In den innersten Zirkel dieses Weißen Hauses vorzudringen, ist ungemein schwer. Barack Obama hat zwar Transparenz versprochen – doch er umgibt sich mit einem engen Kreis von Vertrauten, die mit ihm schon den Wahlkampf geführt haben. "Chicago Mafia" nennen Kritiker diesen Zirkel.
Umso erstaunlicher ist es daher, welch tiefe Einblicke der Newsweek-Kolumnist Jonathan Alter in seinem Buch "The Promise" in die Obama-Präsidentschaft bietet. Alter, einer der renommiertesten politischen Journalisten der USA, kommt zugute, dass er die ,,Chicago-Mafia" aus nächster Nähe kennt. Er ist in der Stadt aufgewachsen, er kennt Obama seit vielen Jahren. So ist er gut gerüstet für die Puzzlearbeit, das Bild eines Präsidenten zu zeichnen, den jeder zu kennen scheint - und der dennoch oft mysteriös bleibt:
"Was ist dieser Präsident für ein Mensch? Nie zuvor hat man so wenig über jemanden gewusst, der so genau beobachtet wird. Ich habe meinen Zugang zu Obama und seinem Umfeld genutzt, um seinen öffentlichen und privaten Führungsstil zu erkunden."
Um den Schleier zu lüften, hat Alter mehr als 200 Interviews geführt, darunter auch mit Obama. Herausgekommen ist nicht nur ein glänzend geschriebener Bericht über diese Präsidentschaft – sondern auch eine geistreiche Einordnung in die Geschichte der USA.
Denn Alter hat vor Jahren bereits ein Buch über die 100 ersten Amtstage Franklin D. Roosevelts geschrieben. Der Autor kann daher mit leichter Hand Parallelen ziehen zwischen den Herausforderungen, die sich Roosevelt im Krisenjahr 1933 stellten - und den Problemen bei Obamas Amtsantritt. Dieser fiel immerhin mitten in die schwerste Wirtschaftsflaute seit der Weltwirtschaftskrise.
Nach Alters Einschätzung schneidet Obama im historischen Vergleich gut ab. Dessen Wirtschaftsberater hätten geschickter noch als das Roosevelt-Team eine weit schlimmere globale Rezession abgewendet.
Natürlich ist der bekennende Demokrat Alter nicht unparteiisch und erinnert etwas zu oft an das schwere Erbe der Bush-Jahre. Andererseits spart er auch nicht mit Kritik – etwa daran, wie hilflos die Obama-Regierung auf eine Banken-und Finanzkrise reagierte, die sich beinahe jeden Tag noch als noch verheerender herausstellte als erwartet. Jonathan Alter
"Abgelenkt durch die Debatten über Konjunkturpakete, Zwangsversteigerungswellen und hundert andere Dinge, schien die Regierung seltsam gleichgültig gegenüber der Bankenkrise. Was war ihr Fokus? Warum ließ der Präsident nicht alles stehen und liegen und berief Nottreffen ein, wie während der Kuba-Krise? Die Antwort war, dass die Treffen zur Bankenkrise oft unbefriedigend verliefen. Die Banken und die Regierung konnten sich nicht darauf einigen, wie groß die Verluste der Banken wirklich waren – also konnte man auch nicht sagen, wie die Löcher gestopft werden könnten."
Damit spricht Alter ein zentrales Problem dieser US-Regierung an. Sie mag einiges erreicht haben – darunter eine wohl historische Gesundheitsreform, bei deren Durchsetzung sich Obama gegen die Bedenken enger politischer Berater durchsetzte. Doch eine klare Botschaft lässt das Weiße Haus oft vermissen. Auch weil ausgerechnet der vermeintlich große Kommunikator Obama oft zu abstrakt formuliert:
"Bald musste Obama den Preis dafür zahlen, immer alles komplex erklären zu wollen – statt auch mal einfache und farbige Metaphern zu verwenden. Für viele Bürger war alles, was er seit dem Einzug ins Weiße Haus tat, schwer zu verstehen. Eine emotionale Verbindung zum wirtschaftlichen Leid der Menschen konnten sie nur schwer spüren."
