wie vor einen Bevölkerungsanteil haben, der ohne fremde, sprich staatliche Hilfe keinen Lebensunterhalt erwerben kann, der ihnen einen Leben gestattet, dass nach Definition des Bundessozialhilfegesetzes der Würde des Menschen entsprechen soll."

    Was also heißt in Deutschland Kinderarmut? Kann ein Teenager, der sich kein eigenes Handy leisten kann, schon als sozial ausgegrenzt gelten? Eine Expertise, die das Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik ISS vorgelegt hat, spricht ähnlich wie der Sozialforscher Huster von "relativer Armut". In fast 3000 Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt, kurz Awo, untersuchten die ISS-Wissenschaftler die Situation von Kindern, deren Eltern weniger als die Hälfte des Durchschnitteinkommens verdienen. Ilsa Diller-Murschall, Geschäftsbereichsleiterin Fachpolitik beim Awo-Bundesverband in Bonn, beschreibt ein typisches Beispiel aus der Praxis:

    Diller-Murschall:
    "Die Kinder und Jugendlichen müssen in ihren altersgleichen Gruppen mithalten können. Sie können nicht in ihrem Klassenaufsatz ‘Mein schönstes Ferienerlebnis’ schreiben, dass sie bei der letzten Stadtranderholung dabei gewesen sind und vielleicht im Wildgehege ein paar Hirsche gesehen haben, während der überwiegende Teil der Klasse nach Spanien, Italien oder nach Dänemark in die Ferien fährt."

    Neben der materiellen Versorgung berücksichtigt die Awo-Studie auch den Gesundheitszustand, die kognitive Entwicklung und die sozialen Kompetenzen. Mehr als jeder dritte Heranwachsende, so fanden die ISS-Forscher heraus, ist in mehreren dieser Bereiche stark eingeschränkt. Bei ihren besser gestellten Altersgenossen hatte nur jeder Siebte ähnliche Schwierigkeiten. Armutsforscher Butterwegge:

    Butterwegge:
    "Wir haben in gewisser Weise eine Polarisierung: Wir haben immer mehr arme, und wir haben immer mehr reiche Kinder. Viele Kinder werden heute schon gleich nach der Geburt mit einem riesigen Wertpapierdepot ausgestattet, weil sich das steuerlich anbietet für wohlhabende Eltern, steuerliche Freibeträge in Anspruch zu nehmen - so dass man diese Wertpapiere, Aktien und anderes, auf Kinder übertragt."

    Die unterschiedliche materielle Ausgangssituation ist eine wichtige, indes nicht die einzige Facette von sozialer Ausgrenzung. Denn welche Schuhe Kinder tragen, ob Eltern die Klassenfahrt bezahlen können oder ob die Familie sich einen Urlaub leistet: Das alles sind zwar Symtome, sie kratzen aber nur an der Oberfläche. Wie auch die PISA-Studie gezeigt hat, geht es vor allem um künftige Bildungschancen. Kinder aus sozial schwachen Familien zeigen schon bei den Schuleingangstests deutliche Rückstände gegenüber Gleichaltrigen. Die Differenzen werden erst recht deutlich am Ende der Grundschulzeit - wenn der Übergang in die weiterführende Schule und damit die Entscheidung über das künftige Qualifikationsniveau ansteht. Die Untersuchung der Kölner Politikwissenschaftler zur "sich verjüngenden Armut" - so beschreiben sie das Phänomen - setzt deshalb schon in dieser Entwicklungsphase an. Projektmitarbeiter Michael Klundt:

    Klundt:
    "Wir haben Kinder befragt in Erfurt und Köln. Wir haben uns auf verschiedene Stadtteile, besonders auf Grundschulen konzentriert. Und zwar auf die ViertklässlerInnen, weil sich gerade in dieser Phase dioe Bildungswegentscheidung stellt. Und wir ansatzweise sehen konnten, wie werden sich die Kinder entwickeln, welche beruflichen Chancen stehen ihnen offen."

    Der besondere Forschungsansatz des Verbundprojektes lag darin, von der Perspektive der Kinder und Jugendlichen selbst auszugehen - bei ihnen direkt nachzuforschen, wie sie ihre benachteiligte Lebenslage erleben.

