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Ein Machtwort, das keines ist

Mit seiner Rede an der Universität Leipzig habe Bundespräsident Horst Köhler den Bildungsprotestlern den Rücken gestärkt, meint der Redakteur der "Süddeutsche Zeitung", Tanjev Schultz. "Ob das dann am Ende doch wieder verhallt, wird man sehen."

Tanjev Schultz im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel |
    Ulrike Burgwinkel: Leipziger Rede heißt es sogar schon. Ein Ruck geht vielleicht noch nicht so ganz durchs Land, aber immerhin: Bundespräsident Horst Köhler hielt eine viel beachtete Rede gestern zur Eröffnung der 600-Jahr-Feierlichkeiten an der Leipziger Uni, zu hören auch bei uns in Campus und Karriere. Der Politikwissenschaftler Tanjev Schultz, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", titelt heute: "Ein Machtwort, das keines ist". Guten Tag nach München!

    Tanjev Schultz: Guten Tag!

    Burgwinkel: Herr Schultz, kann denn auch ein Nicht-Machtwort trotzdem was bewirken?

    Schultz: Na ja, es ist immerhin das Staatsoberhaupt, also, es wird schon nicht ganz unbemerkt gewesen sein, was er gesagt hat, auch bei den Ministerpräsidenten, an die hat er ja eigentlich unmittelbar appelliert, das Thema zur Chefsache zu machen und vor allen Dingen auch mehr Geld für die Hochschulen zu geben. Ob das dann am Ende doch wieder verhallt, wird man sehen, aber es ist - zumindest, was die Finanzen angeht - doch etwas, was er da noch mal den Leuten ins Stammbuch gerufen hat oder geschrieben hat, die darüber entscheiden müssen.

    Burgwinkel: Chefsache heißt, der Ministerpräsident soll den ewigen Streit schlichten zwischen den Kultusministern und den Finanzministern?

    Schultz: So könnte man das sehen, denn die Finanzminister versuchen schon seit Monaten eigentlich, die Bildungsausgaben schönzurechnen und die Kultusminister haben es also bisher auch nicht verstanden, sich vielleicht da mal zu verbünden gegen die Finanzminister. Und so gesehen wäre es jetzt an der Zeit vielleicht, da auch mal ein Signal zu setzen.

    Burgwinkel: Horst Köhler stärkt ganz bestimmt die Bildungsprotestler, der stärkt ihnen den Rücken.

    Schultz: Das kann man so sagen, allerdings muss man eben auch sehen, dass der Bundespräsident sich um wichtige Fragen ja auch herumgedrückt hat. Zum Beispiel hat er kein einziges Wort zum Thema Studiengebühren gesagt und das ist ja eines doch auch der wichtigen Forderungen vieler Studierender, die jetzt zurzeit auf die Straße gehen, zumal in den Ländern, in denen es diese Studiengebühren gibt, und da hat er sich aber drumherumgedrückt.

    Burgwinkel: Hat man da insgesamt vielleicht nicht den Eindruck, dass Studiengebühren gar nicht zur Diskussion stehen, dass die festgeschrieben sind sozusagen?

    Schultz: Ich glaube auch nicht, dass sich da die Bundesländer, in denen es die gibt - das sind ja die großen CDU-regierten Flächenländer im Westen -, dass die sich darauf einlassen werden, darüber noch mal zu reden. Es gibt allerdings an einzelnen Standorten durchaus Bewegung, zum Beispiel in München hat der Rektor der großen Ludwig-Maximilian-Universität angekündigt, er würde noch mal überprüfen, ob man nicht den Betrag reduzieren kann. Das ist in Bayern also möglich, weil die Hochschule das nach unten korrigieren kann. Also, es gibt da an einzelnen Standorten durchaus Bewegung.

    Burgwinkel: Insgesamt würde die Frage ganz entscheidend sein - und ich weiß nicht, ob Köhler dazu was beigetragen hat -, wer denn jetzt letztlich gewinnt bei diesem Schwarzen-Peter-Spiel. Die schieben sich ja gegenseitig sozusagen die Schuld in die Schuhe, dass das mit der Bologna-Reform nicht so sonderlich gut geklappt hat, ja, die Hochschulen, die Kultusminister, vielleicht sogar die Bundesministerin?

