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"Ein Luftschloss ist es nicht"

Der Berliner Senat möchte das Gelände des geschlossenen Flughafens Tempelhof für den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek nutzen. Baubeginn des Prestigeprojektes soll 2014 sein. Kulturstaatssekretär André Schmitz spricht von einem "kulturpolitischer Durchbruch" - und ist sicher, das Vorhaben finanziert zu bekommen.

Von Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Der Berliner Senat geht ein kulturelles Großprojekt an, über das schon seit der Wiedervereinigung im politischen Berlin gegrübelt wird. Es geht um den Neubau für die Zentral- und Landesbibliothek. Auf dem Gelände des geschlossenen Flughafens Tempelhof könnte der Neubau entstehen für Deutschlands größte öffentliche Bibliothek. 270 Millionen Euro will sich Berlin das Projekt kosten lassen, in dem dann 3,3 Millionen Medien auf rund 67.000 Quadratmetern unterkommen sollen. Gegründet wurde die Bücherei vor über 100 Jahren. Seit 1920 ist sie im ehemaligen kaiserlichen Pferdestall in der Breiten Straße untergebracht. Hier stehen alle Bücher, die vor 1957 erschienen sind, alles andere ist in Kreuzberg im Westen untergebracht, in der Amerika-Gedenkbibliothek. Sie wurde 1954 von den USA gegründet. Die Häuser fusionierten nach dem Ende der Teilung, Hoffnung machte man sich auf eine Zusammenführung im wieder aufzubauenden Stadtschloss. Doch da sind für die Zentral- und Landesbibliothek nur 4000 Quadratmeter herausgesprungen. Jetzt also ein ambitionierter Neubauplan. André Schmitz, Kulturstaatssekretär des Berliner Senats, auf dem Tempelhofer Flughafengelände soll also mittelfristig etwas Großes entstehen. Was heißt das?

    André Schmitz: Ja, wir stellen uns den Standort auf dem alten Tempelhofer Flughafengelände optimal vor. Er ist verkehrstechnisch gut angebunden, ist mitten in der Stadt. Das wäre ein kulturpolitischer Durchbruch, um den in dieser Stadt seit Langem gerungen wird. Baubeginn, wenn wir alle ganz schnell sind miteinander, 2014, denke ich.

    Christoph Schmitz: Berlin ist arm, aber sexy. Mit sexy kann man nicht so recht Geld verdienen. Gibt der Etat denn so viel Geld her für ein solch riesiges Projekt, wo man nicht mal die Oper in Berlin so richtig finanzieren kann?

    André Schmitz: Wir haben die Oper ja richtig finanziert. Wir haben über 240 Millionen Euro auch mithilfe des Bundes in die Hand genommen, um die Staatsoper jetzt in den nächsten Jahren zu sanieren. 2013 wird sie hoffentlich fertig gestellt sein. Wir haben auch den laufenden Etat um 20 Millionen aufgestockt. Also kulturpolitisch denke ich, muss das arme Land Berlin sich nicht verstecken, auch weil wir politisch, denke ich, parteiübergreifend und gerade in dieser Koalition erkannt haben, dass die Ausgaben für Kultur gut investiertes Geld sind, auch unter dem Aspekt Standortfaktor für Berlin, die eher wirtschaftsschwach ist aus Gründen der deutschen Geschichte, aber mit Kultur und Wissenschaft ihre Assets hat, und die gilt es zu fördern.

    Christoph Schmitz: Wobei die Opern alle drei sagen, dass sie mit diesem, wenn auch erhöhten, Haushalt in Zukunft nicht werden vernünftig arbeiten können. Deswegen noch mal nachgefragt: Wird die Staat so viel Geld oder das Land so viel Geld aufbringen können? Haben Sie da auch die CDU und die FDP auf Ihrer Seite?

    André Schmitz: Die sind bei uns ja Gott sei Dank in der Opposition. Bei uns tragen ja andere Parteien, wie Sie wissen, den Senat. Und die Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus wie auch die der Linkspartei unterstützen dieses Projekt, so dass ich optimistisch bin, dass wir auch erfolgreich durch die Haushaltsberatungen segeln werden.

    Christoph Schmitz: Was geschieht dann mit den anderen Bibliotheken, die es ja in Ost und West jetzt noch gibt? Werden die dann verkauft oder könnte man die nicht auch sanieren, um den Neubau zu sparen, damit man auch dezentral in der Stadt präsent ist?

    André Schmitz: Wir sind ja dezentral in der Stadt präsent, weil es neben der Zentral- und Landesbibliothek als der großen städtischen Bibliothek, der Berliner Stadtbibliothek, in den Bezirken ja noch ganz, ganz viele Bezirksbibliotheken gibt. Die bleiben ja auch erhalten. Wir reden hier nur über die Zentral- und Landesbibliothek, die es in der Breite Straße gibt und in der Amerika-Gedenkbibliothek. Für die beiden Gebäude muss es sinnvolle Nachnutzungen geben. So weit sind wir aber noch nicht.

    Christoph Schmitz: Wie stellen Sie sich denn die neue Einrichtung möglicherweise auf dem Gelände Tempelhof-Flughafen vor? Wird es eine reine Bibliothek, wird es ein Kulturzentrum, wer soll bauen?

    André Schmitz: Ja, bei uns ist die Zentral- und Landesbibliothek in einer Stiftungsform organisiert, die wir zusammen mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bauen. Und es wird eine moderne Bibliothek nach den neuesten Standards mit allen modernen Medien, die hier zur Verfügung stehen. Da gibt es auch gute Vorbilder. Das soll kein Kreiskulturhaus werden, sondern schon ein Metropol-Bibliothek auf dem neuesten Standard, den hier die Fachleute vorgeben.

    Christoph Schmitz: Wie wichtig ist die Landesbibliothek, welche Prunkstücke, welche besonderen Sammlungen verbergen sich dort?

    André Schmitz: Die Bibliothek ist mir sehr wichtig, ist uns allen sehr wichtig, weil wir reden in ganz Deutschland vom Stichwort "kulturelle Bildung". Sie haben die Staatsoper und die Opernstiftung angesprochen, wir denken bei Kultur immer an die großen Flaggschiffe. Die Zentral- und Landesbibliothek in Berlin hat pro Tag 10.000 Besucher, fast zwei Millionen pro Jahr. Also Sie sehen schon an dieser großen Frequenz, dass das eine ganz große, wichtige Breitenversorgung im Bereich Bibliothek auf hohem Niveau ist.

    Christoph Schmitz: Ist das ein Luftschloss oder ist das wirklich ein realistisch greifbares Projekt, das im Grunde nur noch umgesetzt werden muss?

    André Schmitz: Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Ein Luftschloss ist es nicht, sonst würde ich mit Ihnen darüber kein Interview führen. Wir haben es formell angemeldet bei den Haushaltsberatungen, die jetzt anstehen. Damit haben wir einen ganz konkreten Schritt getan. Den hätten wir nicht getan, wenn nicht die den Senat tragenden Parteien positives Licht dazu auch gegeben hätten. Aber in der Tat, in der Endrunde müssen wir uns dann messen - wir sind eine arme Stadt, Sie haben es erwähnt - mit anderen großen Investitionen auch im Bereich der Krankenhausversorgung. Charité zum Beispiel ist ein großes Sanierungsprojekt in der Stadt. Aber ich bin optimistisch, dass wir uns hier mit der Bibliothek durchsetzen werden.

    Christoph Schmitz: André Schmitz, Berliner Kulturstaatssekretär, über die Neubaupläne für die Zentral- und Landesbibliothek.