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Ein Schauspieler als Bundespräsident?

Wenn sich demnächst die Bundesversammlung konstituiert, um einen Bundespräsidenten zu wählen, dann wird gegen den Amtsinhaber Horst Köhler neben der sozialdemokratischen Kandidatin Gesine Schwan noch Peter Sodann antreten. Er ist eine der letzten verbliebenen Identifikationsfiguren aus dem Kulturbetrieb der alten DDR und tritt für die Partei "Die Linke" an. Schon seine Kandidatur ist ein kleines kulturelles Politikum.

Von Michael Laages | 14.10.2008
    Schon sein Name als "Tatort"-Kommissar war ja Programm, Über-Programm sogar - "Ehrlich" war nicht genug, als Ermittler in und um Leipzig hieß Peter Sodann "Ehrlicher". Ehrlicher ging's dann wirklich nicht - und niemandem sonst ist es wie dem einstigen Intendanten des Neuen Theaters in Halle gelungen, in allem bräsigen Biedersinn, in aller einfachen Alltäglichkeit ein Stück zu bewahren von jener DDR, wie sie diejenigen immer beschworen haben, die sie gar so schlimm nicht fanden. Nicht für den lauthalsen Widerstandsgeist der Bier-Männer und -Frauen stand Sodann, sondern für die intelligenteren Überlebensstrategien im real-sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat. Er hatte sich obendrein für nichts zu entschuldigen - neun Monate Knast für ein paar überfreche Sprüche im "Rat der Spötter"-Kabarett zu Beginn der 60er Jahr, gleich nach Mauerbau, verschafften ihm eine Aura, von der sich lange zehren ließ; und wenn die aufstrebende Theater-Boheme der schon schwächelnden DDR, all die Castorfs und die Tragelehns, auf ein paar leitende Funktionäre im System der prinzipiell staatstragenden Theater nichts kommen ließen, dann war dieser Peter Sodann immer dabei - weil er sich an seinem Neuen Theater in Halle allemal schützend vor manchen Künstler-Kollegen stellte, der weitaus unanpassbarer war als er selber. Sein Beziehungsgeflecht war sehr fein gesponnen; und mittendrin war nicht er nur ehrlich, sondern eben ehrlicher.

    Wer allerdings vor drei Jahren darüber staunte, dass dieser Peter Sodann nunmehr bereit sein sollte, für die damalige PDS den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl zu spielen, der hatte zuvor dann wohl doch nicht so genau hingeschaut - die Hallenser Lokalgröße warf die inzwischen bundesweite Bildschirm-Prominenz in die Waagschale für die Partei, die ihm jetzt, im neuen Deutschland, als Wahrer der Interessen der neuen Bundesländer erschien. Als er kandidieren wollte, drohte ihm der Mitteldeutsche Rundfunk mit Rausschmiss - und da war ihm dann prompt der "Tatort" lieber als das Parlament. Jetzt kann ihn keiner mehr rausschmeißen - die Präsidentschaftskandidatur ist insofern mit Sicherheit auch ein kleine Rache des Fernseh-Rentners. Sodann ist 72 inzwischen; voriges Jahr zog er gar als kabarettelnden Nörgel-Greis mit dem Wessie-Kollegen Norbert Blüm durch die Lande. Ihm kann jetzt keiner mehr. Er macht was er will.

    Und die Partei, nun unter dem Namen "Die Linke" vereint, darf sich freuen - nicht weil es wirklich um etwas ginge bei der Wahl, nicht mal um das Zünglein-an-der-Waage-Spiel. Das spielt wieder, wie früher auch, die FDP. Auch Gesine Schwan darf sich freuen - ist sie doch der Peinlichkeit enthoben, womöglich auch von ganz Linken mit gewählt zu werden und sich später dafür wortreich entschuldigen zu müssen. Und auch der herrschenden Mehrheit macht Sodanns Kandidatur die Sache nur leichter. Bei soviel Freude andernorts muss dann allerdings doch die Frage gestattet sein, ob er selber, dieser vieler Ehren werte Peter Sodann, sich einen derart fruchtlosen Eiertanz als späten Kürlauf wirklich zumuten muss; angesichts all Häme, die in den kommenden Tagen über ihm ausgekübelt werden wird: als Marionette, als Hampelmann von Oskars Gnaden.

    Er wird das anders sehen - und sagen, dass er ja gar nicht muss, sondern will. Für "seinen" alten Osten. Und dass er sich im übrigen mittlerweile weder vom MDR noch von sonst wem erklären lassen wolle, warum er damit nun unbedingt im Unrecht sein sollte.

    Stellen wir ihn uns aber abschließend für eine halbe Minute nur als Sieger vor: Ehrlicher, wie er das diplomatische Corps zu Neujahr empfängt, Ehrlicher, wie er Ruck-Reden hält, Ehrlicher, wie er das Demissionsschreiben der Kanzlerin entgegen nimmt, wenn die Große Koalition doch noch platzt vor der Zeit; Ehrlicher, wie er Einweihungs- und Eröffnungsreden hält - langsam, bedächtig, gediegen. Und, nicht zu vergessen, sächsisch - als der Mann, der nicht Columbo war, sondern der sächsische "Golombo". Wenn er nicht ehrlicher, sondern nur ehrlich ist, wird er jetzt schon wissen, wie er all das hassen wird.