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Ein Meister des Klavierkonzerts

Eine bessere Werbung für Antonín Dvořáks Klavierkonzert als Francesco Piemontesis famose Studio-Einspielung kann man sich kaum denken. Dieses Stück will man einfach öfter auch im Konzertsaal hören. Gemeinsam mit Piemontesis Liveaufnahme des Schumann’schen Klavierkonzerts ist es kürzlich beim Label Naïve auf CD erschienen.

    Am Mikrofon begrüßt Sie Jochen Hubmacher. Guten Morgen!
    2007 war ein sehr guter Jahrgang beim Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel.
    Das lässt sich am besten daran ablesen, dass die damals preisgekrönten Pianisten auch sechs Jahre später immer noch einiges von sich hören lassen. Im schnelllebigen Klassik-Betrieb beileibe keine Selbstverständlichkeit. Allen voran natürlich die erste Preisträgerin von 2007, die Russin Anna Vinnitskaya. Aber auch für den damals Drittplazierten, den Schweizer Francesco Piemontesi bedeutete der Wettbewerbserfolg einen enormen Karriereschub.

    "Brüssel ist natürlich nach wie vor einer der bekanntesten und auch gefürchtetsten Klavier-Wettbewerbe. Deswegen bekommt man da, wenn man einen Preis hat, ganz viele Auftritte. Aber es gibt Tausende von Wettbewerben, wo man einfach seinen Preis gewinnt und dann nach Hause geht und alles ist dasselbe wie zwei Wochen davor. Und das sollte nicht der Sinn eines Wettbewerbs sein. Wenn Du unbedingt zu einem Wettbewerb fahren willst, dann muss es einer der großen sein, weil die Auftritte danach sind das, was zählt."

    Und natürlich, wie man sich dort präsentiert. Mit den Einladungen zu hochkarätigen Festivals oder den oft kurzfristigen Konzertanfragen als Einspringer bei Spitzenorchestern stieg für Francesco Piemontesi gleichzeitig auch der Druck.

    "Als diese ganze Konzertwelle nach Brüssel anfing, hat sich natürlich mein Leben total verändert und auch die Qualität und der Umfang der Auftritte. Da habe ich zum ersten Mal wirklich vielleicht zu viel Angst gespürt. Da ist man in einer neuen Welt, man kennt sie nicht, aber Yoga-Übungen und autogenes Training haben mir sehr viel geholfen."

    Mit zwei bis drei Stunden autogenem Training bereitet sich Francesco Piemontesi inzwischen auf jedes seiner Konzerte vor. Vermutlich auch am 1. Dezember 2012, als er im Londoner Barbican Centre auftrat und gemeinsam mit dem BBC Symphony Orchestra Robert Schumanns berühmtes a-Moll-Klavierkonzert spielte. Der Live-Mitschnitt ist kürzlich beim Label Naïve auf CD erschienen.

    "1. Satz - Allegro affetuoso K: Robert Schumannn
    aus: Klavierkonzert a-Moll, op. 54
    CD Tr. 1 "Angenehm unprätentiös" ist wohl das passende Attribut für Francesco Piemontesis Interpretation des Klavierkonzerts von Robert Schumann.
    Es ist nicht die spektakuläre Geste, mit der er den Zuhörer überwältigen möchte, keine überzogenen Tempi, kein vordergründiges Auftrumpfen.
    Piemontesi besticht eher durch seine musikalische Abgeklärtheit, die man bei einem gerade mal 30-jährigen Pianisten nicht unbedingt vermuten würde. Da sitzt offenbar einer am Klavier, der niemandem mehr beweisen muss, dass er schnelle Finger besitzt. Eine Haltung, die Piemontesi dank der intensiven Zusammenarbeit mit Klavier-Größen wie Alfred Brendel, Mitsuko Uchida oder Murray Perahia möglicherweise früher entwickelt hat als so mancher seiner Altersgenossen. Überhaupt war der Schweizer zumindest für mitteleuropäische Verhältnisse musikalisch immer recht früh unterwegs. Als Vierjähriger überzeugte er seine Eltern zunächst davon, dass nicht die Geige, sondern das Klavier das richtige Instrument für ihn sei. Sein erstes öffentliches Konzert gab er mit elf. Fällt der Begriff "Wunderkind" winkt Francesco Piemontesi jedoch schnell ab.