    Klundt:
    "Wir haben die Kinder nicht direkt gefragt: Bist du arm? Wie gehst du mit deiner Armut um? Wir haben die Kinder zu allen möglichen Bereichen ihres Lebens befragt, zu Spielzeug, zu Freizeit, zu Sport, zu schulischen Erfahrungen, Bildung, Wohnen, wie sie leben. Man konnte feststellen, dass zum Beispiel im Bereich Wohnen eine Unterversorgung vorhanden war. Was nicht unbedingt bedeuten muss, dass die Kinder sich unwohl fühlten. Das kann man erklären aus der Lebenslagenforschung, dass der Normalisierungsfaktor groß ist, dass es für die Kinder erstmal selbstverständlich ist, wie sie leben."

    Zur Armut gehört die falsche Selbsteinschätzung - das "Zufriedenheitsparadoxon", wie es die Sozialwissenschaftler nennen. Weil sich Kinder mit neun, zehn Jahren noch nicht explizit einer sozialen Schicht zuordnen, sind Befragungen mit ihnen eine besondere wissenschaftliche Herausforderung. Denn Probleme wie Armut und Arbeitslosigkeit der Eltern, berichtet Michael Klundt, bleiben in vielen Familien unausgesprochen - selbst wenn sie offensichtlich sind.

    Klundt:
    "Es gibt eine gewisse Schamgrenze beim Thema Armut und beim Thema Arbeitslosigkeit. Das führt dazu, dass Eltern ihren Kindern so viel wie möglich zu geben versuchen bei der Frage Markenkleidung, Taschengeld. Es handelt sich eher um Kompensation als um eine wirkliche Förderung. Kinder, die Handys besitzen, wirken erstmal recht privilegiert. Wenn wir nachgefragt haben, hörten wir: In der Familie selbst gibt es allerdings kein Telefon! Das Kind hat ein Handy, die Familie selbst hat kein Telefon. Ärmere Kinder haben häufig sogar ein höheres Taschengeld. Sie müssen Sachen finanzieren, an die andere Kinder überhaupt nicht denken müssen: Das fängt an bei den Schulsachen, geht weiter über Kleidung und hört auch nicht beim Essen auf."

    Gerade die Kinder und Jugendlichen aus den sozial schwächeren Milieus, das bestätigen alle Untersuchungen, sind besonders fixiert auf materielle Statussysmbole und Markenware. Häufig beobachten die Heranwachsenden am Beispiel ihrer Eltern, dass sich diese auf der Basis von Ratenzahlung oder mit Hilfe von Krediten bestimmte Traumprodukte der Konsumgesellschaft leisten können. Wenn Papa sein teures Auto auf Pump fährt, warum sollte sein Sohn auf die Höhe der Handygebühren achten?

    So betrachtet geht es nicht nur um tatsächlich vorhandene Bedürftigkeit, sondern auch um das, was die Wissenschaftler als "vererbte Armut" bezeichnen: Kinder und Jugendlich werden sozusagen mit den Schulden groß, erzogen zum Konsumieren über ihre Verhältnisse. Die Grundlage für so manche Sozialhilfekarriere werde schon in der Jugend gelegt, warnt die Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung der Verbände angesichts des jüngsten Armutsberichts.

    Eine Studie der Universität Oldenburg kommt zu dem Ergebnis, dass nur noch 24 Prozent von 1000 Jugendlichen bereit waren, auf etwas zu verzichten, weil sie das Geld dafür nicht hatten. Zwei Drittel der Befragten gaben an, sie würden sich die fehlende Summe einfach leihen. Das Konsumverhalten der Eltern und der Gesellschaft allgemein, resümieren die Forscher, führe die Jugendlichen auf eine falsche Fährte: Ihnen werde vorgegaukelt, Konsum auf Pump sei möglich und ohne großes Risiko. Im Vergleich dazu, glaubt Armutsforscher Klundt, seien Heranwachsende aus Mittelschichtsfamilien weniger gefährdet.

