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"Ein Schritt zur Versachlichung der Debatte"

Der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Rudolf Georg Adam, hat den russischen Vorstoß zu den Raketenabwehrplänen der USA begrüßt. Der Vorschlag von Präsident Putin zur gemeinsamen Nutzung der Radaranlage in Aserbaidschan, sei ein Schritt zur Versachlichung der Debatte. Angesichts der anstehenden Wahlen in Russland und den Vereinigten Staaten sei aber nicht mit einem baldigen Kompromiss zu rechnen, sagte Adam.

Moderation: Bettina Klein | 11.06.2007
    Bettina Klein: Am Telefon ist Rudolf Georg Adam, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Gut Wetter in Heiligendamm machen und dann kann der Vorschlag auch wieder zu den Akten - war das nach Ihrer Ansicht das Ziel von Putin?

    Rudolf Georg Adam: Das glaube ich nicht. Zunächst mal hat er ja anerkannt, dass sich die amerikanischen Abwehrpläne gegen den Iran und nicht gegen Russland richten, was ja vor Heiligendamm durchaus kontrovers war.

    Klein: Das heißt, nach Ihrer Ansicht ist dieser Vorschlag auch dazu geeignet, insgesamt längerfristig den Streit zu entschärfen zwischen Washington und Moskau?

    Adam: Das ist noch zu früh zu sagen. Man muss die Details sicherlich prüfen, und dazu gehört, ob die Geografie stimmt, dazu gehört, ob Gabala technisch hinreichend ausgerüstet ist. Es ist sicherlich ein Schritt zur Versachlichung der Debatte.

    Klein: Ist denn nach Ihrer Ansicht die Zeit reif, bereits für eine gemeinsame Raketenabwehr der Russen und der Amerikaner?

    Adam: Es kommt darauf an, was Sie unter einer gemeinsamen Raketenabwehr verstehen.

    Klein: Das, was Putin jetzt vorgeschlagen hat…

    Adam: Bush hat ja bereits angeboten, die Daten mit den Russen zu teilen. Die Frage ist, wie weit man auch technisch zusammenarbeitet. Und da ist es natürlich ein Unterschied, ob amerikanische Techniker in Aserbaidschan arbeiten oder russische Techniker mit in die amerikanische Station in Polen oder Tschechien kommen.

    Klein: Aber abgesehen von technischen Fragen, ist das politisch auch die richtige Option, dass sich beide da nebeneinander stellen?

    Adam: Das hat ja auch die amerikanische Regierung immer wieder betont, dass sie in dieser Frage nicht gegen Russland, sondern mit Russland zusammenarbeiten will.

    Klein: Wovon sollten die Amerikaner jetzt die Prüfung dieses Vorschlages abhängig machen?

    Adam: Zunächst einmal sind die Techniker und die Leute, die ballistische Kurven berechnen können, am Werk. Ob es die richtige geografische Lokation ist, ob es technisch alles ausreicht, darüber kann ich kein Urteil fällen. Ich höre nur, dass es da doch ganz ernsthafte Bedenken gibt, und die wird man jetzt in den nächsten Tagen prüfen.

    Klein: Erste Reaktionen aus Washington und auch vom Präsidenten kamen ja schon beim Besuch in Polen bereits. Es wird bei den Plänen Stationierung in Polen und Tschechien bleiben. Das klang natürlich schon ein wenig danach, gut, wir haben den Vorschlag gehört, Aserbaidschan, aber im Grunde genommen werden wir an unseren Planungen nichts ändern.

    Adam: Ich denke mal, dass die Amerikaner diese Planung sehr sorgfältig vorbereitet haben. Solange jedenfalls nicht klar ist, dass die Alternative tatsächlich gangbar ist, würde ich auch in einem laufenden Projekt zunächst einmal nicht alle Bremsen ziehen.

    Klein: Und sich alle Optionen offen halten?

    Adam: So ist es.

    Klein: Was sagen denn aber, Herr Adam, die Polen und Tschechen, wenn Bush auf die Vorschläge Putins eingehen würde. Was sagen sie, die dann erleben, dass ein solches gemeinsames Projekt mit den USA nicht zustande kommt in dem Moment, wo es Moskau nicht passt?

    Adam: Ja, genau das ist der Punkt. Hier wird immer von Russland und Amerika geredet. Meines Wissens hat man die Aserbaidschaner noch überhaupt nicht gefragt. Ich weiß nicht, wie die aserbaidschanische Regierung sich zu diesem Vorschlag gestellt hat.

    Klein: Ja, die haben schon gesagt, es wäre ihnen recht.

    Adam: Gut, dann ist die zweite Frage, was werden die Polen und Tschechen sagen, wenn man mit ihnen ein solches Projekt aushandelt und sie dann plötzlich im Regen stehen werden.

    Klein: Und was ist Ihre Antwort?

    Adam: Ich kann es Ihnen nicht sagen. Das wird sich in den ganzen Prüfungen, die jetzt in Washington laufen, herausstellen.

    Klein: Aber die Frage ist ja, Herr Adam, ist denn der Eindruck richtig, dass Putin damit auch den Zugriff auf den einstigen sowjetischen Einflussbereich behalten will, indem er signalisiert, wenn ich kein Einverständnis gebe, wird es ein solches System nicht geben in Polen und Tschechien, und Washington wird dann eben einlenken?

    Adam: Das ist, glaube ich, viel zu früh. Es war immer klar, dass Russland in derartigen Fragen, vor allem, wenn es entscheidende Fragen der eigenen Sicherheit sind, kein Veto hat, genauso wenig wie es ein Veto der westlichen Welt in Fragen der russischen Sicherheit geben kann. Aber es ist natürlich klar, dass wir versuchen wollen, gerade bei einem derartig heiklen Projekt, dieses im Konsens zu machen und hier keine neuen Gräben aufzureißen.

    Klein: Sollten die Amerikaner sich nicht darauf einlassen, wie groß ist dann die Gefahr, dass Putin dann den Westen, sprich die Amerikaner, für ein verschlechtertes Verhältnis verantwortlich macht?

    Adam: Sie können natürlich leicht jedermann für alles Mögliche verantwortlich machen. Ich glaube, dass es hier immer wieder gerade in der letzten Zeit Initiativen gegeben hat, die Russen mit einzubeziehen. Wie weit sie sich einbeziehen lassen wollen, nun, das werden die nächsten Tage zeigen. Sie dürfen eines nicht vergessen: In Russland stehen Wahlen bevor, die Amerika stehen Wahlen bevor, und der Vorabend von wichtigen Wahlen ist immer eine schlechte Zeit, um Kompromisse zu machen.

    "Kosovo braucht eine klare unbestrittene politische Autorität"
    Klein: Lassen Sie uns noch auf einen anderen Aspekt, auf ein anderes Thema kommen. Georg Bush hat gestern Albanien besucht. Thema war dort natürlich auch der umstrittene Status des Kosovo. Man hatte schon den Eindruck, dass der amerikanische Präsident doch sehr stark aufs Tempo drückt. Er hat signalisiert, er wird sich für eine Unabhängigkeit des Kosovo einsetzen, auch wenn Serbien und Russland weiterhin beim Widerstand bleiben würden. Was heißt das für Sie?

    Adam: Zunächst einmal ist der Zeitdruck aus dem Lande heraus zu verstehen. Kosovo ist jetzt seit acht Jahren in einem Schwebezustand. Die Kosovaren wollen Klarheit haben, auch der ganze wirtschaftliche Wiederaufbau dieses Landes kann ja nicht vorangehen, wenn nicht geklärt ist, wer eigentlich welche Genehmigung dauerhaft erteilen kann. Kosovo braucht eine klare unbestrittene politische Autorität, und wenn sie nicht kommt in absehbarer Zeit, würde ich nicht ausschließen, dass es dort unten wieder sehr unruhig werden kann. Sie hatten ja schon mal einen Ausbruch von Unruhen im März 2004.

    Klein: Was bedeutet aber ein Szenario, das lautet: Wir werden uns für die Unabhängigkeit des Kosovo einsetzen, auch gegen den Widerstand Serbiens und Russlands?

    Adam: Zunächst mal muss man sehen, dass ja mit dem Ahtisaari-Plan ein sehr vernünftiger ausgewogener Plan auf dem Tische liegt. Der Versuch, in die Situation, wie sie jetzt sich ergeben hat, nämlich in eine Art Sackgasse wieder neue Bewegung hineinzubringen. Die Verhandlungen in Wien haben ergeben, dass weder die Serben noch die Kosovaren selbst unter der Vermittlung von Ahtisaari bereit waren oder in der Lage waren, wirklich eine gemeinsame Sprache zu finden. Ich halte es für sehr utopisch zu glauben, dass das nun, was in den letzten zwei Jahren nicht möglich gewesen ist, in den nächsten zwei Monaten möglich sein wird.

    Klein: Rudolf Georg Adam war das, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Adam.