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Ein Spatz auf dem Wasser

Technik. - Wenn dicke Motoryachten übers Wasser brausen, kriegen Umweltschützer graue Haare, denn der Verbrauch liegt schnell bei 80 Litern - jede Stunde. Doch es geht auch anders: Auf der 46. Wassersportmesse "Interboot" in Friedrichshafen wird ein spannendes Versuchsschiff gezeigt.

Von Thomas Wagner |
    Sie nennen es "Spatz". Denn eigentlich erweckt das 6,80 Meter lange Holzboot auf dem Messegelände Friedrichshafen einen eher unscheinbaren Eindruck. Doch genaueres Hinsehen lohnt sich: Statt der Schiffsschraube am Heck erkennen die Besucher eine metallische Scheibe, auf der drei flügelähnliche Gebilde montiert sind - ein so genannter "Zykloidenantrieb".

    "Der Zykloidenantrieb ist nicht mit einem Propeller direkt zu vergleichen. Der Propeller liefert den Schub nur in eine Richtung. Der Zykloidenantrieb hat eine ganz andere technische Geometrie..."

    ...erklärt Joachim Kopf aus Sulz am Neckar, der sich als Entwickler und Hersteller von Solarbooten einen Namen gemacht hat. "Hübner-Braun-Antrieb" nennen sich die metallischen Flügel auf der rotierenden Scheibe unterhalb des Bootsrumpfes, benannt nach den beiden Konstrukteuren.

    "Das kann man sich etwa so vorstellen: Da ist eine sich drehende waagrechte Scheibe im Wasser, mit der drei senkrecht stehende Flügel befestigt sind. Und diese dreht sich, kann sich in beide Richtungen drehen, eben für Vor- und Rückwärtsfahrt. Aber, und jetzt kommt das Besondere: Diese Flügel, die an der Scheibe befestigt sind, können sich selber verstellen..."

    ...und zwar bei laufender Fahrt: Durch die stufenlose Verstellung der Flügelwinkel ändern sich die Kraftvektoren, die vom Schiffskörper auf das umgebende Wasser wirken. Dadurch kann das Boot variabel nach vorne, seitwärts, schräg nach vorne oder schräg zurück bewegt werden - in Abhängigkeit von der Flügelstellung und von der Drehrichtung der Rotorscheibe, erklärt Joachim Kopf:

    "Durch diesen Antrieb ist der Schiffsführer in der Lage, das Schiff seitlich weg zu bewegen, das Schiff um die eigene Achse zu drehen. Es ist einfach so, dass der Richtungsvektor des Bootes von der Ansteuerung der drei Flügel abhängt."

    Damit ist das Schiff sehr manövrierfähig, was sowohl die Sicherheit als auch den Fahrkomfort erhöht. Das Prinzip haben die Konstrukteure bei der Großschifffahrt abgeguckt: Dort sind, beispielsweise bei Fähren und Hafenschleppern, schon lange Voith-Schneider-Antriebe im Einsatz. Die arbeiten ebenfalls mit einem System verstellbarer Flügel statt mit einer Schiffsschraube. Allerdings waren diese Antriebe in wesentlich kleineren Sportbooten wegen des hohen mechanischen Aufwandes und des Gewichtes nicht attraktiv. Der Hübner-Braun-Antrieb stellt eine wesentliche Verbesserung dar: Die Mechanik vereinfachten die Konstrukteure durch die Integration elektronischer Komponenten. So errechnet ein Bordcomputer automatisch die Winkel der Flügelscheiben unter Wasser in Abhängigkeit von jenem Richtungsimpuls, den der Schiffsführer über einen Joystick eingibt. Daneben sind noch weitere Anwendungen denkbar. Beispiel: Der so genannte "elektronische Anker" in Verbindung mit einem GPS-Empfänger.

    "Wenn ich jetzt draußen auf dem See bin, dann setze ich eine fixe Position fest. Und das Schiff hält die Position dann selbst, weil ich ja durch die Vorgabe des GPS genau weiss, in welche Richtung das Schiff jetzt abgetrieben wird. Und der Motor kann dann korrigieren, bis er die ursprüngliche Position wieder einnimmt."

    Korrekturen führt das Schiff mit dem neuen Zykloiden-Antrieb automatisch in alle nur denkbaren Richtungen aus - ein Szenario, das mit einem herkömmlichen Propeller nicht möglich wäre. "Spatz" ist das erste Versuchsschiff im Sportbootbereich, auf dem der neue Antrieb erprobt wird. Der wiederum ist gekoppelt an einen 30-Kilowatt-Elektromotor und einem ebenso innovativen Lithium-Ionen-Batteriesystem. Joachim Köpf:

    "In unserer Batterie ist ein sehr hoher Kobalt- und Mangan-Anteil, was die elektrochemischen Vorgänge in der Batterie einfach positiv beeinflusst und eine sehr hohe Energiedichte zulässt. Es sind Lithium-Ionen-Batterien, wie man sie auch schon kennt mit dem Unterschied, dass wir sehr, sehr hohe Kapazitäten drin haben, die nicht aus vielen hintereinander oder parallel geschalteten Zellen bestehen. Sondern bei uns hat die Einzelzelle die gewünschte Kapazität: 50, 100 bis zu 400 Amperestunden ist bei diesem Batterietyp kein Problem. Ein großer Vorteil ist das Gewicht: Wenn man das mit der Bleibatterie vergleicht, dann haben wir bei gleicher Kapazität etwa ein Viertel des Gewichtes..."

    ...was gerade in der Freizeitschifffahrt ein "gewichtiger" Faktor ist. Gespeist werden die Bordakkus beispielsweise nachts über Solartankstellen im Hafen. Wann "Spatz", das Versuchsschiff, in Serie gehen wird, ist zwar noch nicht klar. Fest steht jedoch: Mit rund 30 Stundenkilometer Spitze, glaubt Hersteller Joachim Kopf, stellt es auch in sportlicher Hinsicht eine Alternative zu den benzingetriebenen Flitzern auf dem Wasser dar:

    "Man könnte wahrscheinlich auch schon mit dem Spatz schon Wasserskifahren. Wir gehen davon aus, dass wir in einem Geschwindigkeitsbereich von 25 bis 30 Stundenkilometern liegen. Und ich denke mal, dass ist auch für Wasserski schon ausreichend."

    Interboot