1940 kommt sie zur Welt, als drittes Kind seiner ersten Ehe, die da bereits zerbrochen ist. Der Grund: Jaques Lacan erwartete zur gleichen Zeit von seiner späteren Ehefrau ein weiteres Kind. Lacan selbst ist in diesen Jahren bereits auf dem Weg, jener namhafte Psychoanalytiker zu werden, als der er noch heute gilt. Seine Verdienste: eine umfassende Relektüre der technischen Schriften Freuds, als dessen alleingültiger geistiger Erbe Lacan sich gerne stilisierte, sowie die Erweiterung der Psychoanalyse mit Begriffen und Denkformen der Philosophie, der Linguistik und den Naturwissenschaften.
Der Mensch nach Lacan, das war ein sich radikal selbstentfremdetes Wesen, einem grundlegenden Mangel ausgesetzt und daher von einem unablässigen Begehren getrieben, Erfüllung zu finden durch die Bestätigung eines Anderen. Ein perpetuum mobile der beständigen Verfehlung, die Lacan zufolge auch der Sprache des Menschen zugrundeliegt. Wo der Mensch spricht, spricht er, um einen Mangel zu ersetzen, um ein Abwesendes wieder anwesend werden zu lassen.
Dies gilt auch für "Ein Vater", in dem Sibylle Lacan 18 Jahre nach dem Tode Lacans herauszufinden sucht, was für ein Vater ihr denn dieser Jaques Lacan gewesen war. Ostentativ betont sie vorweg, es ginge ihr weder um den Menschen noch um den Psychoanalytiker - als ahnte sie die Aussichtslosigkeit, ja Absurdität solch eines Scherenschnitt-Verfahrens. Zumal noch ihre Sprache von einem genauen Wissen der väterlichen Theorie zeugt, übernimmt sie doch daraus ohne Scheu zentrale Begriffe. Bewußt stilisiert sie zugleich die wenigen, achronologisch komponierten Erinnerungsbilder als absichtsloses Puzzle, um so den Echtheitscharakter zu erhöhen. Doch etwas Ganzes, etwas Einheitliches will sich daraus nicht fügen. Was bleibt, ist das fast dramoletthafte Dokument der offensichtlich nachgetragenen Liebe einer Tochter zwischen blinder Verehrung und verzweifelter Ablehnung, zwischen Vater-Denkmal und dessen Demontage.
Schon ab ihrer Geburt wächst Sibylle Lacan ohne den Vater auf —"keinerlei Mangel", läßt sie uns wissen, "denn es war nie anders gewesen." Von der Mutter, die sich und ihre drei Kinder im Paris der Kriegsjahre über Wasser zu halten versucht, erfahren wir: "Sie hatte mich nicht gewollt." Für Sibylle Lacan ist klar, daß ihr "ganzes Leben", so schreibt sie, "durch dieses Zur-Welt-Kommen in emotionaler Einsamkeit gekennzeichnet ist."
So zu fühlen, ist eine Sache; so zu schreiben aber führt die traurigen Fakten an den Rand von Klatsch, da sich einfach alles ein wenig zu sehr in diese negierende Selbststilisierung fügt: die ältere Schwester, schön und klug und von der Mutter bevorzugt; dann der Schock, als Sibylle Lacan erst mit 17 Jahren von der Existenz jener weiteren Tochter namens Judith Bataille erfährt, die zudem Jahre später als einzige Tochter Lacans im "Who's Who" geführt werden wird; schließlich die rätselhafte Erkrankung, als Sibylle Lacan in ihrem 21. Lebensjahr in einen Zustand umfassender Lebensunlust und Erschöpfung verfällt. Kein Arzt kann eine Diagnose geben. Erst da kommt man auf die Idee, Lacan selbst zu konsultieren. Obwohl er als Vater bis dahin nur einmal in der Woche in Erscheinung tritt, um gemeinsam mit seiner ersten Frau, den beiden Töchtern und ihrem Sohn Thibault zu speisen, oder Sibylle allein zum Essen auszuführen, ist sie überzeugt: "Wer anders als mein Vater konnte mich retten?"
So erstaunen weniger all jene kleinen Häßlichkeiten, die man von Jaques Lacans berühmt-berüchtigter Herrenart schon lange kennt: daß er Sibylle am Termin ihrer Konsultation in seiner Praxis warten läßt, da er kurz zuvor noch ein Stundenhotel aufsucht, oder wie er sie dann zu einer Analytikerin schickt, die sich als eine seiner Liebhaberinnen entpuppen wird. Erstaunlich ist vielmehr der unbedingte Wille zur Liebe dieser Tochter, die noch posthum wie ein trauriger Don Quichotte mit dem ungreifbaren Schatten eines Vaters kämpft, den sie paradoxerweise beneidet um seine Fähigkeit, sich gegen seine Umgebung abzuschirmen. Dazu gehört auch jenes barsche "Nein", mit dem er sie abweist, als sie ihn zwei Jahre vor seinem Tod um Geld bittet für eine Operation, die sie nicht bezahlen kann.
