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Ein lohnender Blick unter heimischen Boden

Überall in Deutschland erkunden Geologen inzwischen den Boden nach Rohstoffressourcen. Denn letztendlich ist es eine Frage des Preises: Je höher der Weltmarktpreis, desto lohnender ein Blick unter die heimische Erde. Lukrativ können selbst die kleinsten Vorkommen sein.

Von Johanna Kutsche | 20.05.2011
    Es ist ein Feld, wie es in Deutschland Abertausende gibt. Platt, mit ein paar Bäumchen an den Rändern und, je nach Jahreszeit, entweder braun oder grün. Das Feld liegt bei Storkwitz, einem kleinen Dorf bei Leipzig. Vierhundert Meter tief unter der Erde findet sich Deutschlands einziges Vorkommen Seltener Erden. Diese Metalle - Lanthan, Cer und Promethium etwa - sind auf dem Weltmarkt heiß umkämpft, denn sie sind für die Produktion von Hybridmotoren, Energiesparlampen und LED-Fernsehern unerlässlich. 17 Metalle sind es, die immer zusammen im Gestein lagern. Und das zu so winzigen Anteilen, dass sich der Abbau oftmals nicht lohnt. Zurück bleibt meist ein radioaktiver Rest und verunreinigtes Grundwasser. Die westlichen Industrieländer haben sich daher gerne aus dem schmutzigen Abbaugeschäft zurückgezogen und China das Feld überlassen. Zu 97 Prozent werden die Metalle aus der Volksrepublik importiert. Als die chinesische Regierung die Ausfuhr der Seltenen Erden im vergangenen Jahr aber drosselte, war das Wehklagen der deutschen Wirtschaft ob der Abhängigkeit groß. Nur bei der Deutschen Rohstoff AG wird man gejubelt haben. Der leitende Geologe der Firma, Jörg Reichert, hatte das einzige deutsche Vorkommen Seltener Erden nämlich schon recht früh entdeckt:

    "Als Schatzsucher fühlt man sich als Geologe natürlich sehr gerne. Das kommt allerdings leider nicht so häufig vor, wie man sich das selbst wünscht. In der normalen Arbeit würde ich mich als Wissensverwalter bezeichnen, weil es auch sehr viel mit Archivarbeit zu tun hat. Aber man bekommt als Geologe natürlich genau dann leuchtende Augen, wenn es darum geht, na, jetzt nehmen wir die alten Bohrkerne wieder her und schauen, was ist da noch drin? Das ist dann so die Goldgräberstimmung, die aufkommt."

    Diese Goldgräberstimmung erfasst die ganze Branche. Überall in Deutschland erkunden Geologen den Boden nach Rohstoffressourcen. Erdölfelder, die vor ein paar Jahren noch als zu unbedeutend gegolten haben, sollen nun ausgebeutet werden. Denn letztendlich ist es eine Frage des Preises: Je höher der Weltmarktpreis, desto lohnender ein Blick unter die heimische Erde. Lukrativ können selbst die kleinsten Vorkommen sein. Und so stapeln sich in Jörg Reicherts Büro Landkarten, Gesteinsproben, Aktenordner voller Analyseberichte und Material aus alten DDR-Archiven:

    "Die Erkundungsarbeiten zu DDR-Zeiten hatten ja vorwiegend den Sinn, dass man den eigenen Rohstoffbedarf aus den eigenen Quellen deckt. Man wollte eben nicht auf dem Weltmarkt für teure Devisen auf Rohstoffeinkauf gehen. Das heißt, man hat auf dem Gebiet der DDR sehr viel gebohrt, deshalb wird es hier als das besterkundete Gebiet der Welt bezeichnet. Diese Lagerstätte bei Storkwitz war sozusagen ein Zufallsfund, man kannte damals natürlich auch schon die Seltenen Erden, man hat aber nicht wirklich ein Einsatzgebiet dafür gehabt."

    Bis in Sachsen wirklich gebohrt wird, dauert es noch ein Weilchen. 100 Prozent Gestein enthalten gerade einmal 0,5 Prozent Seltene-Erden-Oxide; klassischer Bergbau ist da nicht möglich. Die Abraumhalde über Tage wäre gigantisch. Wahrscheinlich, meint Reichert, wird das sogenannte in Situ-Leaching angewendet. Das heißt: Es werden mehrere Löcher gebohrt und die Metalle der Seltenen Erden mit einer aggressiven Lauge aus dem Gestein gelöst. Immerhin, Probleme wie in China müsste man in Storkwitz nicht fürchten. Das Vorkommen enthält keine radioaktiven Elemente, und die Lauge kann nicht in die Nähe des Grundwassers gelangen.

