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Ein Nachmittag auf der Rennbahn

Die Rennbahn Iffezheim in Baden-Baden zählt zu den elegantesten Galopprennbahnen Deutschlands. Doch nicht nur die Reichen und Schönen treffen sich hier. Am Wochenende wird die Rennbahn zum Ausflugsziel für jedermann, ob reich oder arm, jung oder alt: ein Nachmittag auf der 150 Jahre alten Galopprennbahn in Baden-Baden.

Von Susanne von Schenck | 31.08.2008
    Weites Grün vor malerischer Schwarzwaldkulisse: Baden-Baden - Iffezheim - das ist Deutschlands eleganteste Galopprennbahn. Nicht nur die eleganteste. Weil es vor 150 Jahren, als Spielbankpächter Jacques Benazet vor den Toren Baden-Badens die Rennbahn errichten ließ, keine deutschen Vollblüter gab, wurden die Rennen kurzerhand international ausgerichtet. Das sind sie auch heute noch.

    Dreimal im Jahr finden dort Meetings statt - so heißen die Galopprennen im Fachjargon. Familien, elegante Damen und Herren, Einheimische und Angereiste, Zocker und Händler - sie alle strömen dann auf das Renngelände vor den Toren Baden-Badens.

    "Wir sind ein wunderbarer Gemischtwarenladen. Wir haben hier die große Haute volee, jeder versucht sich, irgendwie schön zu machen, und wir haben aber auch die Freude, dass es ein Erlebnis für jedermann ist. Otto Normalverbraucher fühlt sich hier genauso wohl. Natürlich hat man hier Abtrennungen, man hat Tribünenplätze mit Rundumfood bis 200 Euro, Sie können aber auch für sieben Euro hier sich einen ganzen Tag amüsieren."

    Elke Krampe kennt sich aus. Seit dreißig Jahren betreut die resolute Frau mit Kurzhaarschnitt Gäste auf der Rennbahn. Die pferdebegeisterte Reiterin ist so etwas wie die gute Seele für Neueinsteiger in Sachen Galoppsport.

    Einen Nachmittag auf der Rennbahn herumzuflanieren, das hat für viele seinen Reiz. Auch immer mehr Familien haben die Rennbahn als abwechslungsreiches Ausflugsziel entdeckt. Für die ganz Kleinen gibt es Spielplätze und Ponyreiten, die größeren - wie zum Beispiel der neunjährige Michael - interessieren sich hingegen schon für die rasenden Vollblüter.

    "Dass es manchmal auch sehr spannend wird, wenn einer vorne liegt und dann müssen die zwei Runden reiten, das find ich spannend, wenn dann die Nummer sechs vorne ist - und sie kommt dann wieder nach hinten, dann ist auch das Risiko groß."

    Acht bis zwölf Rennen finden an einem Nachmittag statt. Ständig bewegen sich Menschen hin und her: vom Führring, wo die Vollblüter im Schritt herumgeführt werden, zum Wettschalter, wo sie auf ein oder mehrere Pferde Geld setzen und dann zur Rennbahn. Dort lassen sich Pferde und Jockeys noch einmal beim Aufgalopp beobachten, bevor das eigentliche Rennen startet.

    Jeder Wetter hofft, dass er auf das richtige Pferd gesetzt hat. Überall auf dem Rennbahngelände wird den Menschen das Geld aus der Tasche gezogen: an Würstchenbuden und Champagnerständen oder in der kleinen, eigens für die Meetings aufgebauten Zeltstadt. Tücher und Bücher, Souvenirs und Reitartikel werden dort angeboten. Und natürlich Hüte, denn Galoppsport und Hut gehören zusammen wie Topf und Deckel.

    "Ich find eigentlich einen Hut sehr schön - es ist die einzige Gelegenheit, um bei uns einen Hut zu tragen: das Pferderennen. Wenn überhaupt. Ansonsten gibt es keine Gelegenheit. Das ist sehr schade,"

    so eine Besucherin. Die Modelle, die Olivier Mauge ausgestellt hat, sind vom Feinsten: Kreationen mit bunten Blumengestecken, naturfarbene Quadrate mit schwarzem Tüll, extravagante Strohhüte. Die Preise liegen zwischen 80 und 1800 Euro.

    "Es ist wieder Spaß dran. Die Kunden finden es ganz witzig. Es gibt natürlich Kunden, die das ernster nehmen und sich auch vorbereiten, zu jedem Outfit den passenden Hut. Andere kommen hier rein um 14 Uhr, schönes Wetter, die Freundin hat auch einen Hut auf, jetzt will ich auch einen und spiel Madame im Grunde."

    Auch wenn die Hüte nicht gerade billig sind - das meiste Geld bleibt vermutlich an den Wettschaltern. Pferderennen ohne Wetten, das ist wie Angeln ohne Fische.

