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Ein persisches Märchen

Mit "Persepolis" schaffte die iranische Comic-Autorin Marjane Saptrapi ihren Durchbruch als Künstlerin. Auch ihr neuer Film "Huhn mit Plaumen" basiert auf einem Comic. Er ist ein lebendiges Porträt des kulturellen Schmelztiegels, der Persien einmal gewesen ist.

Von Josef Schnelle | 05.01.2012
    Im Presseheft des deutschen Verleihs ist das Rezept abgedruckt. Das muss wohl so sein, wenn ein Film "Huhn mit Plaumen" heißt. 400 Gramm persische Pflaumen der Alu-Art gehören dazu und Sultaninen und natürlich Hühnerkeulen. Im Grunde köchelt der Orient direkt aus dem Topf auf die Leinwand.

    Mit "Persepolis" schaffte die iranische Comic-Autorin Marjane SaptrapiIn ihren Durchbruch als Künstlerin. Auch ihr neuer Film "Huhn mit Plaumen" basiert auf einer "Graphic Novel", und wieder geht es um Iran als fernen Traum, der diesmal in den 50er-Jahren angesiedelt ist. Der Film ist ein lebendiges Porträt des kulturellen Schmelztiegels, der Persien einmal gewesen ist.

    Im Film spielt das Gericht nach einer Geschichte der iranischen Comic-Autorin Marjane Saptrapi eher eine untergeordnete Rolle. Und doch steht es ganz im Mittelpunkt der Familienerinnerungen, die Satrapi zu einer erfolgreichen "grafischen Novelle" verarbeitet hat, ganz so wie in "Persepolis", ihrem internationalen Durchbruch als Künstlerin, der, obschon absichtsvoll grob animiert, in Cannes viele Preise gewann und dann als Bericht über eine Kindheit im Iran seinen Siegeszug durch die europäischen Kinos begann.

    In "Huhn mit Plaumen" geht es wieder um Iran als fernen Traum, der diesmal in den 50er-Jahren angesiedelt ist. Es geht um einen Onkel, der der Musik zu sehr zugewandt ist. Daraus seine ganze Lebensansicht zieht. Selbst seine schöne Tochter beurteilt er danach und auch seiner Ähnlichkeit mit ihr.

    "Als Anhänger der Morphopsychologie war Nasser der Überzeugung, die physische Ähnlichkeit zwischen ihm und seiner Tochter beweise die Ähnlichkeit ihrer beider Seelen, womit er nicht Unrecht hatte: Sie waren beide intelligent, lebhaft, spirituell und hoffnungslos melancholisch."

    Kompliziert wird das alles dadurch, dass alles nicht so einfach ist, wie es scheint. Der Mann lebt zusammen mit einer Frau, die ihn, aber die er nicht liebt. Und dann gibt es noch die Lichtgestalt einer Frau, deren Liebe er nie hat wecken können und die also unerreichbar für ihn ist. Wir befinden uns in den schönen Niederungen des Melodrams, das auch durch überraschende Wendungen nicht so leicht aus der Bahn geworfen werden kann.

    Die schöne Schlichtheit der Comic-Strip-Zeichnungen findet sich im Realfilm wieder als naive schöne Einfalt der Inszenierung, an der der in Frankreich sehr bekannte Zeichner Vincent Paronnaud, der mit dem Satrapi seit Jahren ein Grafikstudio besitzt, beteiligt ist - wie schon bei Persepolis.

    "Huhn mit Pflaumen" ist sehr viel mehr als sein Vorgängerfilm ein orientalisches Märchen. Mit gebrochenen Versprechen und uneinlösbaren Hoffnungen. Die Hauptfigur Nasser-Ali wird von seinem Lehrer in die Geheimnisse der Kunst eingeführt, deren innerer Kern die Melancholie ist.

    "Was die Technik betrifft: Jeder Dummkopf beherrscht sie irgendwann. Es geht um die Kunst. Die Technik ist egal. Denn nur über die Kunst können wir das Leben verstehen. Das Instrument ist nur dazu da, um das Licht strahlen zu lassen."

    "Huhn mit Pflaumen" spielt in einer Zeit ohne Mullahs, in der Iran unter dem Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh nach Unabhängigkeit von der britischen Schutzmacht strebte, aber weder Diktatur noch Gottesstaat war. Marjane Satrapis Film ist insofern eine historisch vergangene Utopie, ein lebendiges Porträt des kulturellen Schmelztiegels, der Persien einmal gewesen ist.

    Zwischen Tag und Traum gibt es keinen Unterschied in diesem orientalischen Geschichtengespinst. Der Teufel kommt zu Besuch, ist sogar ein äußerst unterhaltsamer Kerl. Die Suche nach dem wundersamen Instrument - im Original ein persisches Tar, nun eine sehr europäische Geige - ist es in diesem Film, der alle poetischen Saiten erklingen lässt und einen wundersam verzauberten Kinoabend garantiert.

    Der große Mac-Guffin, nach dem alle suchen, dessen Besitz aber nicht das Glück garantiert, ist nicht leicht zu fassen. Die Suche führt in die persische Provinz. Dahin, wo ein Händler noch ein Händler ist, der vollmundig seine Ware anpreist.

    "Und hier. Das Wunder aller Wunder. Das erste Mal, als ich sie spielen hörte. Ohhh. Ich hab sofort gewusst: So etwas Erhabenes hab ich noch nie gehört. Nein wirklich, das war ... . allein der Gedanke daran bringt mich zum Weinen."