    "Grundwasserleiter sind immer an Permergesteine gebunden, das heißt schwammartige Gesteine, die das Wasser gut aufnehmen und leiten können. Das ist aber im Fall eines solchen Magmatits, dieses vorliegenden Karbonatits, dort nicht der Fall, weil dieser Karbonatit ist ein magmatisches Gestein, das heißt, es gibt kein Wasser in diesem Gestein, es ist mehr oder weniger trocken."

    Auf 41.600 Tonnen wird das Vorkommen Seltener Erden in Storkwitz geschätzt, das entspricht einem Metallwert von mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar. Für die Deutsche Rohstoff AG ein Coup. Als Thomas Gutschlag und sein Kompagnon Titus Gebel die Firma 2006 in Heidelberg gründeten, sprach noch niemand von Seltenen Erden. Und doch sicherten sich die beiden zielstrebig die Schürfrechte für das Vorkommen in Sachsen.

    "Storkwitz ist mit Sicherheit kein Riesenprojekt, das ist ganz klar. Insofern kann das jetzt nicht die Versorgung der europäischen Industrie sicherstellen. Wenn überhaupt, ist es ein Projekt, dass dem einen oder anderen Produzenten eine gewisse Sicherheit gibt, der sich daran beteiligt oder der sich die Abnahme sichert, weil er eben hier aus Europa heraus die Versorgung sicherstellen kann. Also eher eine kleine Notfallversorgung, würde ich sagen."

    Ein bisschen Understatement schwingt bei Thomas Gutschlag mit. Denn nicht nur in Storkwitz, auch im Erzgebirge hat die Deutsche Rohstoff AG den richtigen Riecher gehabt. Wenn im Erzgebirge Zinn und Zink zu finden sind, so der Gedanke damals, dann bestimmt auch Indium, Gallium, Germanium und Wolfram-Molybdän. Diese Hightech-Metalle sind genau wie die Seltenen Erden auf dem Weltmarkt kostbar und teuer. Sie werden zur Herstellung von High-Tech-Produkten genutzt, daher auch der Name. Das Heidelberger Unternehmen hat außerdem Erdöl, Erdgas, Gold und Silber im Portfolio. Doch eines sagt Gutschlag ganz deutlich: Ohne die hohen Weltmarktpreise gäbe es seine Firma nicht.

    "Denn es ist ganz klar, die Bergbaubranche ist sehr stark von Preisen getrieben, es gibt immer Zyklen, Preiszyklen, und damit auch Produktions- und Explorationszyklen, wenn die Preise hochgehen, gibt es sehr viele Leute, die eben versuchen, neue Projekte zu entwickeln, so wie wir. Wenn sie runtergehen, passiert genau das Gegenteil, dann werden Projekte, die schon laufen, oder Minen, die schon laufen, wieder stillgelegt."

    Genau diese stillgelegten Projekte in Deutschland hat der Unternehmer im Blick. Da wären zum Beispiel Erdölfelder in Süddeutschland, die nie ganz ausgebeutet worden sind. Oder Erdgasvorkommen. In Speyer wurde sogar ein Erdölfeld neu entdeckt, wo 50 Millionen Barrel schlummern sollen.

    "Neue Technologie führt dazu, dass man wirtschaftlicher fördern kann, dass man neue Dinge entdecken kann. Technologie führt auch dazu, dass man Rohstoffe braucht, die man 20 Jahre davor nicht gebraucht hat, Seltene Erden ist so ein Beispiel, hat man früher nicht allzu viel damit anfangen können, heute entwickelt man ständig neue Anwendungsfelder. Insofern ist es ein Zusammenspiel aus Technologien und Preisen, das den Bergbau weltweit antreibt."

    Viele Hundert Kilometer weiter, in Emlichheim, liegt eines der ältesten Erdölfelder Deutschlands. Hier ist Niedersachsen sehr grün und sehr flach. Die niederländische Grenze ist nah, überall sind Hollandräder zu sehen – und Pferdekopfpumpen. 1943, als das Feld entdeckt wurde, wurden ein paar Löcher gebohrt, Rohre verlegt und Pumpen, die wie Pferdeköpfe aussehen, in Gang gesetzt. Doch der Ölpreis stieg stetig und damit auch die Anstrengung der Ingenieure, noch das letzte bisschen Öl aus dem Sandstein zu holen: Das Emlichheimer Öl ist extrem zähflüssig, fast wie Schuhcreme. Um das Öl aus den Gesteinsporen zu holen, entwickelte die Firma Wintershall eine moderne Dampfflutanlage.

