Fischer: Sie haben damit natürlich die Latte sehr hoch gehängt und gleich fürs erste Heft auch eine beeindruckende Liste von Mitarbeitern vorzuweisen. Von Arthur Miller und Umberto Eco über Gesine Schwan und vielleicht überraschend Rudolf Scharping und natürlich fehlen nicht die Interviews mit Horst Köhler und dem Bundeskanzler. Aber ist das denn schon eine Agenda-Setting oder nicht eher so etwas wie ein "anything goes"? Was Köhler sagt, hätte er jeder Tageszeitung auch erzählt.
Weimer: Wir sind ein Autorenmagazin, das heißt, wir laden Akteure, Politiker, Intellektuelle und Publizisten ein, herein zu treten in einen gedruckten Salon. Wir wollen unterschiedliche Meinungen, es ist kein Richtungsmagazin, sondern eines, was die Debatte eröffnen will, was den Meinungsstreit liebt. Wir laden Linke wie Konservative, Wirtschaftsliberale ein, miteinander um zentrale Fragen der Zeit zu streiten. Es geht uns nicht um esoterische Erkenntnisse, nicht um eine intellektuelle Nische sondern um die großen Fragen der Republik. Und da gehört es eben auch dazu, dass man den Bundeskanzler direkt befragt: wie geht es weiter mit ihm, mit Deutschland und auch den kommenden Bundespräsidenten befragt, der ja bisher auch etwas widersprüchliche Ansichten von sich gegeben hat und mal hinter die Kulissen schaut. Was macht diesen Mann aus, was ist sein Wertekanon, wie ist er geprägt und was will er mit diesem Amt anfangen, denn er ist ja in Deutschland noch relativ unbekannt. Insofern eröffnet dieses Interview ein schönes Feld.
Fischer: Sie haben vorher gesagt, es soll keine vorgegebene Richtung geben. Für den Aufbruch im Denken ist ihr eigener kleiner Essay am Schluss des Bandes ja aber sehr pessimistisch geraten. Er handelt von zu viel Ironie in einem Land mit zu viel falschen Rhetoren, könnte man vielleicht sagen, in dem Äußerlichkeit, Oberflächlichkeit, Uneigentlichkeit auch im Sprechen und Denken herrschen statt eben dieser Sinn für die res publica. Fürchten Sie nicht, dass Sie mit genau den Menschen, die an dieser Oberflächlichkeit im Alltag, sprich Politiker, tagtäglich mitwirken, jetzt sozusagen die andere Seite formieren wollen und kann das denn gut gehen?
Weimer: Ich glaube, dass in der Krise, in der dieses Land und unser politisches System steckt und übrigens auch die Medien, die Antwort nicht lauten kann: Sparen, Boulevardisierung des öffentlichen Denkens und Nutzwertjournalismus. Wir versuchen das Gegenteil. Wir investieren, machen einen Salon auf und setzen auf Denkwert. Es gibt so etwas Emblematisches wie eine neue Ernsthaftigkeit. Da wird im Moment viel drüber geredet, es ist aber auch viel wahres dran. Nach dem großen Spaßjahrzehnt, dem ökonomisch überbordenden Kapitalismus der 90erjahre haben wir seit dem 11. September, mit der Weltwirtschaftskrise, mit unseren politischen Verwerfungen wieder ernste Fragen auf der Tagesordnung. Wir reden über Krieg, Terrorismus, Weltwirtschaftskrise. Dinge, an die wir vor fünf Jahren nie gedacht hätten. Insofern fügt sich Cicero ein in die ernste Betrachtung von großen relevanten Themen und ist ein Stück Gegenmodell zum Firlefanz der Talkshowgesellschaft.