Uneingeschränkt gute Noten hingegen erhält der Präsident für seine außenpolitische Agenda. Das amerikanische Ansehen in der Welt sei wieder hergestellt worden, befindet Jonathan Alter – und auch die Vorherrschaft der Politik über die Generäle, nachdem diese unter Bush oft die Oberhand behalten hatten. Alter beschreibt einen Austausch Obamas mit Verteidigungsminister Richard Gates und Generalstabschef Mike Mullen zur Afghanistan-Truppenentsendung, den er als eine der schärfsten Streitigkeiten mit dem Militär seit Ende des 2. Weltkrieges einschätzt:
"In der ersten Oktoberwoche wurden Gates und Mullen ins Oval Office bestellt, wo ihnen der Präsident erklärte, er sei "immer unglücklicher" mit dem Verhalten des Pentagon. Er sagte, die Indiskretionen im Vorfeld seiner Entscheidung schadeten den Männern und Frauen in Uniform und dem Land. In kalter Wut sagte Obama, er wolle "hier und jetzt" wissen, ob das Pentagon jede Entscheidung des Präsidenten unterstütze und sie gefolgsam umsetzen werde."
In diesem Schlagabtausch hat Obama sich durchgesetzt. Ob er dies auch beim amerikanischen Volk schafft, mag auch Alter nicht vorhersagen. Bei den morgigen Kongresswahlen müssen sich die Demokraten wohl auf eine saftige Niederlage einstellen – auch weil die Arbeitslosenquote hartnäckig hoch bleibt.
Trotz mancher Schwächen zeichnet der US-amerikanische Journalist insgesamt das Porträt eines beharrlichen und energischen Oberbefehlshabers - der im Weißen Haus Wert auf Ordnung und vertraute Gesichter legt. Der aber auch gerne in die Büros junger Mitarbeiter hereinplatzt, um über ihr Liebesleben oder Basketball zu plaudern. Und der nicht zu sehr auf die Umfragen schielt. Alter macht klar: Der amtierende US-Präsident will vor allem ein bleibendes Erbe hinterlassen. Selbst um den Preis, seine Abwahl nach nur einer Amtszeit zu riskieren. "A prudent gambler" - einen umsichtigen Spieler – nennt der Autor deshalb Obama, der für sein Anliegen stets auch zu Risiken bereit sei. Wer verstehen will, wie Obamas Spiel ausgehen kann, für den ist Jonathan Alters Buch die wohl bislang beste Spielanleitung überhaupt.
Umso erstaunlicher ist es daher, welch tiefe Einblicke der Newsweek-Kolumnist Jonathan Alter in seinem Buch "The Promise" in die Obama-Präsidentschaft bietet. Alter, einer der renommiertesten politischen Journalisten der USA, kommt zugute, dass er die ,,Chicago-Mafia" aus nächster Nähe kennt. Er ist in der Stadt aufgewachsen, er kennt Obama seit vielen Jahren. So ist er gut gerüstet für die Puzzlearbeit, das Bild eines Präsidenten zu zeichnen, den jeder zu kennen scheint - und der dennoch oft mysteriös bleibt:
"Was ist dieser Präsident für ein Mensch? Nie zuvor hat man so wenig über jemanden gewusst, der so genau beobachtet wird. Ich habe meinen Zugang zu Obama und seinem Umfeld genutzt, um seinen öffentlichen und privaten Führungsstil zu erkunden."
Um den Schleier zu lüften, hat Alter mehr als 200 Interviews geführt, darunter auch mit Obama. Herausgekommen ist nicht nur ein glänzend geschriebener Bericht über diese Präsidentschaft – sondern auch eine geistreiche Einordnung in die Geschichte der USA.
Denn Alter hat vor Jahren bereits ein Buch über die 100 ersten Amtstage Franklin D. Roosevelts geschrieben. Der Autor kann daher mit leichter Hand Parallelen ziehen zwischen den Herausforderungen, die sich Roosevelt im Krisenjahr 1933 stellten - und den Problemen bei Obamas Amtsantritt. Dieser fiel immerhin mitten in die schwerste Wirtschaftsflaute seit der Weltwirtschaftskrise.
Nach Alters Einschätzung schneidet Obama im historischen Vergleich gut ab. Dessen Wirtschaftsberater hätten geschickter noch als das Roosevelt-Team eine weit schlimmere globale Rezession abgewendet.
