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Ein Modell für Europa?

Google hat mit seiner Büchersuche den Widerstand der amerikanischen Verlage und Autoren gebrochen. In einer Vereinbarung wird der Umgang mit Urheberrechten geregelt. Auch deutsche Bücher finden sich bereits in der Buchsuchmaschine und man kann annehmen, dass Google sich auch mit deutschen Autoren und Verlagen auf eine unkomplizierte Regelung einigen will. Doch hierzulande wird das Projekt nach wie vor kritisch gesehen.

Von Thomas Reintjes | 30.10.2008
    Dominik Schöneberg, Student an der Universität Köln, schreibt in diesen Wochen seine Examensarbeit in Philosophie. Der Raum ist sein Thema. Literaturrecherche dazu macht der Student wie selbstverständlich online:

    "Ich habe eingegeben: Newton, Leibniz und Scholium. Also es geht bei meinem Thema um die Raumkonzeption von den genannten Philosophen. Und da habe ich dann direkt ein Buch gefunden, in dem halt ein Aufsatz genau über diese Raumkonzeption ist, und wo auch die verschiedenen Konzeptionen verglichen werden. Das war eigentlich genau meine Fragestellung. Und das Buch habe ich eben da gefunden und in der Bücherei halt nicht."
    Denn zum einen kann keine Verschlagwortung in der Bibliothek so gut sein, wie eine Volltextsuche. Zum anderen wäre das Buch in der Kölner Universitäts-Bibliothek auch nur per Fernleihe verfügbar gewesen. Im Handel ist es nicht mehr erhältlich.

    Genau solche Fälle sind es, die die Macher von Google Books im Hinterkopf haben, wenn sie an ihrer Büchersuche arbeiten. Sie scannen Bücher in 28 renommierten Bibliotheken weltweit und machen die eingescannten Seiten online durchsuchbar.

    Offenbar ist Google dabei aber über das Ziel hinaus geschossen. Urheberrechte sollen verletzt worden sein. Amerikanische Autoren und Verlage klagten gegen den Suchmaschinengiganten, drei Jahre lang. Jetzt hat man sich geeinigt: Google darf weiter Bücher scannen und ins Internet stellen. Allerdings erst, wenn die Bücher mit einer zentralen Buchrechte-Datenbank abgeglichen werden können. In dieser Datenbank soll festgehalten werden, wer welche Rechte an einem Buch hat. So bleibt es Google erspart, mit jedem einzelnen Autor und jedem einzelnen Verlag Verträge abschließen zu müssen.
    Allerdings gilt diese Regelung zunächst nur für die USA. Von Deutschland aus wird nach derzeitigem Stand nicht auf die amerikanischen Bücher zugegriffen werden können.

    Wenn aber die Autoren und Verlage sich grundsätzlich darüber einig sind, ihre Bücher im Internet durchsuchbar zu machen, dann kann man davon ausgehen, dass es auch für die Nutzung außerhalb der USA eine Vereinbarung geben wird.

    Und man kann davon ausgehen, dass Google versuchen wird, hierzulande eine ähnliche Regelung mit deutschen Autoren und Verlagen zu erreichen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels blockt allerdings pro forma bereits ab. In einer Stellungnahme des Hauptgeschäftsführers Alexander Skipis heißt es:

    Die Vereinbarung gleicht einem Trojanischen Pferd, mit dem Google antritt, die weltweite Wissens- und Kulturverwaltung zu übernehmen.

    Weiter ist von einer Enteignung der Urheber die Rede, von einem "goldenen Handschlag" mit dem den Autoren ihre Rechte abgekauft würden. Nach Ansicht des Börsenvereins kann Google nun ohne Zustimmung der Autoren gescannte Werke ins Internet stellen. Nur wer seine Bücher in dem geplanten Rechte-Register eingetragen habe, könne sich schützen. Sämtliche Normen europäischen Urheberrechts sieht der Börsenverein dabei über Bord geworfen.

    Von der Amerikanischen Autorenvereinigung und den Verlagen gibt es allerdings positive Einschätzungen zu der Übereinkunft. Dort scheint man begriffen zu haben, dass die digitale Verfügbarkeit und vor allem Auffindbarkeit, Durchsuchbarkeit von Büchern der nächste logische Schritt ist. Außerdem melden Verlage, dass ihre Umsätze steigen, wenn ein Buch in der Buchsuchmaschine auftaucht. Kein Wunder: Google bietet direkte Links zu entsprechenden Online-Shops an.

    Das macht der Börsenverein des Deutschen Buchhandels erstaunlicherweise nicht. Die Diskussion ist nämlich auch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass der Börsenverein selbst eine Konkurrenz-Suchmaschine zur Google Büchersuche betreibt: www.libreka.de.

    Dort sind knapp 75.000 deutsche Bücher durchsuchbar - aber kaufen kann man sie nicht.
    Andere deutsche und europäische Projekte versuchen ebenfalls, Google nachzueifern. So plant die Deutsche Nationalbibliothek eine Digitale Deutsche Bibliothek. Auf europäischer Ebene ist die Europeana in den Startlöchern. Am 20. November soll ein Prototyp der Suchmaschine mit zwei Millionen historischen Werken starten.

    Damit in Zukunft auch neue und urheberrechtsgeschützte Werke in solche Suchmaschinen aufgenommen werden können, bedarf es solcher Regelungen, wie Google sie jetzt für die USA erreicht hat. Mit jedem Rechteinhaber Einzelverträge zu schließen, ist nicht machbar, bestätigt eine Sprecherin der Deutschen Nationalbibliothek.

    Aus diesem Grund startet in wenigen Wochen das EU-Projekt ARROW. Dort soll eine entsprechende Rahmenvereinbarung erarbeitet werden, in spätestens zweieinhalb Jahren soll sie fertig sein. Neben den Nationalbibliotheken der beteiligten Staaten und entsprechender Vertreter der Rechteinhaber sitzt wiederum mit am Tisch: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels.