Christoph Schmitz: Helga Hirsch in Berlin, wie sehen die Reaktionen in Polen genau aus? Sie haben heute die Presse dort gesichtet.
Helga Hirsch: Ja, sie sind sehr zwiespältig, das heißt überwiegend negativ. Man kann ja diesen Besuch in doppelter Hinsicht bewerten. Einerseits, es gab keine konkreten Ergebnisse, andererseits war eine sehr freundliche Atmosphäre, die sich ja wohltuend abhob von den bisherigen Besuchen von Premier und Präsident Kaczynski. Und die eine Seite der polnischen Presse bewertet nun die Atmosphäre, das war überraschenderweise sogar das Fernsehen, was sonst mehr auf der Kaczynksi-Seite stand, und die große, überregionale Zeitung "Gazeta Wyborcza". Aber die drei anderen großen, überregionalen Zeitungen heben hervor, dass es eben überhaupt gar keine konkreten Ergebnisse gab, das Tusk eine Niederlage erlitten hat. Und die Konklusion ist, nicht wir Polen sind Schuld, also nicht unsere angeblich antideutschen Reflexe oder die antideutsche Politik der Brüder Kaczynski, sondern die harte Haltung von Frau Merkel, sogar von Frau Merkel in Berlin.
Schmitz: Haben denn die polnischen Kommentatoren ernsthaft geglaubt, dass die Bundesregierung ihren Plan für ein Dokumentationszentrum in Berlin aufgeben würde nach der Intervention von Tusk?
Hirsch:! Na, ich denke, die Polen haben versucht, seit einiger Zeit zurückzurudern. Es geht ja nicht mehr insgesamt gegen dieses sogenannte "sichtbare Zeichen gegen Vertreibungen", sondern es spitzt sich immer mehr zu auf die Person von Frau Steinbach. Es ist also die letzte Rückzugsposition, an der sich jetzt Polen offensichtlich messen lassen will, ob ihnen ein gewisser Erfolg oder ein gewisses Entgegenkommen von Berlin beschieden ist. Ich halte das für etwas dumm, was da augenblicklich passiert. Und obwohl ich der Meinung bin, dass dieses Museum über den Zweiten Weltkrieg ist ja tatsächlich, wie Angela Merkel sagte, eine interessante Idee, nur sie einen Tag vor dem Besuch aus dem Hut zu zaubern, ist natürlich denkbar ungünstig, wenn man eine ernsthafte Diskussion darüber haben will.
Schmitz: Vielleicht noch ein Wort zu Erika Steinbach. Weiß man denn in Polen zu wenig über die deutschen Pläne und auch die Vorstellungen des "Zentrums gegen Verteibungen" des Vertriebenenbundes, für den ja Erika Steinbach steht, dass hier nämlich nicht Täter und Opfer verwechselt werden, sondern dass die Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa als Folge von Hitlers Vernichtungskrieg klar gesehen wird, sowohl von Steinbach als auch von der Bundesregierung?
Hirsch:! Na, was da stattgefunden hat in den letzten zwei Jahren ist nur noch psychologisch zu beschreiben, weil selbst, als die Ausstellung war, "Erzwungene Wege", die das "Zentrum gegen Vertreibungen" ja im letzten Jahr durchgeführt hat und wo ganz deutlich das ganze 20. Jahrhundert dargestellt wurde mit verschiedenen Vertreibungen in Gesamteuropa, wo die Polen das erste Mal so viel dargestellt wurden über ihre Deportationen durch Deutsche, durch Sowjets, durch Ukrainer, die Verfolgung, also so viel haben wir über polnische Verfolgung, Umsiedlung, Aussiedlung in Deutschland noch nicht gesehen, wurde die Darstellung in einem Großteil der Medien überhaupt nicht geändert. Und Frau Steinbach ist sozusagen - ich weiß nicht, es ist eine Projektion des Feindbildes überhaupt, eines Revanchisten oder ich weiß nicht was, also das hat mit der Person überhaupt schon gar nichts mehr zu tun.
