Maxim und Matrjona Kanjew waren ihr Leben lang als Rentierzüchter mit der Herde unterwegs. Jetzt sind sie Rentner, weit über sechzig und muten sich die schwere Arbeit mit der Herde, zumindest in der allerschlimmsten Kälte, nicht mehr zu.
Wir treffen sie in ihrem Winterquartier an, einem kleinen Holzhäuschen in dem Ort Rogowaja. Matrjona tischt sofort auf: Wodka, Rentierfleisch, auch Strogonina, in kleine Stücke geschnittener tief gefrorener Fisch, der als Delikatesse gilt.
Maxim und Matrjona sind seit 30 Jahren verheiratet. Eine gute Ehe, wie an den Blicken der beiden füreinander und der liebevollen Hilfe Maxims im Haushalt abzulesen ist. Haushalt ist eigentlich Frauensache, Matrjona kann sich darauf etwas zu gute halten.
"Uns ist es egal geworden, wie viel wir produzieren. Früher haben sie nach Menge und nach Qualität bezahlt, da haben sie Prämien ausgeschüttet oder wir wurden mit Rentieren belohnt."
Zwei Jahre haben die beiden schon keinen Lohn mehr bekommen, manchmal teilt die Kolchose ihnen ein paar Lebensmittel zu. Salz, Streichhölzer, alles, was sie nicht selbst herstellen können.
Der große, hagere Maxim ist Hirte, die blonde Matrjona führt die Wirtschaft im Tschum, dem Zelt der Rentierzüchter, mit dem sie den Tieren hinterher reisen. Jedes Jahr ab Mai zieht es die Rentiere immer weiter in den Norden zur Karasee. Mit ihren neugeborenen Kälbern legen sie die rund 700 Kilometer zurück, um der Wärme sowie den Bremsen und Mücken zu entfliehen. An der Küste angekommen, kehren sie wieder um. Im Dezember, nach acht Monaten, sind Matrjona und Maxim dann endlich wieder zu Hause. Die Zeit bis Mai, wenn die Herden nicht weit von den Siedlungen entfernt weiden, ist für die Rentierzüchter eine Rückkehr in die Zivilisation.
"Als die Kinder im Internat waren, brachte sie uns der Hubschrauber im Juni in die Tundra. Im August holte er sie wieder ab und dann versorgte er uns noch ein drittes Mal für den Rückweg. Aber in diesem und im vorigen Jahr ließ der Hubschrauber sich kein einziges Mal blicken. Wir bekamen keine Lebensmittel, hatten nur, was wir im April für die Fahrt eingekauft hatten."
Die Burane, die uns zu dem Nomadenzelt bringen sollen, kommen vorgefahren. 30 Kilometer vom Dorf entfernt steht das nächste Tschum. Das sind drei Stunden auf dem Schneemobil. Die Fahrer werfen die Motoren an, sie legen die ganze Strecke stehend zurück, während Passagiere auf rohen Rentierfellen flach in dem Schlittenanhänger liegen. Der Schlitten ist genau genommen nicht mehr als eine Kiste auf Holzkufen, und wer drin sitzt, wird bei jeder Bodenwelle hoch geschleudert.
Einer hat sich ein Gewehr über die Schulter gehängt, zum Schutz vor Bären und Wölfen in der Tundra. Offiziell besitzt er die Flinte nicht. Seit Moskaus Anti-Terrorkampf hat die Miliz die Waffen verboten und eingesammelt.
Nach drei Stunden Fahrt ist endlich das Ziel in Sicht, hinten am weiten Tundra-Horizont, wo Himmel und Schneelandschaft grau in grau ineinanderfließen. Aus einem runden Fellzelt, dem Tschum, kräuselt sich ein weißes dünnes Rauchfähnchen in den Himmel, wir sind da.
Soja, die Hausherrin des Tschum, kommt in Trainingshosen und dünnem Pullover aus dem Zelt gekrochen und bittet alle hinein. Als Frau im Tschum ist sie der gute Geist, oder profaner ausgedrückt, die von der Kolchose bezahlte Dienstmagd der Männer. Die Zelte werden nicht familienweise bewohnt, sondern von der jeweiligen Brigade. Sie sind damit genau genommen Arbeiterwohnheime.
"Was wir Frauen zu tun haben? Wir kochen, auch für die Hunde, hier das Futter ist gerade fertig. Wir heizen und waschen, wir nähen die Rentierfellsachen, also die Tobakki, die hohen Stiefel und die Pimy, die kleineren für die Frauen, die Malizas und auch die Felle für das Zelt. Wir bauen das Zelt auf und ab, wir holen in Säcken Schnee, mit dem wir kochen und waschen, wir bereiten die Betten, wenn sich jemand hinlegen möchte."
Das Leben im Zelt verhindert jede Privatsphäre. Alle Junggesellen müssen gemeinsam in einer Koje schlafen, die Paare haben ihren eigenen Fellsack, doch getrennt sind die Betten nur durch Baumwollvorhänge. Keiner findet das gut, aber alle haben sich daran gewöhnt.
Einzig das Radio und draußen die Schneemobile erinnern daran, dass wir uns nicht im 19. oder einem noch früheren Jahrhundert befinden. Die Rentierzüchter sind anspruchslos, besonders, wenn es um sie selbst geht. Doch Soja, die Mutter, will es nicht anders. Weggehen in die Stadt? Nie!
