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Ein "Tatort"-Schauspieler und seine Lieder für den Teufel

Bekannt ist Ingo Naujoks eigentlich aus dem "Tatort" als etwas schrulliger Mitbewohner von Kommisarin Charlotte Lindholm. Früher musizierte er als jugendlicher Punk in Bands wie "Der Mensch als Hund". Das blieb folgenlos. Bis jetzt. In Berlin trat er mit seinem Programm "Apocalypso" auf.

Von Ina Beyer | 19.10.2011
    "Apocalypso ist natürlich Apocalypse - der Teufel auf der Welt und der Calypso der Tanz. Das kommt natürlich ganz toll wenn man sich vorstellt - als Bild gesprochen - wenn die Pest wieder auf die Welt kommt und die Menschen sagen wir haben noch zwei Tage zu leben: Jetzt tanzen wir auf dem Vulkan den Apocalypso oder den Tango. Das sind so Sachen, die mir als Bilder total gefallen."

    "Es würde mir gefall’n,
    wenn ein Engel vom Himmel fällt.
    Und plötzlich neben mir steht."

    Er scharrt nicht mit dem Pferdefuß, ihm wachsen weder Schweif noch Hörner und er stinkt auch nicht – Ingo Naujoks in der Rolle des Satans. Ein eleganter Verführer, schwarz sind Anzug, aber auch Seele und Humor dieses teuflischen Entertainers, dem keine Religion heilig, kein (Fege)feuer zu heiß, kein (Wort)spiel schlüpfrig genug sein können an diesem Abend der schonungslosen Enthüllungen.

    "In allem Guten steckt auch etwas Böses und nur wo der Teufel draufliegt ist auch der Teufel drin."

    Oberhalb der Gürtellinie sind es Inquisition, Moral, Angst, Macht oder Glaube.

    "Das Böse - um das herauszufinden müssen wir nicht einen vernetzten Laptop - Poser und nicht Wikipedia fragen, nein, um das herauszufinden müssen wir nur ein einzige Wort genau unter die Lupe nehmen und sezieren: Religion - RE - reiner Ekel LI - Luzifers Inferno GI - geniale Idee – ON - ohne Nutzen."

    "Mich gibt’s immer nur zwischen den Zeil’n.
    Laß mich doch einfach einen Teufelskreis zieh’n.
    Und willst du herrschen, lerne mit mir zu teil’n
    Am Ende kriegt jeder das, was er verdient."

    "Wer hat das erfunden, wer war Erfinder dieser fröhlichen Folterei: Papst Innozenz III. "Der Unschuldige" – ist das großartig das sind heiligen Gags, die liebe ich."

    Hier steht einer – singend und sinnierend, dem es ernst ist mit dem Unernst, dem Glauben an den Unglauben, der Suche nach etwas, das nicht zu finden ist. Einer, der hinter der Narrenmaske weint.

    "Und jetzt kommt die große Show der kleinen Ängste – nach dem Motto ich laufe nicht weg, ich laufe Amok."

    Immer wieder streut Ingo Naujoks solche Monologe zwischen seine Lieder und verweist damit auf große Geschichte und kleine Geschichten – auch aus der eigenen Vergangenheit.

    "...der Neueinsteiger der Woche Platz Nr 3 die Stigiophonie – die Angst vor der Hölle. Fast so schlimm wie die LBSohponie - die Angst vor dem Eigenheim: "Papi wenn ich groß bin werde ich Spießer."

    Mit diesem Werbespott der Bausparkasse wurde der Schauspieler einst berühmt.
    Apocalypso – ein Lied für den Teufel heißt das Programm und doch ist er es durchaus selbst, der auftritt. Belzebub Naujoks.

    "Wir möchten diese Figur so erzählen, daß sie mit einem gewissen Augenzwinkern Frank Sinatra für Arme ist, den man versteht mit dem man auch mitlacht, weil er die Welt eben nur beobachtet, er beurteilt nicht, er verurteilt nicht, sagt nur was er so gesehen hat. Christus haben wir gekreuzigt, mit Kant gefrühstückt, Karl Marx am Bart gekrault - alles haben wir gemacht und jetzt bin ich leer jetzt bin ich pille palle alle. Ich habe das Böse nicht in die Welt gebracht ich habe es nur verwaltet. Bisschen gepflegt und jetzt ist es wie Sie sehen gesprossen wie verrückt."

    Der Avocatus Diaboli Naujoks rast durch die Glaubens- und Geistesgeschichte während seines Höllenrittes, dass die Funken nur so sprühen. Besonders während eines Betriebsvergnügens in der Hölle. Anwesend unter anderem Kant, Machiavelli oder die Rolling Stones.

    "Adolf ist auch da und tanzt Klammerblues mit Stalin. Mussolini will abklatschen, bekommt Adolfs rechte direkt unter’s Glaskinn und sackt zusammen. Die Riefenstahl steht auf der Bar und zieht die Blende die will das Video unbedingt bei Youtube reinstellen. Bill Gates protestiert er möchte sein Gesicht pixeln lassen weil er nicht erkannt werden möchte."

    Mitunter liegen Pointen und Töne etwas daneben an diesem Abend. Ein höllisch guter Liedermacher geschweige denn Punk war nicht zu entdecken.
    Das weiß Ingo Naujoks selbst – und dass macht ihn, macht dieses Programm trotz aller Schwächen so sympathisch (wie es für manche nun mal der Teufel ist).

    "”Und jetzt alle: Wir tanzen bis das Blut aus den Schuhen tropft.
    Wir tanzen bis die Welt einfach überkocht.
    Bis jeder im Saal es begreift,
    es ist Zeit, die Zeche zu bezahl’n
    für den Apocalypso.""

    "Mit Notenlesen Takte zählen - Musik ist ja Mathematik letztendlich- habe ich immer noch nichts an der Frisur und bin sehr froh, dass ich hier in Berlin eine begleitende Band gefunden habe, die so hochprofessionell ist, dass sie mit so einem Kettenhund wir mir überhaupt arbeitet."