    "In den Poren von dem Sandstein, da ist das Öl mit dem Wasser gefangen. Und wenn ich jetzt das Ganze erwärme, wird das Öl dünnflüssiger und wird mit dem Wasser nach vorne zur Produktionsbohrung gebracht."

    Früher, erzählt Betriebsleiter Volker Riha, wurde der Sandstein mit heißem Wasser geflutet. Heute führen im Maschinenraum der Dampfflutanlage dicke gelbe Rohre zu einem riesigen blauen Ventil. Hier wird Heißdampf produziert, der später in der Lagerstätte verschwindet.

    "Das heißt, man ist mit der Temperatur noch höher gegangen, das Heißwasserfluten war so bei 180 Grad, und jetzt ist man auf die 300 Grad gegangen und presst jetzt Dampf mit 300 Grad in die Lagerstätte ein, dadurch wird das Öl noch dünnflüssiger im Vergleich zum Heißwasserfluten. Und damit können wir eigentlich von 1955 ungefähr bis heute unsere Produktion bei den 140.000 Jahrestonnen halten."

    140.000 Jahrestonnen, das sind knapp eine Million Barrel Öl. Bei einem Ölpreis von 120 Dollar pro Barrel erwirtschaftet Emlichheim also fast 120 Millionen Dollar im Jahr. Kein Wunder, dass die Firma Wintershall die Produktionsstätte immer weiter ausgebaut hat. Bei der Erdölförderung fällt immer auch Wasser und Erdgas an. Mit Letzterem betreibt man ein kleines Kraftwerk; es wird nicht – meint Betriebsleiter Riha - wie in den arabischen Staaten abgefackelt. Sondern man produziert damit Strom für eine Meerwasserentsalzungsanlage und Wärme für die Dampfturbine. Ein Kreislaufsystem.

    "Das Lagerstättenwasser, was wir mitfördern, enthält sehr viel Salz, 110 Gramm pro Liter, ist also absolut trinkwasserungeeignet. Die 3.000 Kubikmeter, die wir nehmen, geben wir über eine Meerwasserentsalzungsanlage, entsalzen das Wasser und kriegen dann unser sogenanntes Destillat. Der Rest Wasser wird mit dem anderen Wasser vermischt, das wird in die Lagerstätte als Kaltwasser eingepresst, und das Destillat wird in Dampf umgewandelt, und der Dampf geht eben wieder ins Erdölfeld zurück, um da unten diesen Heizeffekt hervorzurufen und das Öl zu verflüssigen."

    Das Öl wird in Rohren zum Emlichheimer Verladebahnhof gepumpt und von dort auf die Reise zu den Raffinerien geschickt. Zurück bleibt am Ende eine Lagerstätte voller Wasser. Das ist wichtig für die Druckverhältnisse unter Tage, denn der poröse Sandstein könnte ansonsten absacken. So aber füllt das Wasser die Stellen, in denen früher Öl war und stabilisiert den Untergrund.

    Stichstraßen durchziehen das Areal, gleich hinter einem Wäldchen fließt ein kleiner Fluss. Ein Hüpfer würde genügen, und man wäre in den Niederlanden. Auf der deutschen Seite steht eine 40 Meter hohe Bohrkonstruktion. Das Erdölfeld in Emlichheim ist noch lange nicht erschöpft. 16 neue Bohrungen werden dieses Jahr durchgeführt. Um den Bohrturm drängeln sich Container und Lieferwagen. Neben einem Stapel Rohre liegt der Bohrmeißel. Einfach ein großer schwerer Bohrkopf.

    "Es wird unten ein Vorortantrieb eingebaut, ein Bohrmotor, der angetrieben wird von der Bohrflüssigkeit, die zum Kühlen, Bohrlochsicherheit und so weiter unten eingesetzt wird, und in den Motor ist ein Knickstück eingesetzt, also der ist nicht ganz gerade, da ist ein kleiner Knick drin und darunter ist der Meißel. Und der Meißel wird ganz alleine angetrieben durch die Spülung. Über dem Meißel sitzt ein Messgerät, und das kann uns immer zeigen, wo der Meißel steht. Danach können wir uns dann richten, dann drehen wir den Bohrstrang nicht mehr, dann halten wir ihn, schieben wir ihn vor uns her, und dann muss er automatisch hochgehen."

