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Ein Paradies in Gefahr

Vor der neuseeländischen Küste spitzt sich der Kampf um den havarierten Frachter "Rena" zu. Wegen stürmischer See mussten die Rettungskräfte ihre Arbeit unterbrechen. Derzeit befinden sich noch rund 1200 Tonnen Schweröl an Bord des Containerschiffs. Einige Strände sind bereits verschmutzt.

Von Ingrid Kölle | 18.10.2011
    Bob Zuur, Meeresbiologe des World Wildlife Fund Neuseelands, hat in den vergangenen fünf Tagen mitgeholfen, Seevögel vor der Ölpest zu retten.

    "Die Bay of Plenty-Bucht ist für ihren herrlichen weißen Sand bekannt, für ihr sauberes Wasser und die wunderbaren Wellen zum Schwimmen und Surfen. Es lebt auch eine riesige Anzahl von Seevögeln hier. 10.000 Tölpel brüten in der Gegend. Es gibt Tausende von Sturmtauchern und Sturmvögeln und viele Zwergpinguine. Wir haben Delfine und Seehunde. Eine Woche vor dem Unfall zog ein Blauwal mit Jungem vorbei. Es handelt sich wirklich um ein Paradies, das verschmutzt wird."

    Albatrosse und Kormorane gehören zu den Tausenden Vögeln, die bereits verendet sind. Ölverschmierte Zwergpinguine machen über die Hälfte der Tiere aus, die mühsam vom Öl gereinigt werden. Mehrere stark gefährdete Arten wie die Maoriregenpfeifer oder die neuseeländischen Feenschwalben nisten in der Bay of Plenty, andere kommen zum Überwintern in die Gegend.

    "Insgesamt befanden sich 1700 Tonnen Öl auf dem Schiff. Man muss wissen, dass dieses Öl die Konsistenz von weichem Teer hat. Das heißt, wenn es festklebt, ist es eine echte Sauerei. Deshalb ist es sehr schwer, die Strände, Felsen und Vögel davon zu säubern. Falls das Schiff sinkt und das Öl langsam heraussickert, dann könnten wir sehr lang damit zu tun haben."

    Tausende von Helfern tragen das Öl von den Sandstränden ab. Es von den Felsen zu kratzen, ist fast unmöglich und muss der Natur überlassen werden. Besonders schlimm wäre es, wenn das Meeresschutzgebiet "Mayor Island Marine Reserve" betroffen würde. Es wurde 1993 geschaffen, um über 60 Fischarten und Meeresorganismen das Überleben zu sichern. Schwimmende Schutzwälle sollen die an die Küsten angrenzenden Feuchtbiotope schützen. Doch auch in den Mangroven- und Seegrasgebieten sind bereits erste Ölflecken aufgetaucht. Bob Zuur:

    "Öl kann über Jahrzehnte hinweg Giftstoffe freisetzen. An Flussmündungen gibt es eine größere Artenvielfalt, es leben mehr Organismen dort. Es ist ein Gebiet, das von Menschen sehr viel schwerer gereinigt werden kann. Aber auch der natürliche Reinigungsprozess ist sehr viel langsamer als an einem offenen Strand mit starken Wellen."

    Aber nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt ist der Ölunfall zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt gekommen. Neben der Landwirtschaft ist der Tourismus für die Bewohner der Gegend eine wichtige Einkommensquelle, sagt der WWF-Experte.

    "Bei uns wird es jetzt Sommer und die Touristensaison beginnt. In die Hafenstadt Tauranga kommen jährlich an die 80 Kreuzfahrtschiffe. Das Fischen ist auch wichtig, die kommerzielle Fischerei. Die einheimischen Maori sind für ihre Nahrung sehr auf den Fischfang und das Sammeln von Muscheln und andere Schalentieren angewiesen. Die Folgen für die Natur und Umwelt sind tragisch, aber der Unfall hat auch bereits bedeutende Auswirkungen auf die einheimische Bevölkerung."