    Klundt:
    "Es ist für diese Kinder viel selbstverständlicher. Sie haben das erstmal nicht nötig. Von zu Hause her ist eine gewisse Förderung da in den verschiedendsten Bereichen, vielleicht auch ein gewisses Konsumentenbewusstsein, wie Markenfirmen, wie Werbung funktioniert und dass man sich nicht alles einreden lassen soll. Dass man kein defizitärer Mensch ist, wenn man nicht dieses oder jenes besitzt. Es kann sein, dass es bei diesen Kindern nicht so einen starken Drang dazu gibt."

    Schätzungen der Beratungsstellen gehen von insgesamt mindestens 12 000 überschuldeten Jugendlichen unter 20 Jahren in Deutschland aus. Aus Erhebungen ergibt sich weiter, dass 360 000 junge Leute im Alter von 18 oder 19 Jahren mindestens einmal im Jahr einen Konsumentenkredit aufnehmen. 21- bis 25-Jährige stehen nach einer Studie des Münchner Instituts für Jugendforschung mit durchschnittlich 3200 Euro in der Kreide - für den Kauf von Autos, Möbeln oder eben für die Handy-Nutzung.

    Wissenschaftler finden solche Zahlen wenig erstaunlich. Schließlich sind schon kleine Kinder mit aggressiver Werbung und Markenkult konfrontiert. Gerade in den unteren Schichten machen die Eltern vor, dass man scheinbar auch auf Ratenbasis gut leben kann. In der von der Werbung immer wieder vermittelten Vorstellung, sich finanziell alles erlauben zu können, sieht die Familienforscherin Claudia Pinl eine der zentralen Ursachen des Problems.

    Pinl:
    "Nun mag der Vater noch so viele Überstunden kloppen, das reicht halt hinten und vorne nicht, vor allem, wenn man sich die heutige Bedürfnisebene anguckt: Kinder wollen die neuesten Markenartikel; Eltern sind unzufrieden, wenn sie sich nicht dieses und jenes leisten können."

    Schuldenmachen schon in jungen Jahren kann gravierende Folgen haben. Wer früh massiv in die roten Zahlen gerät, ist zum Beispiel wenig motiviert, eine Erwerbsarbeit anzunehmen - weil der Lohn ohnehin weggepfändet wird. Manche Unternehmen holen vor der Stellenvergabe bei der "Schufa" Erkundigungen darüber ein, ob der Bewerber irgendwo in der Kreide steht. Und die Banken, die manchem Betroffenen unnötig das Leben schwer machen, indem sie die Einrichtung eines Kontos verweigern, werden umgekehrt ihrer Verantwortung nicht immer gerecht: etwa wenn sie jungen Leuten einen riskanten und teuren Kredit andrehen, der diese endgültig in die Überschuldungsfalle treibt.

    Damit sich die Spirale nicht immer weiter dreht, versuchen die Schuldnerberater, in den Schulen Aufkärungsarbeit zu leisten. Im Sinne der Prävention fordern sie, das Thema "Konsum auf Pump" in den Lehrplänen zu verankern. Vor allem Haupt- und Berufsschülern fehlt es offenbar an lebenspraktischem Wissen. Häufig haben sie keine Vorstellung davon, was angesichts ihres meist niedrigen Einstiegslohns demnächst an Kosten für Miete, Lebensmittel oder Transport auf sie zukommt. Die Berater sehen das Problem aber nicht nur bei den jungen Erwachsenen selbst, sondern auch bei deren Angehörigen. Immer mehr Eltern, so ihre Beobachtung, geben einfach ein schlechtes Vorbild ab.

    Die Konsumgesellschaft lockt schließlich schon seit Jahrzehnten, die Verschuldung junger Menschen aber hat gerade in jüngster Zeit drastisch zugenommen. Jene Generation, die noch von ihren negativen Erfahrungen in Kriegs- und Inflationszeiten geprägt war und beim Stichwort Schuldenmachen innerlich zusammenzuckte, ist inzwischen längst im Großelternalter.

    Abgelöst wurden sie von den Kindern des Wirtschaftswunders, die in dem Bewusstsein aufwuchsen, dass jeder auf seine Art zu Wohlstand kommen könne. So ist den Enkeln, moralisch ausgedrückt, das Gefühl verloren gegangen, dass Geld vor dem Ausgeben erstmal verdient werden muss. Das Ergebnis heißt dann: "vererbte Armut".