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"Ein unbewusst gesteuerter Verdrängungsmechanismus"

Wie der Deutschlandfunk aus Kommissionskreisen erfuhr, hat das fünfköpfige Untersuchungsgremium unter Vorsitz des Juristen und Vizepräsidenten des Deutschen Skiverbandes, Franz Steinle, dem Verband empfohlen, keine arbeits- oder dienstrechtlichen Schritte gegen Biathlon-Bundestrainer Frank Ullrich einzuleiten. Bei dem Kronzeugen Jürgen Wirth stößt das Verhalten auf Ablehnung.

Von Thomas Purschke | 25.07.2009
    Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass Frank Ullrich ab 1986 als verantwortlicher Lauftrainer der DDR-Biathleten die Einnahme von Dopingmitteln weder angewiesen beziehungsweise die Einnahme überwacht habe. Doch genau dies hatte der damalige DDR-Biathlet, Staffelweltmeister und Kronzeuge Jürgen Wirth den beiden einstigen Nationaltrainern Bock und Ullrich vorgeworfen. Jürgen Wirth findet die Weigerung von Ullrich, zur eigenen Vergangenheit zu stehen beschämend, wie er dem Deutschlandfunk sagte.

    Jens Steinigen, damals ein Mannschaftskamerad von Wirth, hatte schon 1991 die in der DDR verantwortlichen Biathlontrainer Kurt Hinze, Wilfried Bock und Frank Ullrich erheblich belastet, weil sie ihn einst gegen seinen Willen zur Doping-Einnahme überreden wollten.

    Steinigen hatte der DSV-Kommission Ende Mai auf die Wertungsfrage des Vorsitzenden Franz Steinle, ob Steinigen sich vorstellen könne, dass der Trainer Ullrich vom Doping nichts gewusst habe, wie er bisher behauptet, hat Steinigen geantwortet: "Das halte ich für völlig ausgeschlossen." Steinigen hatte vor zwei Wochen geäußert, er glaube zwar, "dass die Kommission Licht ins Dunkel und die Kuh vom Eis bringen will, aber sie steckt in dem Dilemma, dass sie bei Ullrich auf Granit beißt, weil er sich seine Lebenslüge aufgebaut hat."

    Die Entscheidung des DSV zugunsten von Ullrich verwundert, da die Kommission zu dem Schluss kommt, dass alle im Sportumfeld der Spitzenathleten tätigen Personen, schon wegen der Art und Weise der Vergabe der blauen Pillen davon gewusst haben mussten, dass es sich um etwas Verbotenes handelte. Weiterhin stellte sie fest: Wenn Ullrich auch heute daran festhalte, dass es sich um lediglich um legale Mittel gehandelt habe, gehe die Kommission von einem unbewusst gesteuerten Verdrängungsmechanismus aus.

    Das Arbeitsverhältnis mit dem Stützpunkttrainer im sächsischen Altenberg Wilfried Bock, soll hingegen zum 31. Oktober beendet werden. Die Kommission stellte fest, dass der ehemalige DDR-Biathlon-Verbandstrainer Bock einst aktiv in die Vergabe von Dopingmitteln eingebunden war. Dies habe Bock auch bei seiner Vernehmung vor dem DSV-Gremium eingeräumt. Aus sportpolitischen Gründen empfahl sie deshalb, auf eine weitere haupt- oder ehrenamtliche Beschäftigung von Bock auf DSV-Ebene zu verzichten. Bock war zudem ein überaus eifriger Spitzel für den DDR-Staatssicherheitsdienst, was den damaligen DSV-Sportdirektor Helmut Weinbuch schon 1991 bekannt war.

    Das DSV-Präsidium will nach einstimmigem Beschluss die Empfehlungen der Kommission umsetzen. Der amtierende Generalsekretär des Deutschen Skiverbandes Thomas Pfüller war in der DDR laut Zeitzeugen und Stasi-Unterlagen als Cheftrainer und später als stellvertretender Generalsekretär des DDR-Skiverbandes selbst in das Dopingsystem eingebunden.