Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Ein Tempel für Schöngeistiges

Nicht zufällig ist das Logo des Aphaia Verlages ein stilisierter Tempel. Einen Tempel für Literatur, Musik und bildende Kunst zu schaffen, das war die Idee der Berliner Verlegerinnen Svea Haske und Sonja Schumann. Begonnen hat alles mit einer alten Kugelkopfschreibmaschine.

Von Cornelia Staudacher | 11.01.2012
    Die Bücher des Aphaia Verlags haben Titel wie "Zikadentreff", "Delphische Paiane" oder "Im Gefälle der Nacht", "Lächeln aus Stein" oder "Rattenleier"; sie enthalten Gedichte oder Schüttelreime, Kurzgeschichten oder Aphorismen von Henryk Bereska, Mitch Cohen, Hans Jürgen Heise oder Michael Speier, um nur einige zu nennen. Künstler wie Barbara Beisinghoff, Xago, Wolfgang Simon oder Arno Waldschmidt und viele andere haben Holzschnitte, Siebdrucke, Radierungen, Tuschezeichnungen oder Glasfederzeichnungen beigetragen. Komponisten wie Peter Gotthardt, Johann Gottlieb von Wrochem, Wolfgang Steffen oder Perry Friedman haben ausgewählte Texte im Auftrag des Verlags vertont.

    Nicht zufällig ist das Logo des Aphaia Verlages ein stilisierter Tempel, auf dem eine dreigeteilte Rosette ruht. Es stellt den Tempel der Göttin Aphaia dar, der auf der eine halbe Schiffsstunde von Athen entfernten Insel Aigina steht und zusammen mit dem Parthenon-Tempel in Athen und dem Poseidon-Tempel auf Sunion ein gleichschenkliges Dreieck bildet. Jede der Gottheiten verkörpert eine eigene Wirkungskraft, und doch gehören sie durch das geometrische Maß des Dreiecks zusammen und bilden eine Trias. Eine Trias war auch für Svea Haske die zündende Idee für die Gründung eines eigenen Verlags: die Verbindung und gegenseitige Durchdringung der drei Künste Literatur - Musik - bildende Kunst.

    Als sie im November 1986 gemeinsam mit ihrer Tochter Sonja Schumann den Verlag gründete, leitete sie noch das Zulassungsbüro für die Vergabe von Studienplätzen an der Freien Universität Berlin. Nebenbei hatte sie im Auftrag der Universität die "dahlem university press" ins Leben gerufen. Ihre Tochter hatte gerade ihr Abitur im Deutsch-Leistungskurs bestanden und war auf der Suche nach einem Berufsfeld, das ihrem Interesse an der Literatur entgegen käme.

    Zur anfänglichen Grundausstattung des Verlags gehörten eine Kugelkopfschreibmaschine und eine Unmenge Karteikarten, auf denen die beiden unerfahrenen "Jung"-Verlegerinnen alles notierten, was an Neuem auf sie einströmte. Die Grundtechniken der Buchgestaltung wie Satz, Layout und Druck, die Gestaltung des Einbands und die Buchbindung hat sich Svea Haske im Laufe der Jahre, beraten von Fachleuten und Freunden, selbst beigebracht. Ein besonderes Augenmerk legte sie von Anfang an auf die Qualität des Papiers, das für jedes Buch speziell ausgewählt wird. Sie ist auch für Werbung, Vertrieb und die Organisation von Veranstaltungen verantwortlich. Ihrer Tochter obliegt unter anderem die Buchhaltung, die von ihr digitalisiert wurde und keiner Karteikarten mehr bedarf.

    Moderne Technik hat auch andernorts Einzug gehalten. Der klassische Buchdruck ist dem Digitaldruck gewichen. Die Buchseiten werden am Computer gesetzt und layoutet, digital gedruckt und maschinell gebunden. Die 24-seitigen, broschierten und fadengehefteten "Mitlesebücher" jedoch, in denen sich jeweils ein dichtender und bildender Künstler zusammen tun, werden noch heute von der Verlegerin von Hand geheftet, an langen Abenden, manchmal vor laufendem Fernseher. "Das ist die Buchbinderei", sagt Svea Haske, greift hinter sich und zieht einen Plastikeimer mit Buchbinderleim und ein Weidenkörbchen hervor, das sie auf den Tisch stellt. Darin stecken eine Schere, eine Ahle, das Pfalzbein sowie diverse Nadeln und Buchbindergarn - alles, was sie zum Buchbinden braucht.

    Zwei große Schreibtische, eine alte Druckerpresse, daneben der moderne A3-Laserdrucker, an den Wänden großformatige Grafiken, Bücherregale rundherum und Stapel von unaufgefordert eingesandten Manuskripten auf einem der Schreibtische - es sieht nach Arbeit aus in der geräumigen ebenerdigen Altbauwohnung im Berliner Stadtteil Adlershof, wo der Aphaia Verlag und Svea Haske seit 12 Jahren ihr Domizil haben. Nur Küche und Bad sind buchfrei. Arbeiten und leben gehen hier auf eine effektive und lustvolle Weise Hand in Hand. "Mein Leben ist der Verlag", sagt die Verlegerin im Brustton stolzer Überzeugung. 83 Bücher und mehr als 100 der broschier-ten, handgebundenen "Mitlesebücher" sind bisher erschienen, viele in der zweiten Auflage.

    Einerlei, ob es sich um die alle drei Künste vereinenden Bücher der Serie "Literatur, Musik und bildende Kunst von Zeitgenossen" oder um die gelegentlich zweisprachigen der Reihe "Texte und Bilder" handelt, um die auf feinstem Bütten gedruckten und mit einer Originalgrafik versehenen nummerierten und signierten "Künstlerbücher"oder die zu besonderen Anlässen erscheinenden "Sonderausgaben" wie den Jubiläumsalmanach "Der Mond verteilt die Noten" oder die 24-seitigen, fadengehefteten "Mitlesebücher" - jedes Buch ist auf seine Art ein bibliophiles Kleinod und ein kleines Gesamtkunstwerk. Neben bereits bekannten Namen finden im Aphaia Verlag auch Autoren und Künstler eine verlegerische Heimstatt, die in den großen Verlagen schwer unterkommen. Und ganz nebenbei stiftet die Verlegerin in ihrer freundlichen und begeisterungsfähigen Art neue Begegnungen, aus denen sich oft weitere Projekte ergeben.

    Sichtbarer Ausdruck dieser großen Aphaia-Familie ist jedes Jahr im Juli das Geburtstagfest der Verlegerin. Sie feiert es in ihrem hübschen Garten hinter dem Haus, der ihr mit seinen blühenden Blumen und alten Bäumen das ganze Jahr über als Refugium und Kraftquelle dient bei der zwar anstrengenden, aber auch ebenso befriedigenden wie inspirierenden Arbeit mit den Büchern.