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Ein Paradies für Kriminelle

Institut für religiöse Werke - das klingt mildtätig und großzügig. Tatsächlich verbirgt sich dahinter aber die Vatikanbank und die ist in den vergangenen Jahren in Verruf geraten. "Spiegel"-Journalist Fidelius Schmid hat "Gottes schwarze Kasse" geprüft.

Von Mirko Smiljanic |
    Diese Zahl muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Tarif einer Seligsprechung liegt derzeit bei 150.000 Dollar. Kirchenrechtlich muss man zwar ein Martyrium oder ein Wunder nachweisen, damit die Kirche bekundet, der Betreffende habe die Vollendung bei Gott bereits erreicht, erfahrungsgemäß ist das aber ein mühsamer und langer Prozess.

    Geschmeidiger laufen Seligsprechungen, wenn - diskret natürlich - 150.000 Euro auf ein Sonderkonto der Vatikanbank überwiesen werden: Zaster statt Wunder! Recherchiert hat diese Zahl Fidelius Schmid in seinem Buch "Gottes schwarze Kasse", in dem er Geschichte und Gebaren des Instituts für Religiöse Werke - kurz IOR - unter die Lupe nimmt. Eigentlich ein Geldhaus wie alle anderen auf der Welt. Oder doch nicht? Fidelius Schmidt:

    "Der größte Unterschied ist sicherlich, dass sie sich auf einem sehr kleinen Territorium befindet, das des Vatikans, und das hat über Jahrzehnte dafür gesorgt, dass, wenn Schmu in der Vatikanbank passiert ist, dass überhaupt nicht mit Strafverfolgungsbehörden kooperiert wurde, und das ist insofern interessant, dass, wer sein Geld im Vatikan lagert, dort keine Steuern zahlen muss, denn das gibt es dort nicht."

    Keine neuen Verschwörungstheorien
    Fidelius Schmid, hauptberuflich "Spiegel"-Redakteur, hat zwei Jahre lang Akten gelesen und Insider der Vatikanbank befragt. Kein Befeuern neuer Verschwörungstheorien sei sein Ziel, sondern eine schlichte Bestandsaufnahme. Begonnen hatte alles 1870 mit dem Verlust der päpstlichen Territorien. Das schmälerte nicht nur die Macht und Bedeutung des Vatikans, sondern bescherte ihm auch ein enormes finanzielles Problem. Als Reaktion investierte die katholische Kirche Spenden ihrer Mitglieder gewinnbringend in Wertpapiere und Firmen.

    Wirklich reich sei der Vatikan bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts aber nicht gewesen. Das änderte sich erst mit Benito Mussolini, der die "Römische Frage" - also den staatsrechtlichen Status des Vatikans - für seine politischen Ziele nutzte. Mussolini brauchte das Wohlwollen der katholischen Kirche, die katholische Kirche Rechtssicherheit und Geld. Besiegelt wurde der Deal am 11. Februar 1929 mit den Lateranverträgen, die dem Vatikan einen souveränen Staat und ein Milliardenvermögen bescherten. Schmid führt aus:

    Um die Dimension zu verdeutlichen: Die gesamten italienischen Staatseinnahmen betrugen zur damaligen Zeit nur zwanzig Milliarden Lire. Mussolini überließ der Kirche also knapp zehn Prozent seiner jährlichen Regierungseinnahmen. Wie gigantisch viel Geld der Kleinstaat - nicht größer als die Münchner Theresienwiese - bekam, wird deutlicher, wenn man die Lire von damals in heutige Kaufkraft umrechnet: Der Betrag dürfte rund 13 Milliarden Euro entsprechen.