    ""Also ich glaube ehrlich gesagt nicht, weil ich das Glück hatte sowohl meine Eltern als auch ganz gute Lehrer zu haben, die auch selbst viel gespielt haben und die haben mich sehr geschützt vor diesem ganzen "Auftritts-Rennen" mit einem Konzert nach dem anderen. Das heißt, ich hatte wirklich die Zeit mich zu entwickeln. Es gab bestimmte Fähigkeiten, die schon da waren wie absolutes Gehör, schnelles vom Blatt lesen, die mit einem "Wunderkind" zu tun haben; aber ich wurde nie als solches verkauft – und da bin ich meinen Eltern und den ganzen Leuten, die mit meiner Entwicklung zu tun gehabt haben, sehr dankbar."

    Neben der Live-Aufnahme des Schumann’schen Klavierkonzerts findet sich auf der neuen CD von Francesco Piemontesi auch eine Studioproduktion mit einem musikalischen Juwel, das nach wie vor im Konzertbetrieb ein Schattendasein fristet. Es handelt sich um Antonín Dvořáks 1883 veröffentlichtes Klavierkonzert g-Moll. Und auch dabei steht Piemontesi das BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Jiří Bělohlávek zu Seite.

    "
    1. Satz - Allegro agitato K: Antonín Dvořák
    aus: Klavierkonzert g-Moll, op. 33
    CD Tr. 4"

    Die Orchestereinleitung zu Antonín Dvořáks Klavierkonzert klingt fast wie eine Skizze zur erst Jahre später komponierten und ungleich berühmteren Sinfonie "Aus der neuen Welt". Und die Einleitungstakte sind nur ein kleiner Vorgeschmack, auf das was den Hörer im weiteren Verlauf noch erwartet. Im ganzen Klavierkonzert "wimmelt es von schönsten Melodien", meint der ungarische Pianist András Schiff. Und er hat zweifellos Recht. Ähnlich wie Schumann betrachtet auch Dvořák den Klavier-Solisten in seinem Konzert nicht als "Alleinunterhalter mit Orchesterbegleitung", sondern als gleichberechtigten "primus inter pares", der sich keineswegs über mangelnde Beschäftigung beklagen kann.


    "1. Satz - Allegro agitato K: Antonín Dvořák
    aus: Klavierkonzert g-Moll, op. 33
    CD Tr. 4 "
    1‘00
    Der legendäre Svjatoslav Richter bezeichnete Antonín Dvořáks Klavierkonzert einmal als das "schwerste Werk, das er je gespielt hat". Möglicherweise liegt genau hier der Schlüssel, um zu verstehen, warum das Stück so selten zu hören ist.
    Dvořák war von Haus aus Organist und anders als etwa Robert Schumann kein herausragender Pianist. Vielleicht fiel auch deshalb bei der Erstfassung seines Klavierkonzerts die Solo-Partie nicht besonders anspruchsvoll aus. Weder Verleger noch die Tastenlöwen seiner Zeit zeigten sich sonderlich interessiert an dem Stück. Dvořák überarbeitete daher sein Konzert noch einmal gründlich, und als es dann schließlich veröffentlicht wurde, enthielt es zum Teil wahnwitzige technische Schwierigkeiten für den Solisten. Schnell wurde dem Stück das Etikett unpianistisch und wenig effektvoll angehängt. Es ging sogar soweit, dass der tschechische Klavierpädagoge Vilém Kurz die Solo-Partie zwecks Effektsteigerung neu bearbeitete. Francesco Piemontesi spielt auf seiner CD-Aufnahme die originale Fassung Dvořáks und das ist gut so.


    "2. Satz – Andante sostenuto K: Antonín Dvořák
    aus: Klavierkonzert g-Moll, op. 33
    CD Tr. 5 "

    Eine bessere Werbung für Antonín Dvořáks Klavierkonzert als Francesco Piemontesis famose Studio-Einspielung kann man sich kaum denken. Daran ändern auch die gelegentlichen Intonationstrübungen im ansonsten hervorragend aufspielenden BBC Symphony Orchestra nichts. Dieses Stück will man einfach öfter auch im Konzertsaal hören. Gemeinsam mit Piemontesis Live-Aufnahme des Schumann’schen Klavierkonzerts ist es kürzlich beim Label Naïve auf CD erschienen. Das war die neue Platte im Deutschlandfunk. Am Mikrofon verabschiedet sich mit Dank fürs Zuhören Jochen Hubmacher.

    "3. Satz – Allegro con fuoco K: Antonín Dvořák
    aus: Klavierkonzert g-Moll, op. 33
    CD Tr. 6"

    Musikinfo:

    Schuman / Dvořák
    Piano Concertos

    Francesco Piemontesi, Klavier
    BBC Symphony Orchestra
    Ltg.: Jiří Bělohlávek

    Label: Naïve
    Bestell-Nr.: 822186053270
    LC:0540