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Ein ungewöhnlicher und bemerkenswerter Film

Sergei Bodrov Film "Der Mongole" erzählt, wie Temudgin zu Dschinghis Khan (1155/1162-1227) wurde: Ein völlig unbekannte Hirtensohn wird zum ebenso legendären wie gefürchteten Herrscher der Mongolen. Der Film ist der erste Teil einer geplanten Trilogie. Er zeigt zunächst über weite Strecken Not und Entbehrung, die Leiden eines Kindes in einer überaus harten Welt.

Von Rüdiger Suchsland |
    Da reitet er über die Steppe und reitet und reitet und schaut gar entschlossen drein. Er weiß noch nicht, dass er einmal Dschinghis Khan sein wird, noch heißt er Temudgin.

    In den ersten Sommertagen des Jahres 1172 ist er noch ein kleiner Junge, und gerade dabei, gemeinsam mit seinem Vater, einem von hunderten der Khan genannten Führer der mongolischen Nomaden, wie es die Tradition gebietet, eine Frau zu finden.

    Aber bald Rückweg ist Temudgins unbeschwerte Kindheit vorbei, und das Unglück beginnt: Der Vater wird von einem rivalisierenden Khan ermordet, er selbst gefangen genommen und versklavt. Als ihm endlich irgendwann die Flucht gelungen ist, wird seine inzwischen erwachsene Ehefrau entführt. Temudgin steht vor dem Nichts: Ein armer Nomade im schier endlosen gelben Meer der mongolischen Steppe.

    Sergei Bodrov Film "Der Mongole" erzählt, wie Temudgin zu Dschinghis Khan (1155/1162-1227) wurde, wie der völlig unbekannte Hirtensohn zum ebenso legendären wie gefürchteten Herrscher der Mongolen aufstieg. Der Film ist der erste Teil einer geplanten Trilogie. Er zeigt zunächst über weite Strecken Not und Entbehrung, die Leiden eines Kindes in einer überaus harten Welt, in der Mord und Totschlag, Folter und Vergewaltigung, Hunger und Stürme an der Tagesordnung sind, und die der Junge mit hunderttausenden Altersgenossen geteilt haben dürfte. Erst allmählich ändert sich das Bild, und man begleitet Temudgin auf seinem langen, zähen Kampf um die Macht, bei Händeln und prekären Bündnissen mit anderen Khans, bei schleppenden Verhandlungen. Wirkungsvoll spielt der Japaner Tadanobu Asano den Mongolenfürst, der allmählich die Stämme vereint, Gewohnheiten und eingefahrene Bräuche ändert, und aus den Mongolen eine effektive Kampfmaschine in einer Welt des Kriegs aller gegen alle macht. Zugleich legt er den Grundstein zu einer Art modernem Staatsapparat: Die Mongolen erhalten eine vereinheitlichte Sprache und eine gemeinsame Rechtsordnung:

    "Unsere Gesetze sollten sehr einfach sein: Töte niemals eine Frau oder ein Kind. Vergiss niemals Deine Schulden. Bekämpfe Deine Feinde bis zum Ende. Und verrate niemals Deinen Khan."

    "Der Mongole" ist ein ungewöhnlicher, in vieler Hinsicht bemerkenswerter Film. Der russische Regisseur Sergei Bodrov ("Nomad"), der auch das Drehbuch schrieb, und den Film gemeinsam mit der Berliner Firma X-Filme und deutschen Fördergeldern produziert hat, erzählt detailliert, geradeaus, mit wenig Humor und gewissermaßen altmodisch: Dies ist klassisches Breitwand-Kino im visuellen Stil der Monumentalepen der späten 50er, frühen 60er, und erinnert in seinen besten Momenten an David Leans "Lawrence von Arabien"; mitunter allerdings auch an einen deutschen "Winnetou"-Film.

    Jedenfalls ist alles - trotz großartiger, wenn auch blutiger Schlachtszenen - insgesamt etwas weniger actionreich und martial-arts-lastig, als Werbung und Trailer-Marketing suggerieren, mitunter sogar langatmig und zerredet. Das wird allen, die unter Aufmerksamkeitsdefizit leiden, womöglich nicht so gefallen, den historisch Interessierten aber um so mehr: Denn in vielem hält sich Bodrov genau an jene "Geheime Geschichte der Mongolen", die kurz nach Dschinghis Khans Tod im Jahr 1227 entstand, und die bis heute die wichtigste historische Quelle über dessen Leben ist. Vieles im Film, allen voran seine herrlichen Naturpanoramen aus Kasachstan und der Mongolei, erinnert auch an einen Western.

    Inhaltlich ist vieles aber überraschend ernst gemeint, selbst merkwürdige Aussagen wie "Größe fällt denen zu, die sie sich nehmen."

    "Der Mongole" ist somit ein widersprüchliches Kinowerk: Auf der einen Seite die um Faktentreue bemühte Rekonstruktion einer bei uns kaum bekannten Epoche, die mitunter geradezu poetische Kraft entfaltet, und den Mongolenführer Dschinghis Khan, der bisher in der Wahrnehmung des zivilisierten Europa einseitig zum primitiven Schlächter stilisiert wurde, als differenzierte historische Figur ernst nimmt. Dann ist dies aber auch selbst umgekehrt ein Stück einseitige politische Mythologie, eine von Pathos triefende Idealisierung der Geschichte, ein "Braveheart" des Ostens. Da merkt man dann, dass "Der Mongole" aus dem Russland von heute kommt: Bombast und opulente Schauwerte paaren sich mit martialischen Gesten und der uneingestandenen Sehnsucht nach einem weisen Führer mit starker Hand.