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Ein Modell auch für Deutschland?

Nach dem Examen erst mal ein oder zwei Jahre als Klassenlehrer an eine Problemschule, diese Idee der Initiative "Teach First" in Großbritannien soll auch nach Deutschland kommen. Kaija Landsberg, Absolventin der Berliner "Hertie School of Governance", hat zusammen mit einigen Kommilitonen die Initiative "Teach First Deutschland" gegründet.

Moderation: Armin Himmelrath |
    Armin Himmelrath: Ich habe Kaija Landsberg kurz vor der Sendung gefragt, warum sich ein Top-Absolvent einer Universität überhaupt für einen Job an einer Problemschule interessieren sollte.

    Kaija Landsberg: Wir sehen zwei Motivationsgründe dabei, sich für die Programmteilnahme zu entscheiden. Zum einen - das haben wir auch in einer Studenten- oder Absolventenumfrage geklärt - ist da die persönliche Motivation, so etwas zu machen, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben von den eigenen Bildungsprivilegien. Die andere Motivation ist, dass das Programm so attraktiv gestaltet werden soll, dass es eben dann nicht nur dem Idealismus dient, sondern dann auch wirklich ein weiterer Baustein ist in der eigenen persönlichen beruflichen Karriere, sich da mal austesten zu können, eine Riesenherausforderung zu bestehen und damit dann eben auch wirklich die eigene persönliche Berufsbiografie zu bereichern.

    Himmelrath: Aber ist das nicht ein bisschen blauäugig zu denken, dass gute Absolventen das einfach so leisten können? Schließlich ist ja Lehramt, gerade auch in Problemschulen oder Problemklassen, eine nicht nur persönliche Herausforderung, sondern auch einfach eine fachliche Herausforderung. Es gibt ja aus guten Gründen auch Lehramtstudiengänge.

    Landsberg: Auf jeden Fall, da gebe ich Ihnen voll und ganz Recht. Deswegen ist es eben auch so wichtig, dass wir bei der Auswahl darauf achten, dass eben - wir fassen es auf die Formel zusammen - neben dem Verstand auch noch das Herz stimmt. Also neben dem fachlichen Hintergrund, der ja durch das Studium und den Studienabschluss bewiesen werden kann, müssen einfach die persönlichen Kriterien auch entsprechend sein, dass man als Absolvent in so einer Problemschule oder in Schulen in sozialen Brennpunkten erfolgreich arbeiten kann. Und da sind wir jetzt gerade dabei, diese Kriterien zu definieren und uns einen Prozess zu überlegen, wie die dann wirklich geprüft werden können, um sicherzustellen, dass nur geeignete Leute in diese Schulen kommen. Wie sehen diese Kriterien aus? Man könnte das auf drei runterbrechen: Das eine ist auf jeden Fall Bescheidenheit. Da soll jetzt niemand kommen, der dann den Schulen oder Schülern oder den Lehrerkollegen erklärt, wie die Welt funktioniert, sondern der sich wirklich in die Kollegien einbringt. Die Personen müssen ein hohes Maß an Respekt haben und Toleranz. Und sie müssen eine große Empathiefähigkeit haben. Denn was im Mittelpunkt natürlich steht, ist das Interesse der Schüler. Das muss immer vorangestellt werden, und das ist das Einzige, womit es dann wirklich am Schluss erfolgreich wird.

    Himmelrath: Bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Programm auch eine pädagogische Schulung, pädagogisches Rüstzeug?

    Landsberg: Ja. Weil sie, wie Sie ja schon gesagt haben, natürlich aus allen Studienrichtungen rekrutiert werden und eben keine Lehramtsausbildung genossen haben, deswegen müssen wir sicherstellen, dass sie, wenn sie in die Schulen gehen, den entsprechenden Hintergrund haben. Da sitzen wir gerade mit universitären Partnern - wir sind zum Beispiel mit der Leuphana-Universität in Lüneburg im Gespräch -, ein Ausbildungsprogramm zu entwickeln, das genau auf die Bedürfnisse einmal der Absolventen, die ja eben kein Lehramtsstudium mitbringen, aber eben auch auf die Bedürfnisse der Schulen, in denen sie dann unterrichten werden, also primär Sekundarstufe I in sozialen Brennpunkten, also zum Beispiel Hauptschulen, dass sie darauf wirklich exzellent vorbereitet werden und damit dann eben das nötige Wissen mitbringen und die nötigen Fähigkeiten, sich dort behaupten zu können.

    Himmelrath: Jetzt ist die pädagogische Qualifikation und die fachliche natürlich ja nur die eine Seite der Medaille, auf der anderen Seite stehen die Kultusministerien der Länder, die letztlich ja darüber entscheiden müssen, wer als Lehrer, als Lehrerin in eine Schule gehen darf. Befürchten Sie da nicht Widerstand vonseiten der Politik, dass die sagen, oh, solche halb qualifizierten, nicht wirklich ausgebildeten Lehrer wollen wir nicht haben?

    Landsberg: Also erst mal wollen wir sicherstellen, dass die Leute wirklich ausgebildet sind und dass sie auch die nötigen Standards haben, dass sie überhaupt unterrichten können. Das soll jetzt keine Schnellschussausbildung werden, auch wenn sie zeitlich relativ begrenzt stattfinden wird. Wir sind mit den Kultusministerien in Kontakt, wir verhandeln über die Voraussetzungen für dieses Programm, und wir erleben da eine große Offenheit, auch Neues zu denken und eben auch den Mehrwert einfach zu sehen, eine völlig neue Gruppe an Menschen anzusprechen, in die Schulen zu gehen, und wenn es auf Zeit ist, um für diese Schulen einen Mehrwert zu schaffen.

    Himmelrath: Wie sind denn die Reaktionen? Die Idee ist ja für Deutschland relativ neu, rennt man Ihnen schon die Bude ein?

    Landsberg: Ja, das ist ganz schön im Moment. Wir bekommen also nicht nur ... wir haben die ersten Initiativbewerbungen aus Bundesländern bekommen. Wir sind mit einigen Bundesländern eben schon im Kontakt, aber noch nicht mit allen und haben erste Zuschriften bekommen, möchten Sie sich nicht mit uns zusammensetzen, und wir überlegen, wie wir das für unser Land umsetzen können.

    Himmelrath: Das heißt, da haben sich Ministerien bei Ihnen gemeldet?

    Landsberg: Da haben sich Ministerien wirklich bei uns gemeldet, die wir bisher noch nicht angesprochen hatten, und das freut uns natürlich sehr. Die anderen Initiativbewerbungen, die wir bekommen, ist von der Absolventenseite. Die sagen: Seid ihr schon so weit, kann ich anfangen, ich bin gerade am Ende meines Studiums und ich würde mich wahnsinnig gerne bewerben. Und das ist natürlich toll. Und das Medieninteresse wächst auch an dem Programm. Wir erleben da jetzt gerade von vielen Seiten sehr, sehr viel Zustimmung und sehr viel Begeisterung auch für diese Idee, die ja wirklich für Deutschland noch völlig neu ist.

    Himmelrath: Mit wie viel Lehrerinnen und Lehrern aus diesem Programm können wir rechnen im kommenden Jahr?

    Landsberg: Im kommenden Jahr wird es das Programm noch nicht geben. Wir möchten im Frühsommer nächsten Jahres mit dem Recruiting beginnen. Wir sind eben, wie gesagt, im Moment noch in der Aufbauphase und müssen jetzt einfach die einzelnen Programmaspekte wirklich definieren, die Grundlagen dafür schaffen, dass der Einsatz stattfinden kann. Wir möchten zum Schuljahresbeginn 2009/2010, also im September 2009, mit ca. 100 bis 150 Programmteilnehmern in die ersten ungefähr 40 Schulen gehen, weil wir möchten immer mehrere Programmteilnehmer in einer Schule positionieren, wenn das möglich ist.

    Himmelrath: Spätestens dann werden wir wieder berichten über das Programm "Teach First Deutschland".