Schmitz: Frau Hirsch, Sie als Polenkennerin, macht denn ein Museum des Zweiten Weltkrieges in Danzig, so wie es Tusk vorgeschlagen hat, dass nämlich alle damaligen Kriegsteilnehmer sich beteiligen sollen, Sinn?
Hirsch:! Ich meine, wir haben ja augenblicklich eine Flut von Gedenkstätten, Dokumentationszentren und so weiter. Irgendwann muss man vielleicht überlegen, ob es nicht irgendwann genug ist und wir Zentren durch Diskussion ersetzen. Aber, wenn es nur gedacht ist, sagen wir jetzt, so, wie es ursprünglich klang als ein Gegenpol zu dem geplanten, sichtbaren "Zentrum gegen Vertreibung", wenn es also darum geht, Deutsche nicht als Opfer oder nicht nur als Opfer, wobei das ja auch nicht der Fall sein soll, sondern hauptsächlich als Täter darzustellen, also wenn sozusagen diese ideologische Spitze im Vordergrund steht, dann hielt ich es nicht für sinnvoll. Sehr sinnvoll aber, das möchte noch dazu sagen, kann es sein, wenn es dazu führt, dass wir wirklich gemeinsam Ost- und Westeuropa über den Zweiten Weltkrieg diskutieren, denn da gibt es ganz, ganz große Erinnerungsdifferenzen, während bei uns zum Beispiel im Vordergrund der Holocaust in der Erinnerungskultur steht, ist im Osten Europas, sind die Verbrechen der Sowjetunion mindestens gleichgewichtig. Also wir kämen in eine ganz tiefe Diskussion über unsere Erinnerungskulturen, die uns, wenn wir es ernst meinen, aber nur annähern können.
Schmitz: Helga Hirsch, vielen Dank für diese Einschätzungen. Anlass ist der deutsch-polnische Streit zur musealen Aufarbeitung der Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa.
Helga Hirsch: Ja, sie sind sehr zwiespältig, das heißt überwiegend negativ. Man kann ja diesen Besuch in doppelter Hinsicht bewerten. Einerseits, es gab keine konkreten Ergebnisse, andererseits war eine sehr freundliche Atmosphäre, die sich ja wohltuend abhob von den bisherigen Besuchen von Premier und Präsident Kaczynski. Und die eine Seite der polnischen Presse bewertet nun die Atmosphäre, das war überraschenderweise sogar das Fernsehen, was sonst mehr auf der Kaczynksi-Seite stand, und die große, überregionale Zeitung "Gazeta Wyborcza". Aber die drei anderen großen, überregionalen Zeitungen heben hervor, dass es eben überhaupt gar keine konkreten Ergebnisse gab, das Tusk eine Niederlage erlitten hat. Und die Konklusion ist, nicht wir Polen sind Schuld, also nicht unsere angeblich antideutschen Reflexe oder die antideutsche Politik der Brüder Kaczynski, sondern die harte Haltung von Frau Merkel, sogar von Frau Merkel in Berlin.
Schmitz: Haben denn die polnischen Kommentatoren ernsthaft geglaubt, dass die Bundesregierung ihren Plan für ein Dokumentationszentrum in Berlin aufgeben würde nach der Intervention von Tusk?
Hirsch:! Na, ich denke, die Polen haben versucht, seit einiger Zeit zurückzurudern. Es geht ja nicht mehr insgesamt gegen dieses sogenannte "sichtbare Zeichen gegen Vertreibungen", sondern es spitzt sich immer mehr zu auf die Person von Frau Steinbach. Es ist also die letzte Rückzugsposition, an der sich jetzt Polen offensichtlich messen lassen will, ob ihnen ein gewisser Erfolg oder ein gewisses Entgegenkommen von Berlin beschieden ist. Ich halte das für etwas dumm, was da augenblicklich passiert. Und obwohl ich der Meinung bin, dass dieses Museum über den Zweiten Weltkrieg ist ja tatsächlich, wie Angela Merkel sagte, eine interessante Idee, nur sie einen Tag vor dem Besuch aus dem Hut zu zaubern, ist natürlich denkbar ungünstig, wenn man eine ernsthafte Diskussion darüber haben will.
