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Ein Masterplan für Bangkok

Die thailändische Metropole Bangkok platzt aus allen Nähten: zunehmende Luftverschmutzung, wachsende Abfallberge, drohender Verkehrkollaps. Um die Probleme zu lösen, präsentierte der stellvertretende Gouverneur einen nachhaltigen Entwicklungsplan. Dieser umfasst eine integrierte Transport- und Verkehrsplanung sowie ein Wasser- und Abfallkonzept. Von Nicola Glass.

    Mit dem einst beschaulichen "Dorf der wilden Pflaumen", einem unbedeutenden Fischernest aus dem 18. Jahrhundert, hat das heutige Bangkok so gut wie nichts mehr gemeinsam. Die thailändische Hauptstadt, der die Thais offiziell den Namen "Stadt der Engel" gaben, ist heute eine wuchernde Metropole mit einem Ballungsraum von etwa 2200 Quadratkilometern.

    Ein echtes Zentrum gibt es nicht, vielmehr vereinen sich Stadtteile wie "Chinatown", das Indische Viertel, das historische Viertel rund um den Königspalast und die Touristen- und Geschäftsmeile Sukhumvit zu einem Moloch, den ausländische Besucher entweder als faszinierend oder als katastrophal empfinden. Reichtum und Armut, buddhistische Tradition und modernes Leben liegen hier dicht beieinander.

    Unbestritten ist Bangkok das politische, industrielle und religiöse Zentrum Thailands. Viele Bewohner sind jedoch keine alteingesessenen Städter: Vielmehr sind sie aus den ländlichen Provinzen in die Hauptstadt gekommen, weil sie sich hier ein besseres Leben erhoffen. Schätzungen gehen davon aus, dass mittlerweile jeder fünfte bis sechste der über 65 Millionen Einwohner Thailands in Bangkok lebt.

    Die Megacity platzt somit aus allen Nähten, und die Einwohner kämpfen zunehmend mit Luftverschmutzung, wachsenden Abfallbergen und dem drohenden Verkehrskollaps. Den Politikern ist längst klar, dass sie die Probleme nur mit einem nachhaltigen Entwicklungsplan lösen können.

    Baggerschaufeln bohren sich in den Boden, Klopfen, Stemmen - Bangkok im Bauboom. Hochhäuser und gigantische Einkaufszentren schießen wie Pilze aus dem Boden. Gebaut wird in der Megacity so viel wie nie zuvor seit der Asienkrise von 1997.

    Doch glitzernde Fassaden allein genügen nicht, um Bangkok als lebenswerte Stadt zu präsentieren. Die Megacity mit ihren schätzungsweise rund zwölf Millionen Bewohnern leidet unter ihrem Image als Chaos-Metropole: Verpestete Luft, chronisch verstopfte Straßen und wachsende Müllberge. Trotz aller Bemühungen der letzten zehn Jahre, die Infrastruktur auszubauen, steht die "Stadt der Engel" weiter vor dem Verkehrskollaps.

    Kein Wunder also, dass hiesige Politiker unter Zugzwang stehen. Der stellvertretende Gouverneur der "Bangkok Metropolitan Administration", Samart Ratchapolsitte, stellte kürzlich einen langfristigen Plan zur Zukunft Bangkoks vor:

    "Wir haben eine roadmap für die nächsten 20 Jahre vorbereitet. Dieser Masterplan umfasst zum Beispiel so wichtige Punkte wie Landnutzung, integrierte Transport- und Verkehrsplanung, ein Wasser- und Abfallkonzept sowie Vorschläge zur Verbesserung der Umwelt."

    Zu diesem Plan gehören sogenannte "intelligente", das heißt elektronisch gesteuerte Verkehrssysteme. Diese sollen den Verkehrsteilnehmern anzeigen, zu welchem Zeitpunkt Busse und Bahnen an den Haltestellen eintreffen. Übersichttafeln werden Pendler zudem über Staus und Unfälle in der Stadt informieren. Die Finanzierung sollen zum größten Teil private Investoren übernehmen.

    Der Knackpunkt aber ist: Auch die beste Übersichttafel kann keine alternativen Verkehrswege aufzeigen. Einen Stau zu umfahren, ist in Bangkok nahezu unmöglich. Kenner der Stadt merken außerdem an, dass wichtige Themen wie Naherholung und Sicherheit bisher völlig vernachlässigt wurden. Liakat Dhanji, Chef einer Immobiliengruppe, hat sich seit Jahren zudem als Publizist der Städteforschung gewidmet. Er entwickelte seine eigenen Ideen für die Megacity der Zukunft:

    "Es gibt einige bestimmte Voraussetzungen, die Städte erfüllen müssen, wenn sie als "Weltklasse"-Städte gelten wollen. Zuallererst muss die Stadt eine sichere sein. Nicht nur sicher für uns Farangs - die westlichen Ausländer - sondern für alle Bewohner. Das heißt, dass es keine kaputten Bürgersteige geben darf. Es müssen Parks und Spielplätze vorhanden sein, wo Kinder ungehindert spielen können. Und wenn man eine Straße überquert, muss man sicher sein können, dass jedes Auto halten wird. Diese Fragen der Sicherheit sind in Bangkok nicht entsprechend gelöst, davon sind wir sind noch weit entfernt."