    Schultz: Ja, das ist tatsächlich ein Problem. Der Herr Köhler hat ja auch gesagt, es sei jetzt endlich mal Schluss zu machen mit diesem Schwarze-Peter-Spiel, so hat er es zumindest sinngemäß gesagt, und damit hat er sicherlich auch recht. Aber letzten Endes hat er dann doch wieder eigentlich auch mit dazu beigetragen, indem er gesagt hat, jetzt müssen vor allen Dingen die Politiker handeln. Das ist sicher nicht falsch, aber um den komplexen Problemen an den Hochschulen gerecht zu werden, sind halt doch alle Akteure irgendwie gefragt. Und man muss einfach auch sagen, dass die Hochschulen nicht nur allein dadurch besser werden, dass man ihnen ein bisschen mehr Geld gibt, sondern es waren ... in den vergangenen Jahren hat sich so ein Kartell gebildet des Mitmachens, aber auch des Beschweigens von Problemen. Und bei dieser Bologna-Reform ist eben genau deshalb viel schiefgelaufen, weil alle irgendwie dran rumgewurstelt haben und am Ende ist dann vielerorts eben nicht das Richtige dabei rausgekommen.

    Burgwinkel: Sie würden also plädieren für einen ganz großen runden Tisch, wo alle mal wirklich jetzt darüber reden und auch was ändern?

    Schultz: Ja, im Grunde schon, aber man kann sich das nicht so vorstellen, dass man das irgendwo mal eben bei einer großen Konferenz in Berlin beschließt und dann wird alles besser. Es soll jetzt ja einen Bologna-Gipfel, so nennt er sich, geben, im April, mit allen Beteiligten, also auf hoher Ebene, mit der Bundesbildungsministerin und den Hochschulen, Studenten. Das ist sicherlich nicht falsch und kann auch was bewirken, aber viele Fragen müssen schon lokal beantwortet werden, denn letzten Endes geht es um die Studienordnung, es geht um Prüfungsordnungen. Da spielen zwar auch teilweise Landesgesetze eine Rolle, aber es spielen auch schlicht und ergreifend die Fragen eine Rolle: Was soll in einem Studium gelernt werden, wie strikt sollen Vorgaben sein, welche sogenannten Module müssen unbedingt studiert werden, wie sind da die Prüfungspflichten? Das sind alles Fragen, die sehr wohl auch jede einzelne Hochschule mit den Professoren und den Studierenden gemeinsam klären muss.

    Burgwinkel: Ein Mitspieler bei diesem Schwarzen-Peter-Spiel, der fehlt mir eigentlich in den ganzen Diskussionen und das sind die Akkreditierungsagenturen. Wie sehen Sie das?

    Schultz: Ja, das ist in der Tat ein Problem. Das sind Agenturen, deren Wesen im Prinzip außerhalb der Fachöffentlichkeit kaum jemand so richtig kennt und die aber eine ganz entscheidende Rolle dabei spielen, wie diese Bachelor-Studiengänge umgesetzt worden sind bisher. Und das sind halt Agenturen, bei denen die Bürokratie wucherte, in dem Sinne, dass eben sehr viele Vorgaben existieren, teilweise aber auch in dem Kopf dann, irgendwie die Schere im Kopf eingesetzt hat bei vielen Professoren, was man alles erfüllen muss, um so einen Bachelorstudiengang zuzulassen, die sogenannte Akkreditierung.

    Und da ist, glaube ich, eine ganze Menge schiefgelaufen, das ist so ein bürokratischer Apparat geworden, und zwar gar nicht so sehr, dass da ganz viele Mitarbeiter wie früher in den Ministerien alles überwachen würden, sondern es ist so ein System von Reglements und dann einzelnen Professoren, die auch mitmachten als Gutachter, als Evaluatoren, und die haben dann sich sozusagen verstrickt in diesen komischen ECTS-Punkten, Modulsystemen und so weiter und am Ende den Überblick darüber verloren, worauf es eigentlich ankommt, nämlich dass im Studium vernünftig gelernt werden kann, dass dort auch Freiräume existieren, dass eine gewisse Muße und Freiheit auch da ist, Sachen auszuprobieren.

    Und all das ist irgendwann erstickt worden in diesem Wahn, man wolle alles vereinheitlichen, was aber auch gar nicht geht. Also, so kann man nicht ein Studium organisieren.