Natürlich ist der bekennende Demokrat Alter nicht unparteiisch und erinnert etwas zu oft an das schwere Erbe der Bush-Jahre. Andererseits spart er auch nicht mit Kritik – etwa daran, wie hilflos die Obama-Regierung auf eine Banken-und Finanzkrise reagierte, die sich beinahe jeden Tag noch als noch verheerender herausstellte als erwartet. Jonathan Alter
"Abgelenkt durch die Debatten über Konjunkturpakete, Zwangsversteigerungswellen und hundert andere Dinge, schien die Regierung seltsam gleichgültig gegenüber der Bankenkrise. Was war ihr Fokus? Warum ließ der Präsident nicht alles stehen und liegen und berief Nottreffen ein, wie während der Kuba-Krise? Die Antwort war, dass die Treffen zur Bankenkrise oft unbefriedigend verliefen. Die Banken und die Regierung konnten sich nicht darauf einigen, wie groß die Verluste der Banken wirklich waren – also konnte man auch nicht sagen, wie die Löcher gestopft werden könnten."
Damit spricht Alter ein zentrales Problem dieser US-Regierung an. Sie mag einiges erreicht haben – darunter eine wohl historische Gesundheitsreform, bei deren Durchsetzung sich Obama gegen die Bedenken enger politischer Berater durchsetzte. Doch eine klare Botschaft lässt das Weiße Haus oft vermissen. Auch weil ausgerechnet der vermeintlich große Kommunikator Obama oft zu abstrakt formuliert:
"Bald musste Obama den Preis dafür zahlen, immer alles komplex erklären zu wollen – statt auch mal einfache und farbige Metaphern zu verwenden. Für viele Bürger war alles, was er seit dem Einzug ins Weiße Haus tat, schwer zu verstehen. Eine emotionale Verbindung zum wirtschaftlichen Leid der Menschen konnten sie nur schwer spüren."
Uneingeschränkt gute Noten hingegen erhält der Präsident für seine außenpolitische Agenda. Das amerikanische Ansehen in der Welt sei wieder hergestellt worden, befindet Jonathan Alter – und auch die Vorherrschaft der Politik über die Generäle, nachdem diese unter Bush oft die Oberhand behalten hatten. Alter beschreibt einen Austausch Obamas mit Verteidigungsminister Richard Gates und Generalstabschef Mike Mullen zur Afghanistan-Truppenentsendung, den er als eine der schärfsten Streitigkeiten mit dem Militär seit Ende des 2. Weltkrieges einschätzt:
"In der ersten Oktoberwoche wurden Gates und Mullen ins Oval Office bestellt, wo ihnen der Präsident erklärte, er sei "immer unglücklicher" mit dem Verhalten des Pentagon. Er sagte, die Indiskretionen im Vorfeld seiner Entscheidung schadeten den Männern und Frauen in Uniform und dem Land. In kalter Wut sagte Obama, er wolle "hier und jetzt" wissen, ob das Pentagon jede Entscheidung des Präsidenten unterstütze und sie gefolgsam umsetzen werde."
In diesem Schlagabtausch hat Obama sich durchgesetzt. Ob er dies auch beim amerikanischen Volk schafft, mag auch Alter nicht vorhersagen. Bei den morgigen Kongresswahlen müssen sich die Demokraten wohl auf eine saftige Niederlage einstellen – auch weil die Arbeitslosenquote hartnäckig hoch bleibt.
Trotz mancher Schwächen zeichnet der US-amerikanische Journalist insgesamt das Porträt eines beharrlichen und energischen Oberbefehlshabers - der im Weißen Haus Wert auf Ordnung und vertraute Gesichter legt. Der aber auch gerne in die Büros junger Mitarbeiter hereinplatzt, um über ihr Liebesleben oder Basketball zu plaudern. Und der nicht zu sehr auf die Umfragen schielt. Alter macht klar: Der amtierende US-Präsident will vor allem ein bleibendes Erbe hinterlassen. Selbst um den Preis, seine Abwahl nach nur einer Amtszeit zu riskieren. "A prudent gambler" - einen umsichtigen Spieler – nennt der Autor deshalb Obama, der für sein Anliegen stets auch zu Risiken bereit sei. Wer verstehen will, wie Obamas Spiel ausgehen kann, für den ist Jonathan Alters Buch die wohl bislang beste Spielanleitung überhaupt.