Wir treffen sie in ihrem Winterquartier an, einem kleinen Holzhäuschen in dem Ort Rogowaja. Matrjona tischt sofort auf: Wodka, Rentierfleisch, auch Strogonina, in kleine Stücke geschnittener tief gefrorener Fisch, der als Delikatesse gilt.
Maxim und Matrjona sind seit 30 Jahren verheiratet. Eine gute Ehe, wie an den Blicken der beiden füreinander und der liebevollen Hilfe Maxims im Haushalt abzulesen ist. Haushalt ist eigentlich Frauensache, Matrjona kann sich darauf etwas zu gute halten.
"Uns ist es egal geworden, wie viel wir produzieren. Früher haben sie nach Menge und nach Qualität bezahlt, da haben sie Prämien ausgeschüttet oder wir wurden mit Rentieren belohnt."
Zwei Jahre haben die beiden schon keinen Lohn mehr bekommen, manchmal teilt die Kolchose ihnen ein paar Lebensmittel zu. Salz, Streichhölzer, alles, was sie nicht selbst herstellen können.
Der große, hagere Maxim ist Hirte, die blonde Matrjona führt die Wirtschaft im Tschum, dem Zelt der Rentierzüchter, mit dem sie den Tieren hinterher reisen. Jedes Jahr ab Mai zieht es die Rentiere immer weiter in den Norden zur Karasee. Mit ihren neugeborenen Kälbern legen sie die rund 700 Kilometer zurück, um der Wärme sowie den Bremsen und Mücken zu entfliehen. An der Küste angekommen, kehren sie wieder um. Im Dezember, nach acht Monaten, sind Matrjona und Maxim dann endlich wieder zu Hause. Die Zeit bis Mai, wenn die Herden nicht weit von den Siedlungen entfernt weiden, ist für die Rentierzüchter eine Rückkehr in die Zivilisation.
"Als die Kinder im Internat waren, brachte sie uns der Hubschrauber im Juni in die Tundra. Im August holte er sie wieder ab und dann versorgte er uns noch ein drittes Mal für den Rückweg. Aber in diesem und im vorigen Jahr ließ der Hubschrauber sich kein einziges Mal blicken. Wir bekamen keine Lebensmittel, hatten nur, was wir im April für die Fahrt eingekauft hatten."
Die Burane, die uns zu dem Nomadenzelt bringen sollen, kommen vorgefahren. 30 Kilometer vom Dorf entfernt steht das nächste Tschum. Das sind drei Stunden auf dem Schneemobil. Die Fahrer werfen die Motoren an, sie legen die ganze Strecke stehend zurück, während Passagiere auf rohen Rentierfellen flach in dem Schlittenanhänger liegen. Der Schlitten ist genau genommen nicht mehr als eine Kiste auf Holzkufen, und wer drin sitzt, wird bei jeder Bodenwelle hoch geschleudert.
Einer hat sich ein Gewehr über die Schulter gehängt, zum Schutz vor Bären und Wölfen in der Tundra. Offiziell besitzt er die Flinte nicht. Seit Moskaus Anti-Terrorkampf hat die Miliz die Waffen verboten und eingesammelt.
Nach drei Stunden Fahrt ist endlich das Ziel in Sicht, hinten am weiten Tundra-Horizont, wo Himmel und Schneelandschaft grau in grau ineinanderfließen. Aus einem runden Fellzelt, dem Tschum, kräuselt sich ein weißes dünnes Rauchfähnchen in den Himmel, wir sind da.
Soja, die Hausherrin des Tschum, kommt in Trainingshosen und dünnem Pullover aus dem Zelt gekrochen und bittet alle hinein. Als Frau im Tschum ist sie der gute Geist, oder profaner ausgedrückt, die von der Kolchose bezahlte Dienstmagd der Männer. Die Zelte werden nicht familienweise bewohnt, sondern von der jeweiligen Brigade. Sie sind damit genau genommen Arbeiterwohnheime.
"Was wir Frauen zu tun haben? Wir kochen, auch für die Hunde, hier das Futter ist gerade fertig. Wir heizen und waschen, wir nähen die Rentierfellsachen, also die Tobakki, die hohen Stiefel und die Pimy, die kleineren für die Frauen, die Malizas und auch die Felle für das Zelt. Wir bauen das Zelt auf und ab, wir holen in Säcken Schnee, mit dem wir kochen und waschen, wir bereiten die Betten, wenn sich jemand hinlegen möchte."
Das Leben im Zelt verhindert jede Privatsphäre. Alle Junggesellen müssen gemeinsam in einer Koje schlafen, die Paare haben ihren eigenen Fellsack, doch getrennt sind die Betten nur durch Baumwollvorhänge. Keiner findet das gut, aber alle haben sich daran gewöhnt.
Einzig das Radio und draußen die Schneemobile erinnern daran, dass wir uns nicht im 19. oder einem noch früheren Jahrhundert befinden. Die Rentierzüchter sind anspruchslos, besonders, wenn es um sie selbst geht. Doch Soja, die Mutter, will es nicht anders. Weggehen in die Stadt? Nie!