Günter Eich, Friedrich Dürrenmatt, Ingeborg Bachmann, Ernst Jandl, Friederike Mayröcker ...würde man sie einmal Revue passieren lassen, die 51 Damen und Herren, die den "Hörspielpreis der Kriegsblinden" seit seiner Gründung im Jahr 1951 entgegennahmen, würde der diesjährige Preisträger, Christoph Schlingensief, ganz sicher aus der Reihe tanzen. Als verspielter Provokateur mit Sinn für das ursprünglich Theatralische eines öffentlichen Auftritts ist Schlingensief republikweit berühmt und berüchtigt. Ob er eine Fernsehshow mit Behinderten besetzt, sich vor Jürgen Möllemanns Amtssitz als Plakatierer betätigt oder – wie derzeit – bei der Kunstbiennale in Venedig sein Projekt "Church of Fear" (Kirche der Angst") startet: ein siebentägiges "Pfahlwettsitzen" von "Sieben Säulenheiligen" neben einer nachgebauten Kirche – stets sorgen seine fantasievollen Aktionen für heftige Diskussionen. Am Montag, den 7. Juli wird nun auch Christof Schlingensief eine Statuette aus der Werkstatt eines blinden Künstlers in Händen halten, und zwar im Bundesrat – einem Ort, den einer seiner Vorgänger, damals in den Zeiten der außerparlamentarischen Opposition , aus politischen Gründen verschmähte. Im Jahr 1991 erzählte uns der inzwischen verstorbene Gründer des Preises, Friedrich W. Hymmen, von den organisatorischen Schwierigkeiten um den Preisträger Wolf Wondratschek:
Bei Wondratschek hatten wir Schwierigkeiten mit der Verleihungsfeier. Die Verleihung findet in der Regel im Bundeshaus in Bonn statt, im Bundesratsplenarsaal mit Beteiligung eines hohen Ehrengastes. In diesem Jahr hatte Bundespräsident Heinemann zugesagt zu kommen. Nun sagte aber Wondratschek, ins Bundeshaus wolle er nicht kommen. Als Demonstrant habe er nicht einmal vor das Bundeshaus kommen dürfen und jetzt als Autor hinein zu gehen – das lehne er ab. Wir mussten also den Bundespräsidenten wieder ausladen und haben statt der Verleihungsfeier eine Diskussionsrunde beim Westdeutschen Rundfunk in Köln organisiert.
Man darf gespannt sein, wie Schlingensief diesen öffentlichen Auftritt zwischen Staat und Rundfunk, kriegsblindem Publikum und geladener Politprominenz inszeniert. Vielleicht überrascht der künftige Bayreuth-Regisseur uns alle und ist einfach mal ganz brav?
"Rosebud", das Hörspiel, für das Christof Schlingensief den "Hörspielpreis der Kriegsblinden" zugesprochen wurde, ist am Tag der Preisverleihung im Westdeutschen Rundfunk zu hören, am 7. Juli um 23.05 auf WDR 3. Am darauffolgenden Samstag, dem 12. Juli also, strahlt es der Deutschlandfunk aus, 12. Juli, 20.05