    Freundliche Mitarbeiter erklären Neuankömmlingen geduldig, wie das Wetten funktioniert. Zweier- oder Dreierwette? Setzt man auf Platz oder Sieg? Und vor allem: auf welches Pferd? Auch da hat Elke Krampe, die gute Seele der Rennbahn, wieder einen Rat.

    "Ich bin ein Wetter aus Spaß an der Freude mit meinen zehn Euro und gehe dahin und suche mir immer nur das schönste Pferd aus, was leider dann nicht immer gewinnt. Aber ich habe keine Lust, mir vorzuschreiben zu lassen: Ah, der große Favorit ist der und der, ich gehe zum Führring und schaue: Mm, der gefällt mir am besten, für mich gewinnt der."

    All das bunte Treiben auf der Rennbahn kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der deutsche Galoppsport in einer Krise befindet. Denn längst lassen die Leute nicht mehr soviel Geld beim Pferderennen wie früher. Rennvereine stellen fest: Seit dem Jahr 2000 sind die Wettumsätze um über 60 Prozent zurückgegangen. Das wirkt sich auch auf die Preisgelder aus. Trainer Werner Hefter lässt deshalb viele Pferde aus seinem Stall im Ausland laufen - damit die Besitzer auf ihre Kosten kommen.

    "Bei uns werden die Rennpreise kleiner, die Kosten werden höher. Wenn ich allein denke, was die Futterkosten die letzten Jahre gestiegen sind, die muss ein Trainer ja auch irgendwie weitergeben. Ein Trainer kann das nicht finanzieren. Aber wenn die Rennpreise fallen, dann ist das für die Besitzer natürlich auch schwierig zu sagen, wir kaufen uns ein Pferd. Wir haben speziell in Iffezheim den Vorteil: Wir sind in der Nähe zu Frankreich. Und wir gehen mit unseren Pferden sehr viel nach Frankreich rüber, weil da die Rennpreise sehr viel höher sind, dass man da die Besitzer noch mit zufrieden stellen kann."

    Adrie de Vries ist gerade aus dem Sattel gestiegen. Der 39-Jährige aus den Niederlanden gehört zu den Stars seiner Branche und wurde in Baden-Baden als bester Jockey ausgezeichnet. Wie seine Kollegen tourt auch Adrie de Vries von einem Rennen zum nächsten. Viele Jockeys arbeiten zwar für einen Stall, können aber auch von anderen gebucht werden. Manchmal lernen sie ihr Pferd erst im Führring kennen, jagen mit ihm über 2000 Meter Rennstrecke, und dann folgt nach kurzer Pause schon der nächste Ritt auf einem anderen Pferd.

    "Was macht ein gutes Rennpferd aus? Es muss auf jeden Fall Herz haben, Charakter, er muss gesund sein auf den Beinen, es muss über gut Kondition verfügen, die Lunge. Das ist eine Kombination von allem. Ein Pferd kann eine Riesengaloppade haben, aber wenn es das Herz nicht hat, den Charakter, dann kommt es auch nicht, andersrum auch nicht."

    Lucky Strike, Abbadjinn, Shinko's Best oder Princess Taipa heißen die Rennpferde, die vor allem im Führring hautnah zu erleben sind. Die hochgezüchteten Vollblüter sind für viele Pferdekenner die schönsten Geschöpfe überhaupt. Sie sind nicht allzu groß, schmal gebaut, sehr muskulös und außerordentlich schnell. Auf der Zielgeraden können sie eine Geschwindigkeit bis zu 70 Kilometern pro Stunde erreichen. Der Fotograf Andreas Brenner, der kaum ein Meeting in Baden-Baden auslässt, kann sich gar nicht sattsehen.

    "Für mich ist das Pferd das eleganteste Wesen überhaupt. Ich kann mir eigentlich nichts Schöneres vorstellen. Die Pferde hier sind trainiert, dünn, und für mich hat das mit Erotik zu tun. Wenn die geduscht werden nach dem Rennen - man sieht nur Muskeln. Man sieht vor dem Rennen, sie sind nur konzentriert, man schaut ihnen in die Augen, man sieht, dass sind keine Ponys, die hinter dem Hof stehen, sondern die haben eine Geschichte, sie wollen was erreichen. Ja, Ästhetik ist es für mich zu hundert Prozent, es gibt nichts Ästhetischeres."

    Der Galoppsport kann zur Sucht werden: für die Jockeys nach Geschwindigkeit, für die Besucher nach dem schnellen Geld beim Wetten, für die Pferdebesitzer nach dem Besitz des besten Vollbluts. Ein Nachmittag auf der Rennbahn, das bedeutet: große Spannung, viel Abwechslung - und Freude für das Auge, wenn Eleganz auf Kraft trifft.