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"Ein Muster ist noch nicht zu erkennen"

Eisenbahntechnik. - Auf der Fernverkehrsstrecke zwischen Hannover und Braunschweig ist am Mittwoch Abend ein Güterzug entgleist, in den wenig später ein Personenzug hineinfuhr. Die Strecke ist für die kommenden Tage gesperrt. Der Wissenschaftsjournalist Sönke Gäthke berichtet im Gespräch mit Arndt Reuning über die möglichen Ursachen und Konsequenzen.

    Reuning: Herr Gäthke, weiß man denn schon was das Entgleisen in diesem Fall verursacht hat?

    Gäthke: Es gibt zumindest schon einen Verdacht. Der Eisenbahn-Untersuchungsstelle in Bonn zufolge - die untersucht den Unfall jetzt - haben Bahnarbeiter entlang der Strecke etwas an diesem Güterzug bemerkt, was dort als unregelmäßig beschrieben wurde. Das wurde über Funk dem Lokführer des Güterzuges mitgeteilt. Der hat gebremst, und als dieses Bremsen dann eingeleitet wurde, dann sind die Waggons entgleist. Und das könnte auf Probleme an den Achsen und an den Rädern des Güterzuges hindeuten.

    Reuning: Was kommt also als Ursache des Unfalls in Frage?

    Gäthke: Es kommen als Ursache zwei Sachen vor allen Dingen infrage. Entweder ein Abbruch oder ein so genannter Heißläufer. Ein Heißläufer, das sind jetzt heiß gelaufene Lager, das sind die Lager, in denen eigentlich die Radsatz-Wellen des Waggons sich treten. Die halten sie fest, sie drehen sich. Und normalerweise sind sie schön kühl. Wenn aber aus irgendwelchen Gründen diese Lager kaputt gehen, dann können sie heiß werden, und zwar so heiß, dass, wenn man das nicht schnell genug merkt, die Achse schmilzt und das Rad dann regelrecht abbrechen kann. Um das zu verhindern, gibt es normalerweise Sensoren entlang der Schiene, die das melden sollen. Aber trotzdem kann es passieren, dass zwischen zwei Sensoren eine Achse so heiß wird, dass etwas passiert.

    Reuning: Kann man denn jetzt wirklich von einer Häufung dieser Unfälle sprechen?

    Gäthke: Also statistisch gesichert jedenfalls nicht. Was Heißläufer angeht, schonmal gar nicht. Die gibt es eigentlich immer wieder, das kann man nicht verhindern. Was Achsbrüche angeht, auch nicht. Zumindest sehen Eisenbahnforscher keine Steigerung der Unfallzahlen. Was man allerdings bemerken kann: In diesem Jahr sind die meisten Unfälle offenbar auf Fernverkehrsstrecken passiert, zumindest größere Unfälle. Die haben für tagelange Sperrungen gesorgt. Und das fällt dann schon auf, auch in der Berichterstattung.

    Reuning: Achsbrüche. Kommen die als einzige Ursache für eine solche Entgleisung infrage?

    Gäthke: Nein, natürlich kommen neben den Achsen auf die Schienen infrage. Also, es kann zum Beispiel sein, dass eine Weiche defekt ist und einen Zug aus dem Gleis wirft. Es kann sein, dass eine Schiene bricht, das kann zum Beispiel passieren, wenn es sehr kalt ist, wie jetzt im Januar. Und insofern ist auch das Gleisnetz durchaus beteiligt.

    Reuning: Wie ist es denn um den Wartungszustand des Eisenbahnnetzes bestellt?

    Gäthke: Es gab immer wieder Berichte und es gab auch immer wieder den Verdacht, dass die Bahn in der Vergangenheit die Netze nicht so gepflegt hätte, wie es wünschenswert gewesen wäre, mit Blick auf den Börsengang. Trotzdem halten Eisenbahnexperten eigentlich den Zustand der Schienen generell für sehr gut. Für so gut, dass es keinen bekannten Fall eines entgleisten Güterzuges gibt, der wegen schlechten Zustands der Schienen entgleist wäre.

    Reuning: Welche Vorkehrungen zur Vorbeugung kann man denn treffen, um solche Unfälle in Zukunft zu verhindern?

    Gäthke: Man kann zumindest das machen, was die Bahn, das Netzwerk, sowieso macht, nämlich die Gleise ordentlich prüfen. Das macht sie mithilfe ihrer Testzüge, sie checken, ob die Spurweite ordentlich stimmt, die Spurweite ist der Abstand zwischen den beiden Schienen. Die erfassen, ob die Gleise abgenutzt sind. Man kann die Güterwagen weiter kontrollieren, was getan wird, und, ja, man muss eigentlich sagen: Solange man nicht weiß, was für ein Muster dahinter steht, ist eigentlich auch schwer zu sagen, ob man eine bestimmte Maßnahmen ergreifen muss. Und gerade so ein Muster ist in der letzten Zeit einfach noch nicht zu erkennen gewesen. Achsbrüche hätte man erkannt, das sind so große und so schwere Unfälle, man denke an den ICE, man denke an den Güterunfall in Italien, das wäre berichtet worden. Man weiß, dass hin und wieder, dass mal einer Eisenstange auf der Schiene gelegen hat, man weiß, dass es mal eine Weiche gewesen ist, aber ein Musterst noch nicht zu erkennen.