    Volker Höhme ist der Bohrmeister von Emlichheim; ein gemütlicher Mann, der seit 30 Jahren nach Erdöl und Erdgas bohrt. Genaues Kartenmaterial ist dafür notwendig, denn die Bohrung darf nur bis 50 Meter an die Grenze heranreichen. Auch in den Niederlanden wird Öl gefördert, und beide Seiten achten peinlichst genau darauf, sich nicht ins Gehege zu kommen. Während der Bohrung liefert aber nicht nur ein Messgerät Aufschluss über die Tiefe, sondern auch eine geologische Auswertung. Höhme schmunzelt und deutet auf den Geologen, der lässig in seinem Container sitzt und Musik hört.

    "Die gesamte Erdgeschichte, das ist ja alles, wo wir jetzt hinbohren, wo wir Öl finden, das war vielleicht vor 100, 180 Millionen Jahren, war das mal ein Fluss, oder Strandsand oder sowas. Alles was obendrauf ist, sind Ablagerungen in den Jahrmillionen. Und die Geologie weiß jetzt, welche Leitfossilien sie in welchem Jahrgang finden. Und wenn Sie sagen, dieses Fossil hab ich jetzt in meiner Probe drin, dann wissen Sie ganz genau, so, da bin ich jetzt."

    Außerdem bestimmt der Geologe Holger Schmidt auch den Reinheitsgrad des Öls und prüft nicht zuletzt die Lagerstätte auf Radioaktivität. An der Wand des Containers hängen seitenweise Protokolle, in einem kleinen Waschbecken liegt ein Sieb. Aus einem kleinen Regal holt Schmidt einen bräunlichen Klumpen und stellt eine kleine Flasche feinsten Sandes daneben.

    "Da ist das Öl noch drin, das riecht schön muffig, ne? Das ist der eigentliche Träger, nur, wenn wir den eben über die Siebe holen, und dann müssen wir den ja ausspülen, um den unter dem Mikroskop anzugucken und die einzelnen Fraktionen zu bestimmen, deswegen ist der jetzt hier ein bisschen sauber gespült. Wenn wir jetzt in den Bereich des Trägers kommen, das ist jetzt hier dieses Log, was wir anfertigen, die gehen dann eben hier. Daran kann man sehen, ob man schon im Öl ist."

    Die Arbeiter sind mit der Bohrung fertig und verlegen die Rohre. Eines nach dem anderen wird in die Tiefe gebracht und mit dem vorherigen hydraulisch verbunden. Bei einer Länge von 1.145 Metern kann das noch einige Tage dauern. Bis ins Jahr 2016, so die Prognosen, kann in Emlichheim weiterhin Öl gefördert werden. Über 60 Jahre lang wäre das Feld dann in Betrieb.

    "Je höher der Ölpreis, desto länger lohnt es sich natürlich für uns, das Feld zu bedampfen. Und desto höher können wir den Entölungsgrad bringen, da muss man einfach eine Wirtschaftlichkeitsrechnung machen und sagen, bis zu dem Preis können wir uns diese Maßnahme erlauben, danach ist es einfach nicht mehr wirtschaftlich."

    Egal, ob nun in Emlichheim der letzte Tropfen Öl aus dem Boden gepumpt wird oder ob die Erdölfirmen anfangen, auch noch die kleinsten Felder anzubohren - nur drei Prozent des deutschen Erdölbedarfs werden aus eigenen Quellen gedeckt. Ganz anders sieht das beim Erdgas aus – zwischen 15 und 20 Prozent stammen aus heimischen, einfach zugänglichen Gasfeldern. Doch irgendwann werden auch diese ausgebeutet sein. Viele Firmen schwärmen deshalb bereits von den sogenannten unkonventionellen Gaslagerstätten. Bernhard Cramer ist bei der Deutschen Rohstoffagentur für Energierohstoffe zuständig. Die 2010 gegründete Behörde ist bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover angesiedelt.

    "Das ist Aquifergas, einfach Erdgas, das gelöst ist, wie CO 2 im Sekt. Wir haben tight gas, das ist Erdgas, das in Gesteine reinmigriert ist, die dicht sind, also tight, die man aufbrechen muss. Sowas fördern wir schon in Deutschland. Wir haben Gashydrate, das sind feste Verbindungen von Wasser und Gas, etwas wie Eis, das gibt es in tiefen Ozeanbereichen, nicht ganz so tief, aber an den Schelfen; die gibt es in Deutschland nicht. Und dann haben wir die beiden Kohlegas und Schiefergas, auch shell gas genannt. Das sind die beiden, wo es auch in Deutschland drum geht."

    Das Gas lässt sich allerdings nur sehr mühsam aus dem Gestein lösen. Die Bohrung wird erst vertikal, dann horizontal geführt. Mehrere Millionen Liter Wasser, angereichert mit verschiedenen Chemikalien und Sand, werden in die Bohrlöcher eingepresst. Durch den immensen Druck entstehen im Gestein kleine Risse, die sogenannten Fracs. Und durch diese Risse strömt das Erdgas aus, angeregt außerdem durch die verschiedenen Chemikalien in der Frac-Flüssigkeit. Viel Wasser ist dafür nötig; ferner Chemikalien, deren Umweltverträglichkeit bis heute nicht getestet ist. Deshalb ist die Skepsis in Deutschland groß; selbst die Energieunternehmen sind vorsichtig. Bei der Wintershall heißt es zum Beispiel, ja, man habe eine Erkundungslizenz für das Vorkommen im Münsterland. Dort aber werde man erst mal prüfen und höchstwahrscheinlich nicht fracen. Exxon Mobil reagiert gar nicht erst auf Presseanfragen. Markus Rolink von der Bürgerinitiative Schönes Lünne schon:

    "Das große Risiko ist, dass Grundwasser verunreinigt werden könnte, das große Risiko ist, dass Chemikalien tief im Boden einlagern, die früher oder später wieder an die Oberfläche kommen könnten, der Boden vergisst so etwas nicht. In den USA sind kleine Erdbeben häufig aufgetreten, ausgelöst vermutlich durch das Fracking. Das sind alles Punkte, die nicht geklärt sind."

    Eines der größten Erdgasvorkommen Europas wird rund um das Münsterland vermutet, es zieht sich von Niedersachsen über Nordrhein-Westfalen bis in die Niederlande. Und eben auch durch das niedersächsische Dorf Lünne. Kurz vor der Ortsausfahrt biegt links eine Straße ab, die Häuser sind über Hunderte Meter voneinander entfernt, vor allem Tecker sind unterwegs. Es wird langsam dunkel, doch durch die Bäume blitzt Flutlicht. Auf einem kleinen Feldweg reihen sich Lkw aneinander, bis zum Bohrplatz. Exxon Mobil führt hier eine Probebohrung durch, um später zu fracen, das heißt mit Hilfe von Chemikalien Erdgas aus dem Gestein lösen.

    "Wenn man sich dann vorstellt, dass jeden Kilometer ein so´n Bohrturm stehen soll ... Es geht hier nicht um das schöne Lünne, sondern es geht hier um eine grundlegende Technologie, die sich von Europa von der Atlantikküste bis nach Polen ziehen wird."

    Deutschland will aus der Atomenergie aussteigen. Und politisch ist der schnelle Ausbau alternativer Energien gewünscht. Erdgas gilt als der umweltfreundliche unter den fossilen Rohstoffen. Bei der Verbrennung entsteht wenig Kohlendioxid, außerdem lassen sich mit Gas Autos antreiben. Weil die meisten Ölvorkommen bald erschöpft sein und die Ressourcen weltweit knapper werden, gilt Erdgas als wichtige Alternative, so Bernhard Cramer von der Deutschen Rohstoffagentur.

    "Und da steckt zum einen die Überlegung dahinter, wie kann man die Energieversorgung für Deutschland möglichst sicher gestalten, und da spielt die Eigenversorgung eine wichtige Rolle. Wir haben in Deutschland die gesamte Infrastruktur, weil wir eine Geschichte der Erdgasförderung haben, das heißt, alle Voraussetzungen sind da, und wir haben die Lagerstätten, nämlich das unkonventionelle Erdgas."

    Ob sich dieses Erdgas allerdings wirklich nutzen lässt, ist mehr als fraglich. Die Gelsenwasser AG, eines der größten Wasserversorgungsunternehmen Deutschlands, warnte bereits, die Trinkwasserversorgung vieler Menschen sei in Gefahr. In einer Pressemitteilung forderte der Vorstandsvorsitzende Manfred Scholle den sofortigen Stopp der Probebohrungen. Die Umweltverbände reichen Petitionen bei den Landtagen von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ein. Und auch die Firmen selber seien vorsichtig, erzählt Markus Rolink von der Bürgerinitiative.

    "Also Exxon hat von einer Pilotanlage gesprochen und von einem Restrisiko auch gesprochen und klipp und klar die Bevölkerung gefragt: Können Sie nicht mit so einem Restrisiko leben? Und die Bevölkerung hat das deutlich verneint."

    Letztendlich bestimmt eben nicht nur der hohe Weltmarktpreis, ob Deutschland seine letzten Reserven anzapft, sondern auch die Bevölkerung. Zumindest in Lünne.