    Effektive Kontrollen gab es nicht
    Soviel Geld musste professionell verwaltet werden, weshalb die bis dahin eher unprofessionell agierende Finanzverwaltung des Vatikans in den 40er-Jahren durch das Institut für Religiöse Werke ergänzt wurde. Ein genialer Schachzug mit weitreichenden Folgen, wie der Autor feststellt. Effektive Kontrollen, was die Kirchenbanker trieben, gab es nicht. Vielleicht wollte es auch niemand wissen, immerhin, so das Ergebnis von Schmids Recherchen, verdiente das IOR mit dubiosen Geschäften viel Geld für den Vatikan. Steuerhinterziehung sei offenbar besonders gewinnbringend gewesen. Fidelius Schmid fand heraus, …

    "… dass dort über 1000 Personen ein Konto haben, die laut Statut überhaupt kein Konto haben durften, also, die nicht wirklich zur Kirche gehörten, da gibt es ganz enge Definitionen, wer laut Satzung dort ein Konto halten darf, diese Leute hatten dort 300 Millionen Euro geparkt, und es gibt eigentlich keinen anderen Grund, und es gibt eigentlich keinen besseren Grund, als dort sein Schwarzgeld zu verstecken, weil, besser als in anderen Banken sind die Konditionen in der Vatikanbank auch nicht, und ich konnte auch mit Insidern sprechen, die das bestätigt haben. Ich sage deshalb 'vermutlich Schwarzgeld', weil letztendlich bestätigen, dass es Schwarzgeld war, könnte ja nur ein Gerichtsurteil, und weil das Geld immer versteckt war, kann man es auch nicht nachweisen."

    Schmids Resümee: Die Vatikanbank war - und ist in gewisser Weise immer noch - ein Paradies für Kriminelle: Nirgendwo hätten sich besser Drogengelder waschen lassen, nirgendwo hätte man diskreter kriminelle Deals abwickeln oder unsichtbare Bestechungsgelder parken können.

    Wie gefährlich solche Geschäfte waren, wurde in den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts deutlich. Roberto Calvi etwa, Ex-Manager der Banco Ambrosiano und eng mit der Vatikanbank vernetzt, wurde am 18. Juni 1982 in London erhängt unter einer Brücke gefunden. Angeblich hat der "Bankier Gottes" Selbstmord verübt. Einen Tag vorher war allerdings schon seine Sekretärin aus dem Fenster ihres Mailänder Büros zu Tode gestürzt.

    Internationaler Druck wächst
    Detailreich und spannend wie ein Krimi beschreibt Fidelius Schmid die kriminellen Verwicklungen der Vatikanbank: Wer sich mit dem Institut für Religiöse Werke einlässt - so das Grundmuster - hat irgendwann Probleme. Probleme hat mittlerweile aber auch der Vatikan mit seinem Geldhaus. Der internationale Druck wächst und damit auch der Wunsch kirchlicher Führer, man möge die IOR in ruhige Fahrwasser lenken. Nur wie? Fidelius Schmidt:

    "Man könnte das so umbauen, dass es im Prinzip zu einem Finanzier der Weltkirche wird, dass man Entwicklungsprojekt, die der Kirche wichtig sind, finanziert, dass man notleidenden Diözesen unter die Arme greift, also es gibt da ein ganzes Spektrum, das sich von dem unterscheidet, was bislang ist, denn bislang ist es Profitmaximierung."

    Macht Papst Franziskus ernst mit seiner Forderung nach Armut, wird ihm wohl nichts anderes übrigbleiben, als die Bank zu schließen, schreibt Schmid, der mit "Gottes schwarze Kasse" ein empfehlenswertes Buch über das Finanzgebaren der katholischen Kirche vorgelegt hat. Immerhin hat Papst Benedikt XVI. noch einen neuen Chef der Vatikanbank installiert, der das Geldhaus politisch präsentabel machen soll. Illusionen macht sich Ernst von Freyberg aber nicht. Geschäftsfreunde forderte er beim Amtsantritt auf: "Betet für mich."

    Fidelius Schmid: Gottes schwarze Kasse. Der Papst und die zwielichtigen Geschäfte der Vatikanbank.
    Eichborn-Verlag, 272 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 978-3-847-90541-7.