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Ein neuer Blick auf amerikanische Klassiker

Die neue Ausstellung im Museum of Modern Art erzählt vordergründig die Kunstgeschichte der US-Moderne. Tatsächlich reflektiert sich eher die eigene Geschichte. Gezeigt werden 100 Werke, die zwischen 1915 und 1950 entstanden sind.

Von Sacha Verna | 21.08.2013
    Es sei eine spezifisch amerikanische Eigenschaft, ständig definieren zu wollen, was spezifisch amerikanisch sei, sagte der Kunsthistoriker Lloyd Goodrich einmal. Ganz besonders rangen die amerikanischen Künstler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts um eine eigene Identität, während in Europa ein -Ismus den nächsten jagte und Blaue Reiter über Brücken donnerten.

    "Da sei das Gefühl gewesen, man habe zur Kunstgeschichte noch nichts beigetragen, sagt die Kuratorin Esther Adler, und es gab den dringenden Wunsch, etwas zu schaffen, das kein blosser Abklatsch der europäischen Avantgarde war."

    Was damals in Amerika geschaffen wurde, zeigt die Ausstellung "American Modern: Hopper to O’Keeffe" mit 100 Werken von 50 Künstlerinnen und Künstlern aus den Jahren zwischen 1915 und 1950. Bilder, Skulpturen und Fotografien, darunter oft Gesehenes, aber auch selten Präsentiertes.

    Es beginnt mit oft Gesehenem. Edward Hoppers berühmtes "Haus am Bahndamm" von 1925 war das erste Bild überhaupt, das das Museum of Modern Art 1930 in seine Sammlung aufnahm. Stadt frisst Land, Moderne macht Idylle kaputt, so die gängige Lesart, die sich leicht auf verschiedene Arbeiten in dieser Schau anwenden lässt. Aber es gibt auch die Skulpturen von Elie Nadelman, die der Folk Art ebenso viel verdanken wie der eleganten Formensprache Amedeo Modiglianis. Oder Florine Stettheimer, deren bunte Leinwände zwischen Kinderbuchillustrationen, Horrorkabinetten und unakademischem Kitsch schwanken.

    Immer wieder taucht das Motiv der endlosen Felder auf, der einsamen Farmhäuser. Und im Gegensatz dazu das Schwitzen und Drängen in den Metropolen, etwa in George Bellows’ legendären Darstellungen von Boxkämpfen in New York oder in einer Gouache von John Marin, der den Asphaltdschungel Manhattans zum explodierenden Blumenstrauss bündelt.

    Unsere Vorstellung von jener Epoche sei von Werken wie diesen geprägt, sagt Ester Adler. Wir sehen das Amerika der schrillen Reklametafeln in Ralph Steiners Fotografien und das der megalomanen Architektur, die Walker Evans in seinen Aufnahmen auf Handtellergrösse geschrumpft und in abstrakte Details aufgelöst hat.

    Die Fotografie ist überhaupt das Medium, das der Abstraktion am nächsten kommt. Sei es in der sinnlichen Gestalt einer Paprika von Edward Weston oder in der eines Kragens auf Schachbrettmuster von Paul Outerbridge.

    Das Museum of Modern Art erzählt mit dieser Ausstellung weniger die Kunstgeschichte als solche neu, als die eigene. Gemeinhin geniesst das Whitney Museum den Ruf, der Hüter der modernen amerikanischen Kunst zu sein. Das Museum of Modern Art gilt als Tempel der Picassos, Matisses und Kandinskys, um die es sich zumal in einer Anfangszeit hauptsächlich bemühte. Stimmt nicht, sagt Esther Adler:

    Das Museum of Modern Art habe sich für die Künstler im eigenen Land damals genauso engagiert, wie es das heute für Künstler aus der ganzen Welt tue.

    Was nun das spezifisch Amerikanische der Werke in dieser Ausstellung angeht, so wird vor allem die Systematik deutlich, mit der einzelne Künstler einen einmal erarbeiteten Stil ausgeschöpft haben. Auffällig ist auch die Tendenz zum Gegenständlichen. Ansonsten aber wird in "American Modern: Hopper to O’Keeffe" einfach eine Vielfalt von Werken präsentiert, die zu besitzen das Museum of Modern Art zu Recht stolz ist.