    Es gibt sie, diese stillen Oasen, in denen man das hektische Großstadtleben hinter sich lassen kann. Doch sie reichen nicht aus, um die Lebensqualität zu verbessern. Es gilt als erwiesen, dass mittlerweile fast die Hälfte aller Einwohner Bangkoks unter Atemwegserkrankungen leidet.

    Für die Südostasien-Sektion der Umweltschutzorganisation Greenpeace ist das ein alarmierender Trend. Sie macht sich stark für eine Gesetzgebung, die über den offiziellen Masterplan hinausgeht. Der Umweltaktivist Tara Buakamsri erklärt dazu:

    "Wenn wir die Luft in Bangkok sauberer machen wollen, sollte sich die Stadtverwaltung über den Masterplan hinaus bemühen, eine Regelung für mehr Reinhaltung der Luft durchzusetzen und dafür sorgen, dass verschiedene lokale Behörden zusammenarbeiten, unter anderem die Abteilung, die für die Kontrolle der Luftverschmutzung zuständig ist. Dort arbeiten schon seit längerem viele Techniker und Experten an der Frage, wie man das Problem in den Griff bekommen kann. Wir könnten das in zehn Jahren schaffen, wahrscheinlich auch schon in fünf Jahren."

    Um Smog und Stau zu bekämpfen, hat sich Bangkok schon vor Jahren entschlossen, den Nahverkehr auszubauen. Seit Ende 1999 ist zum Beispiel der "Skytrain" in Betrieb, eine knapp 24 Kilometer lange, elektromagnetische Hochbahn, die derzeit aber nur in zwei Linien verläuft. Ergänzt wurde der "Skytrain" durch die im Juli 2004 eröffnete U-Bahn, die derzeit ein Streckennetz von 21 Kilometern umfasst.

    Dass das jetzige Konzept dennoch viel zu kurz greift, weiß natürlich auch Bangkoks Verwaltung. Die künftige Planung sieht vor, das unterirdische Schienennetz in den kommenden Jahren auf bis zu 111 Kilometer zu erweitern. Experten schätzen die Kosten auf mehr als sechs Milliarden Euro.

    Der Nahverkehr findet auch zu Wasser statt: Mit seinen zahlreichen Anlegestellen bietet der Fluss Chao Phraya Einheimischen und Touristen die Möglichkeit, sich preisgünstig und in nur knapp 30 Minuten quer durch Bangkok chauffieren zu lassen. So wird die Stadt, einst als "Venedig des Ostens" gerühmt, seinem früheren Image zumindest ein bisschen gerecht.

    Um die Bevölkerung in Zukunft stärker zu motivieren, das eigene Auto stehen zu lassen, erläutert Bangkoks stellvertretender Gouverneur Samart Ratchapolsitte weitere Punkte des "Masterplans":

    "Ein bedeutendes Projekt wird in diesem Zusammenhang die Ausweitung des "Skytrain" nach Westen und nach Osten sein. Allerdings ist dafür ein neuer Kabinettsbeschluss nötig. Ursprünglich war laut einer Anordnung aus dem Jahr 2000 festgelegt, dass die Ausweitung des "Skytrain" ausschließlich durch den privaten Sektor finanziert werden sollte. Das aber ist unmöglich. Darüber hinaus wollen wir die Bevölkerung ermutigen, verstärkt die Transportwege auf dem Wasser zu nutzen. Deshalb bauen wir weitere Anlegestellen entlang des Flusses."

    Die Bewohner sollen sich identifizieren mit "ihrer" Stadt. Nur durch deren aktive Mithilfe, so Greenpeace-Aktivist Tara Buakamsri, könnte noch ein weiteres, ebenso drängendes Problem, gelöst werden: Der wachsende Abfall. Immer mehr Müll fällt an, durch private Haushalte, durch die Industrie, durch die Krankenhäuser:

    "Es gibt bereits gute Absprachen zwischen dem Bangkoker Gouverneur, Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft zur Frage, wie man die wachsenden Müllberge reduzieren kann. Zum Beispiel gibt es Projekte zur Abfallvermeidung, die Ortsansässige in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen selbst initiiert haben. Wenn Bangkok in der Müllbekämpfung erfolgreich sein will, sollte die Öffentlichkeit daran beteiligt werden. Wir selbst sind Teil einer Gruppe, die mit daran arbeitet, entsprechende Richtlinien festzusetzen."

    Eine Städteplanung, die Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung nimmt, kann letztlich viel dazu beitragen, das Image der "Stadt der Engel" positiv zu verändern: Bangkok hätte somit die Chance, auch seine ärgsten Konkurrenten Singapur und Hongkong hinter sich zu lassen.