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Ein Radiopionier

Der Sportjournalist Ernst übertrug 1925 zum ersten Mal in Deutschland ein Fußballspiel live im Radio. Doch leider war damals keine Tonaufzeichnung möglich, der Radiopionier geriet schnell in Vergessenheit. Doch wer weiß, wie die deutsche Rundfunkgeschichte ohne ihn verlaufen wäre.

Von Dietmar Alexy | 02.12.2012
    Fast auf den Tag genau zwei Jahre alt war das junge Medium Hörfunk in Deutschland am 1. November 1925. Immer mehr wollten damals die ersten Radiomacher mit dem Mikrofon das Leben vor Ort beschreiben, statt nur aus dem Studio zu senden. Der damals erst 26-jährige promovierte Journalist Bernhard Ernst setzte einen Meilenstein. Drei Jahre nach seiner Promotion zum Thema "Sportpresse und Sportberichterstattung" übertrug er zum ersten Mal ein Fußballspiel live.

    Es war der 5:0-Auswärtssieg von Arminia Bielefeld in Münster, eine Gauliga-Partie. Sein Arbeitgeber hieß Westdeutsche Funkstunde, ein Vorläufer des späteren Westdeutschen Rundfunks. Da im besetzten Rheinland Funk verboten war, lag die Sendezentrale zunächst knapp außerhalb der Besatzungszone in Münster. Bei seiner Übertragung befand sich der Reporterplatz noch direkt hinter einem der beiden Tore.

    Als das Spiel anfing, war Ernsts Stimme anfangs nicht zu hören. Doch ein Telefon ersetzte sein Mikrofon und rettete ihn. Erst nach der Partie stellte sich heraus, dass ein Posttechniker die für ihn völlig neue und rätselhafte Schaltung kurzerhand gekappt hatte. Trotzdem erwies sich die Übertragung als wegweisend. Bei den Hörern erntete die Sendung viel Beifall. Schnell gehörten Fußballreportagen zum festen Bestandteil der Programme.

    Ab 1926 mit dem alljährlichen Höhepunkt, dem Endspiel um die Deutsche Meisterschaft. Die Einschaltquoten explodierten: Waren es 1924 noch geschätzte 10.000, stiegen sie zwei Jahre später auf 780.000. Die Berichterstatter erlangten große Beliebtheit. Auch nach der Verlegung des Senders von Münster nach Köln 1926 blieb Ernst Leiter der Nachrichten- und Sportabteilung.

    Eine weitere Pioniertat verpasste er allerdings: Nämlich die erste Live-Übertragung eines Fußball-Länderspiels. Denn beim Spiel Deutschland gegen die Niederlande 1928 im Düsseldorfer Rheinstadion strömten 10.000 Zuschauer ohne Eintrittskarten in das bereits ausverkaufte Stadion. Dadurch war eine Übertragung aus dem Innenraum nicht möglich, und auch den Ersatzplatz auf den Rängen erreichte er viel zu spät. Wie schon bei seinem ersten Einsatz, funkte auch diesmal wieder ein Postinspektor dazwischen. Der Laie hatte das verwaiste Mikrofon gesehen und übertrug bereits durchaus fachkompetent das Spiel. Zudem übertrug Ernst auch politische Ereignisse wie den Besuch des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg 1930 in Trier:

    "Feier anlässlich des Besuchs des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg in Trier. Es spricht jetzt seine Exzellenz, der Herr Reichspräsident von Hindenburg:" - "Möge für uns alle bald der Tag nahen, wo wir ein freies, in seinem Ziel einiges, gefestigtes, starkes und gesundes Deutschland feiern können."

    Ein Jahr später nahm zum ersten Mal eine Deutsche Fußball-Nationalmannschaft an einer Weltmeisterschaft teil. Den 2:1-Sieg im Viertelfinale gegen Schweden in Mailand schilderte ein weiterer Rundfunkpionier, der heute nicht mehr bekannt ist:

    "Deutschlands linker Verteidiger Busch, hervorragend in Form gekommen, lässt den schwedischen rechten Flügel nicht mehr zur Entfaltung kommen. Jetzt ist der Schwede dennoch vor mit einem hohen Ball, ... , die Schweden haben ein Spiel, ein Tor aufgeholt. Mit einem Scharfschuss aus rechtem Winkel erzielte Dunker ein Gegentor."

    Bernhard Ernst verzichtete zur damaligen Zeit auf den Eintritt in die NSDAP und wurde lediglich Mitglied der "Deutschen Arbeitsfront", kurz DAF. Seine leitende Position im Rundfunk behielt er aber trotzdem und gehörte auch bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin zu den bekanntesten Kommentatoren. Nach dem Krieg blieb er leitender Redakteur, nun beim damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk.

    Neun Jahre später verpasste er es ein weiteres Mal, im Gedächtnis haften zu bleiben. Zwar übertrug Ernst am 4. Juli 1954 das WM-Endspiel Deutschland gegen Ungarn live im Fernsehen. Eine Bildaufzeichnung war damals technisch noch nicht möglich. Das Band mit dem Ton verschwand. So wurde nur die Hörfunkreportage seines Kollegen Herbert Zimmermann berühmt.