All das wäre fast Stoff fürs Fernsehen, wäre es nicht so bitterernst, wieder einmal eine jener Töchter sprechen zu hören, die nur Ich sagen können, wenn sie jene männliche Anerkennung erhalten, die Lacan selbst als 'Im-Namen-des-Vaters' bezeichnete.
Der Mensch nach Lacan, das war ein sich radikal selbstentfremdetes Wesen, einem grundlegenden Mangel ausgesetzt und daher von einem unablässigen Begehren getrieben, Erfüllung zu finden durch die Bestätigung eines Anderen. Ein perpetuum mobile der beständigen Verfehlung, die Lacan zufolge auch der Sprache des Menschen zugrundeliegt. Wo der Mensch spricht, spricht er, um einen Mangel zu ersetzen, um ein Abwesendes wieder anwesend werden zu lassen.
Dies gilt auch für "Ein Vater", in dem Sibylle Lacan 18 Jahre nach dem Tode Lacans herauszufinden sucht, was für ein Vater ihr denn dieser Jaques Lacan gewesen war. Ostentativ betont sie vorweg, es ginge ihr weder um den Menschen noch um den Psychoanalytiker - als ahnte sie die Aussichtslosigkeit, ja Absurdität solch eines Scherenschnitt-Verfahrens. Zumal noch ihre Sprache von einem genauen Wissen der väterlichen Theorie zeugt, übernimmt sie doch daraus ohne Scheu zentrale Begriffe. Bewußt stilisiert sie zugleich die wenigen, achronologisch komponierten Erinnerungsbilder als absichtsloses Puzzle, um so den Echtheitscharakter zu erhöhen. Doch etwas Ganzes, etwas Einheitliches will sich daraus nicht fügen. Was bleibt, ist das fast dramoletthafte Dokument der offensichtlich nachgetragenen Liebe einer Tochter zwischen blinder Verehrung und verzweifelter Ablehnung, zwischen Vater-Denkmal und dessen Demontage.
Schon ab ihrer Geburt wächst Sibylle Lacan ohne den Vater auf —"keinerlei Mangel", läßt sie uns wissen, "denn es war nie anders gewesen." Von der Mutter, die sich und ihre drei Kinder im Paris der Kriegsjahre über Wasser zu halten versucht, erfahren wir: "Sie hatte mich nicht gewollt." Für Sibylle Lacan ist klar, daß ihr "ganzes Leben", so schreibt sie, "durch dieses Zur-Welt-Kommen in emotionaler Einsamkeit gekennzeichnet ist."
So zu fühlen, ist eine Sache; so zu schreiben aber führt die traurigen Fakten an den Rand von Klatsch, da sich einfach alles ein wenig zu sehr in diese negierende Selbststilisierung fügt: die ältere Schwester, schön und klug und von der Mutter bevorzugt; dann der Schock, als Sibylle Lacan erst mit 17 Jahren von der Existenz jener weiteren Tochter namens Judith Bataille erfährt, die zudem Jahre später als einzige Tochter Lacans im "Who's Who" geführt werden wird; schließlich die rätselhafte Erkrankung, als Sibylle Lacan in ihrem 21. Lebensjahr in einen Zustand umfassender Lebensunlust und Erschöpfung verfällt. Kein Arzt kann eine Diagnose geben. Erst da kommt man auf die Idee, Lacan selbst zu konsultieren. Obwohl er als Vater bis dahin nur einmal in der Woche in Erscheinung tritt, um gemeinsam mit seiner ersten Frau, den beiden Töchtern und ihrem Sohn Thibault zu speisen, oder Sibylle allein zum Essen auszuführen, ist sie überzeugt: "Wer anders als mein Vater konnte mich retten?"
So erstaunen weniger all jene kleinen Häßlichkeiten, die man von Jaques Lacans berühmt-berüchtigter Herrenart schon lange kennt: daß er Sibylle am Termin ihrer Konsultation in seiner Praxis warten läßt, da er kurz zuvor noch ein Stundenhotel aufsucht, oder wie er sie dann zu einer Analytikerin schickt, die sich als eine seiner Liebhaberinnen entpuppen wird. Erstaunlich ist vielmehr der unbedingte Wille zur Liebe dieser Tochter, die noch posthum wie ein trauriger Don Quichotte mit dem ungreifbaren Schatten eines Vaters kämpft, den sie paradoxerweise beneidet um seine Fähigkeit, sich gegen seine Umgebung abzuschirmen. Dazu gehört auch jenes barsche "Nein", mit dem er sie abweist, als sie ihn zwei Jahre vor seinem Tod um Geld bittet für eine Operation, die sie nicht bezahlen kann.
All das wäre fast Stoff fürs Fernsehen, wäre es nicht so bitterernst, wieder einmal eine jener Töchter sprechen zu hören, die nur Ich sagen können, wenn sie jene männliche Anerkennung erhalten, die Lacan selbst als 'Im-Namen-des-Vaters' bezeichnete.