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Ein Sommernachtstraum

In den letzten fünf Jahren lässt sich in Deutschlands Opernszene so etwas wie eine Britten-Renaissance beobachten. Erscheinen doch seine Werke wieder in verstärktem Maße in den Spielplänen der Opernhäuser. Im Norden, in Hamburg und in Bremen, steht nun der "Sommernachtstraum" auf dem Programm. Die Premiere in Hamburg ist zwar erst Ende März, in Bremen aber zogen die Feen, Handwerker und Liebende schon am vergangenen Freitag in den Zauberwald.

Von Ullrich Bohn |
    "Das Stück hat Längen, gefährliche Längen" - sagt der Tanzmeister zum Musiklehrer in Richard Strauss Oper "Ariadne auf Naxos", als er dessen Schützling, den Komponisten, dazu bewegen will, sein Opus doch zu kürzen. Gleiches gilt auch für Benjamin Brittens "A Midsummer Night's Dream", zumindest in der Version, die das Bremer Theater jetzt präsentiert, die mit über dreieinhalb Stunden, bei aller Liebe zum Shakespearschen "Liebeshändel im Zauberwald" doch entschieden zu lang geraten ist. Zwar haben Benjamin Britten und sein Lebensgefährte Peter Pears zu Beginn der sechziger Jahre damit schon das Musterbeispiel einer Literaturoper entworfen, eine gleichbleibend hohe Spannung aber können sie trotz aller Liebeswirren und Buffonerien nicht immer garantieren:

    Ein Glück nur, dass der Australier Barrie Kosky nicht nur ein mit Brisanz und Verve arbeitender Regisseur ist, sondern dank seiner Erfahrungen als Pianist und Dirigent genügend Phantasie besitzt, diese spürbaren Längen elegant und gekonnt zu umschiffen. Von seinem Ausstatter Michael Zerz hat er sich für die Zauberwelt Oberons und Titanias ein weiträumiges, im Bronzeton gehaltenes Artium bauen lassen. Mit einer in den Bühnenhimmel ragenden, filigranen Wendeltreppe, die die Auf- und Abtritte zum Ereignis macht, und einem Wasserbassin im Vordergund, um das herum und zuweilen auch mitten hinein sich die Feen, die Liebespaare und die derbe Handwerkerschar tummeln:

    Der Streit zwischen Oberon und Titania um einen indischen Jungen, vor allem aber die Folgen reißt alle mit. In einen Strudel unkalkulierbarer Liebesverwirrungen. Da Oberon und der kleine Puck mit ihrem wirkungssicheren Zaubersaft fortan mal gezielte, mal aber auch versehentliche Auspflüge ins Reich der Träume und der Phantasie inszenieren. Und hier entwirft und arrangiert Barrie Kosky denn auch vortreffliche Szenen, wenn er die Feen wie ein putzmunteres Fernsehballett umhertrippeln lässt, und Titania, vom Zaubersaft benebelt, in derb-köstlicher Weise ihr Liebesverlangen zu einem Esel stillt. Handfest geht es auch zwischen den Paaren Hermia und Lysander sowie Helena und Demetrius zu. Alle vier sich, durch die "dream master" Oberon und Puck verwirrt, zusehends an die Wäsche bzw. Unterwäsche gehen, und sodann, zur Abkühlung der Gemüter, prustend und spritzend im Wasserbassin landen. Die Feen jedoch, und dazu senken sich etliche blitzende Silberkugeln vom Bühnenhimmel herab, verheißen ihnen ein glückliches Erwachen. Dagegen fallen die überlangen Handwerkerszenen leider ab. Da begnügt sich Barrie Kosky mit dem längst abgegriffenen Stilmittel der schlabberigen Trainingsanzüge und das finale Spiel von Pyramus und Thisbe versinkt in täppischer Albernheit:

    Benjamin Brittens äußerst transparente "Sommernachtstraum"-Musik, die mit einem sehr gläsernes Tongeflecht die Feenwelt umgarnt, zuweilen aber auch Anklänge an Wagner und Debussy durchschimmern lässt, fließt über weite Strecken wie ein unaufgeregter, ohne große dramatische Zuspitzungen auskommender Klangstrom dahin. Dem der Dirigent Florian Ludwig und die Bremer Philharmoniker aber dennoch ambitionierte Wellenschläge versetzen. Und einmal mehr überzeugte das in diesem Fall sogar vielköpfige Bremer Sängerensemble aus dessen Mitte heraus hier vor allem Eva Gilhofer als Puck Erwähnung finden muss, da sie keinen quitschigen Springinsfeld darstellt, sondern eine in die Jahre gekommene liebenswert-nachdenkliche Zauberfee.