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Ein Staat geführt wie ein Unternehmen

Saudi-Arabien ist der wichtigste Verbündete der USA in der arabischen Welt. Öl bestimmt die Politik in der Region, und das schon seit das Königreich Saudi-Arabien proklamiert wurde.

Von Tobias Mayer | 23.09.2007
    Die Geschichte Saudi-Arabiens ist ursprünglich die Geschichte einer religiösen Bewegung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Begründer der Wahhabiya, einer besonders puritanischen Spielart des sunnitischen Islams, hatte sich mit der Familie Saud zusammengetan, um die arabische Halbinsel zu beherrschen. Doch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang den Saudis mit der Eroberung von Riad der Durchbruch, wie der Orient-Reisende Muhammad Asad überliefert.

    "Durch eine Bresche gelangten Ibn Saud und seine fünf Gefährten ins Innere der Stadt Riad. Sie gingen, die Waffen unter den Mänteln verborgen, zum Hause des Emirs und klopften an der Tür. Ein Sklave tat ihnen auf; er wurde geräuschlos überwältigt, gebunden und geknebelt, ebenso die übrigen Hausbewohner. Die sechs Abenteurer aßen Datteln aus der Vorratskammer des Emirs und verbrachten den Rest der Nacht mit dem Vorlesen des Korans. Am Morgen öffneten sich die Tore des Kastells, wo der Emir die Nacht verbracht hatte. Umgeben von zahlreichen bewaffneten Gefolgsmannen trat er heraus. Mit gezogenen Schwertern und Gott um Beistand anrufend stürzten Ibn Saud und seine Gefährten auf die überraschten Feinde los."

    Nach einem kurzen, aber historisch folgenreichen Gefecht hatten die saudischen Kämpfer die Zitadelle von Riad unter ihre Kontrolle gebracht. Die Keimzelle für das moderne Saudi-Arabien war entstanden. Die Saudis eroberten Oase um Oase, bemächtigten sich der heiligen islamischen Stätten Mekka und Medina und kontrollierten bald die wirtschaftlich so wichtigen Pilgerströme. Es dauerte insgesamt drei Jahrzehnte, bis Ibn Saud die Stämme der arabischen Halbinsel unter seiner Herrschaft vereint hatte. Am 23. September 1932 proklamierte er das Königreich Saudi-Arabien. Mit den Vollmachten eines modernen Staates ausgestattet schloss Ibn Saud bald den ersten Vertrag mit einem amerikanischen Ölkonzern. Binnen zwei Jahrzehnten stieg die saudische Königsfamilie zu einer der reichsten der Welt auf. Mit prunkvollen Auftritten unterstrichen die Saudis ihren neuen Anspruch als arabische Führungsmacht.

    "Seine Majestät König Saud ibn Abdulaziz ibn Abdulrahman Al Faisal Al Saud von Saudi-Arabien, begleitet von 5 Prinzen königlichen Blutes, 9 Ministern und 40 Beratern, Offizieren und Leibwachen, betrat mit orientalischer Feierlichkeit den Boden New Yorks."

    Das Schicksal des palästinensischen Brudervolkes nahmen die saudischen Könige immer zum Anlass, ihre offen antisemitische Haltung zu demonstrieren. Anfang der 70er Jahre sprach König Faisal unter dem Eindruck des Sechstagekrieges von 1967 zu amerikanischen Journalisten:

    "Der Grund für alles Übel ist, dass die Juden weltweit Israel mit viel Geld unterstützen. Man hat einen Teil unseres Landes gestohlen, doch das lassen wir uns nicht bieten. Wer unserem Feind hilft, ist ebenfalls unser Feind."

    Im Oktober 1973 brach der Yom-Kippur-Krieg zwischen Israel, Ägypten und Syrien aus. Die arabische Welt sah die Stärke Israels hauptsächlich in einer einseitigen pro-israelischen Politik der USA begründet. Die arabischen Ölstaaten unter der Führung Saudi-Arabiens reagierten darauf mit einem umfangreichen Embargo gegen die westliche Welt. Im November 1973 verkündete Bundeskanzler Willy Brandt aufgrund der hohen Benzinkosten die Einführung von autofreien Sonntagen in Deutschland:

    "Zum ersten Mal seit dem Ende des Krieges wird sich morgen und an den folgenden Sonntagen vor Weihnachten unser Land in eine Fußgängerzone verwandeln."

    Das Öl-Embargo dauerte allerdings nur wenige Monate. Die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit machte Saudi-Arabien zum wichtigsten Verbündeten und verlässlichen Geschäftspartner des Westens im Nahen Osten, auch weil der Iran auf der anderen Seite zu einer verfeindeten Regionalmacht mit großem Einfluss geworden ist. Die Familie der Saudis selbst funktioniert heute wie ein Unternehmen, erläutert Prinz Talal, einer der zahlreichen Söhne des Staatsgründers Ibn Saud und Halbbruder aller bisherigen saudischen Könige´:

    "Die Familienmitglieder bilden sozusagen die Generalversammlung. Man kann die Arbeit der Regierung mit der der großen Ölkonzerne wie der Aramco vergleichen, in den Finanzen, im ganzen Management. Die Söhne und Enkel von Ibn Saud sind eine Art Verwaltungsrat, aus ihrer Mitte kommt immer der König."

    Die Erdölreserven des "Unternehmens" Saudi-Arabien halten noch einige Jahrzehnte. Und die Beziehungen zum Westen sind gefestigt. Eine Bedrohung für die Stabilität des Königreichs ist heute allerdings der politische Islamismus. Aus der Mitte der saudischen Gesellschaft erwachsen, bildet er die geistige Grundlage der Terrororganisation El Kaida und bedroht das wahhabitische Fundament Saudi-Arabiens in seinen Grundfesten.