Schmitz: Vielleicht noch ein Wort zu Erika Steinbach. Weiß man denn in Polen zu wenig über die deutschen Pläne und auch die Vorstellungen des "Zentrums gegen Verteibungen" des Vertriebenenbundes, für den ja Erika Steinbach steht, dass hier nämlich nicht Täter und Opfer verwechselt werden, sondern dass die Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa als Folge von Hitlers Vernichtungskrieg klar gesehen wird, sowohl von Steinbach als auch von der Bundesregierung?
Hirsch:! Na, was da stattgefunden hat in den letzten zwei Jahren ist nur noch psychologisch zu beschreiben, weil selbst, als die Ausstellung war, "Erzwungene Wege", die das "Zentrum gegen Vertreibungen" ja im letzten Jahr durchgeführt hat und wo ganz deutlich das ganze 20. Jahrhundert dargestellt wurde mit verschiedenen Vertreibungen in Gesamteuropa, wo die Polen das erste Mal so viel dargestellt wurden über ihre Deportationen durch Deutsche, durch Sowjets, durch Ukrainer, die Verfolgung, also so viel haben wir über polnische Verfolgung, Umsiedlung, Aussiedlung in Deutschland noch nicht gesehen, wurde die Darstellung in einem Großteil der Medien überhaupt nicht geändert. Und Frau Steinbach ist sozusagen - ich weiß nicht, es ist eine Projektion des Feindbildes überhaupt, eines Revanchisten oder ich weiß nicht was, also das hat mit der Person überhaupt schon gar nichts mehr zu tun.
Schmitz: Frau Hirsch, Sie als Polenkennerin, macht denn ein Museum des Zweiten Weltkrieges in Danzig, so wie es Tusk vorgeschlagen hat, dass nämlich alle damaligen Kriegsteilnehmer sich beteiligen sollen, Sinn?
Hirsch:! Ich meine, wir haben ja augenblicklich eine Flut von Gedenkstätten, Dokumentationszentren und so weiter. Irgendwann muss man vielleicht überlegen, ob es nicht irgendwann genug ist und wir Zentren durch Diskussion ersetzen. Aber, wenn es nur gedacht ist, sagen wir jetzt, so, wie es ursprünglich klang als ein Gegenpol zu dem geplanten, sichtbaren "Zentrum gegen Vertreibung", wenn es also darum geht, Deutsche nicht als Opfer oder nicht nur als Opfer, wobei das ja auch nicht der Fall sein soll, sondern hauptsächlich als Täter darzustellen, also wenn sozusagen diese ideologische Spitze im Vordergrund steht, dann hielt ich es nicht für sinnvoll. Sehr sinnvoll aber, das möchte noch dazu sagen, kann es sein, wenn es dazu führt, dass wir wirklich gemeinsam Ost- und Westeuropa über den Zweiten Weltkrieg diskutieren, denn da gibt es ganz, ganz große Erinnerungsdifferenzen, während bei uns zum Beispiel im Vordergrund der Holocaust in der Erinnerungskultur steht, ist im Osten Europas, sind die Verbrechen der Sowjetunion mindestens gleichgewichtig. Also wir kämen in eine ganz tiefe Diskussion über unsere Erinnerungskulturen, die uns, wenn wir es ernst meinen, aber nur annähern können.
Schmitz: Helga Hirsch, vielen Dank für diese Einschätzungen. Anlass ist der deutsch-polnische Streit zur musealen Aufarbeitung der Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa.