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Ein Schwärmer in Seelennöten

Die einen halten ihn für eine eher komische Randfigur der Literaturgeschichte, andere sehen in ihm einen vollendeten lyrischen Formkünstler, einen scharfe Kritiker der Romantik und einen unbeugsamen Idealisten: August Graf von Platen-Hallermünde ist auch heute noch umstritten.

Von Robert Schurz | 05.12.2010
    "Jenes zeigt ihn ganz wie er ist, mit all seiner blühenden Welkheit, seinem Überfluss an Geistesmangel, seiner Einbildung ohne Einbildungskraft, pikiert ohne pikant zu sein, eine trockene Wasserseele, ein trister Freudenjunge."

    Man könnte nach diesem Urteil von Heinrich Heine meinen, der Dichter August Graf von Platen-Hallermünde sei eine ausgemachte Witzfigur gewesen: Ein sich selbst stilisierender Poet, höchst empfindlich und leicht irritierbar, der jedoch das Pech hatte, von seiner Mitwelt nicht ganz ernst genommen zu werden. Literaturhistoriker sind sich einig, dass solche Schmähungen dem dichtenden Grafen nicht gerecht werden; allerdings ist nicht alles, was Heine an Platen moniert, völlig aus der Luft gegriffen.

    "So wie die riesenförmige Gestalt,
    Der Eiche prangt im Tannenwald,
    so strahlte auch von jener Freier Chor,
    Zwei mächt'ge Ritter aus der Menge vor."


    Platen war einer der größten Sonetten- und Oden-Dichter, die Deutschland je hervorgebracht hat. Zudem führte er die persische Kunstform der Ghaseln als einer der ersten in die deutsche Literatur ein. Seine bevorzugten Themen: das edle Wort und Männerfreundschaften. Seine homoerotische Neigung, von Heine übel verspottet, brachte den Dichter in ständige Seelennöte.

    "Durch des Leibs Organe wühlen,
    Durch die Nerven Zucken Schmerzen,
    Doch die Kraft in meinem Herzen,
    wird nicht müde, dich zu fühlen."


    1796 als Spross einer verarmten adeligen Familie im fränkischen Ansbach gebo-
    ren, war für ihn die Militärlaufbahn vorgesehen. Bereits ab seinem 15. Lebensjahr versuchte er, seinen Empfindlichkeiten lyrischen Ausdruck zu geben und ersuchte immer öfter um Befreiung vom militärischen Dienst. Platen war ein Schwärmer - immer schnell begeistert, immer schnell verliebt, immer schnell enttäuscht. Dieser Charakterzug führte zu einer enormen literarischen Produktivität. Dabei tat er sich durch eine Betonung der strengen Form hervor - sicher eine Reaktion auf die damalige Mode der Romantik, mit literarischen Konventionen zu brechen.

    1818 ließ sich Platen vom Dienst beurlauben, ging nach Würzburg, um Rechtswissenschaften zu studieren, verliebte sich, wurde brutal zurückgewiesen. Danach suchte er in Erlangen sein Glück. Hier entstanden die ersten Theaterstücke wie "Die verhängnisvolle Gabel" oder "Der romantische Ödipus", Komödien, von denen einige wenige auch aufgeführt wurden. Er verehrte Schelling, verkehrte mit Rückert, den Brüdern Grimm, Justus Liebig und suchte Kontakt zu Goethe, den er anbetete und dem er nachzueifern strebte.

    "Dich selbst, Gewalt`ger, den ich noch vor Jahren
    Mein tiefes Wesen witzig sah verneinen,
    Dich selbst nun zähl' ich heute zu den Meinen,
    Zu denen, welche meine Gunst erfahren."


    1826 reiste Platen zum ersten Mal nach Italien: Venedig, Rom, Neapel und zahlreiche andere Städte sollten seine neue Heimat werden. Auch hier litt er immer wieder unter finanziellen Engpässen, produzierte aber weiter lyrische Werke und eröffnete eine antisemitisch geprägte Polemik gegen Heinrich Heine, der Platens klassizistischen Stilwillen verurteilt hatte:

    "Täglich bedank du dich im Gebet, o hebräischer Witzling,
    dass bei Deutschen und nicht unter den Griechen du lebst:
    Solltest du nackt dich zeigen im männlichen Spiel der Palästra,
    Sprich, wie versteckst du dann den verstümmelten Teil?"


    Heines Reaktion ließ nicht lange auf sich warten, worauf ein Poeten-Streit, eigentlich eine Schlammschlacht folgte, aus der beide nicht unbeschadet hervorgingen. Platen, weiterhin meist unglücklich und von der Welt enttäuscht, wurde zunehmend hypochondrisch. Auf der Flucht vor der Cholera holte er seinen lange geplanten Sizilienbesuch nach: Dort erlitt er eine heftige Magenkolik. In dem vermeintlichen Glauben, er habe sich angesteckt, verordnete er sich selbst große Mengen an Medizin.

    Am 5. Dezember 1835 starb August Graf von Platen in Syrakus - wahrscheinlich an den Folgen seiner eigenen Medikation. Was bleibt? Ein umfangreiches Werk, ein kurzer, aber bemerkenswerter Nachruhm und eine Menge Stoff für Schulbücher und lyrische Anthologien.