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Ein Vier-Seen-Blick!

Am Mittelrhein kann man von steil aufragenden Weinbergen tief hinunter aufs Flussbett schauen - ob von der Loreley oder von den unzähligen Burgen und Schlössern. Bei Rheinkilometer 572 - ziemlich genau in der Mitte seines Verlaufes - gibt es eine Besonderheit, die Besucher irritiert und zugleich erfreut.

Von Gerd Michalek |
    Nicht weit von Koblenz - rund 20 Kilometer südlich - liegt die Gemeinde Boppard direkt am Rhein. Das alte von den Römern gegründete Städtchen hat eine besondere Lage. Die ist nicht nur Rheinschiffern, sondern auch Radtouristen und Wanderern gut bekannt: Nirgendwo macht Deutschlands längster Fluss so eine riesige Biegung: den sogenannten Bopparder Bogen.

    Wer am Rheinufer entlang radelt, glaubt, er käme niemals aus der Kurve! Fast eine 360-Grad-Biegung und mehr als fünf Kilometer lang! Doch das ist nicht die einzige Besonderheit von Boppard. Sobald man das Städtchen nach Norden verlässt, kann man über einen felsigen Höhenrücken, der viele Serpentinen aufweist, steil bergauf wandern. An den unteren Passagen dieses Wanderweges trifft man sogar auf einen richtigen Klettersteig - mit Eisenleiter und Steigstufen!

    "Das erfordert viel Übung, schwindelfrei muss man schon sein. Ich hab das mal vor."

    Stellenweise anspruchsvoll ist dieser Mittelrhein-Klettersteig, einer von vier Steiganlagen in Rheinland-Pfalz. Er gehört zum sogenannten Rheinburgenweg und besteht seit 2006. Anfang April sind nur wenige Tageswanderer in den Bopparder Bergen unterwegs. Kein Wunder, die vielen Wege des insgesamt 187 Kilometer langen Wandernetzes um Boppard sind noch recht schlüpfrig.

    "Man hat hier nicht nur ne wunderschöne Aussicht und ne tolle Natur, die übrigens heute, am 8. April, schneebedeckt ist: Die Sonderheit ist, dass der Rhein hier ein Stückchen von Westen nach Osten fließt, dass macht er sonst nie: Hier gegenüber, das ist dann reine Südseite, das ist der weltbekannte Bopparder Hamm, das ist die beste Mittelrheinlage. Überwiegend Riesling-Anbau, auch Rotwein, erstklassiger Wein."

    Nicht nur Weinkenner lieben den Weg und seine vielfältigen Aussichten. Nach rund 200 Höhenmetern Aufstieg findet sich, umrahmt von niedrigem Eichenwald, die ganz besondere Perspektive aufs Tal.

    "Sie sehen den Rhein an vier Stellen jeweils als See!"

    In der Tat: Man blickt tief unten auf vier Gemeinden, die an vier Seen zu liegen scheinen. In Wahrheit kommt der Eindruck dadurch zustande, dass die riesige Rheinschleife um Boppard an drei Stellen von Bergrücken verdeckt wird. Lustig allerdings, dass in den vier kleinen Seen recht große Ausflugsdampfer und Lastschiffe auftauchen und wieder verschwinden! Ein Bild, das Touristen magisch anzieht. Und zugleich besinnlich stimmt, sagt Boppards Bürgermeister Walter Bersch.

    "Das hat eine ausgleichende Stille, so dass man da nicht viel spricht. Dieses 'boh' und 'eih' und 'ganz toll' hört man dann einfach nicht. Die Leute sind von der Situation im wahrsten Sinne ergriffen. Die Rheinromantik hat sich auch in das 21. Jahrhundert gerettet."

    Wer hinauf will zum Vier-Seen-Blick, kann das zu Fuß oder mit dem Sessellift am nördlichen Ortsende tun. Hinauf wandern und hinunter mit dem Lift fahren hat den Vorteil, dass man zunächst viel von der Hügellandschaft mitbekommt. Abwärts kann man sich gemütlich im Sessellift ganz der Aussicht hingeben.

    Natürlich gibt es ehrgeizige Zeitgenossen, die beim Thema "Seen-Aussicht" weiterdenken: Warum vier Seen, wenn eigentlich fünf möglich wären, meinte kürzlich Bürgermeister Bersch. Ihm hatten Bopparder Senioren aus ihrer Kindheit erzählt. Irgendwo in der Nähe des Stadtteils Bad Salzig habe es den Fünf-Seen-Blick gegeben. Doch der Wald ist dort inzwischen viel höher als vor 70 Jahren. Klingt wie eine Dornröschengeschichte!

    "Wir sind mit der Feuerwehr und der Drehleiter durch die Gemarkung gefahren, es hat nichts genutzt. Ich habe einfach behauptet, es gibt ihn. Der rheinland-pfälzische Innenminister war dann so freundlich gewesen, er hat den Polizeihubschrauber in Gang gesetzt, der hat ihn gefunden. Er ist an einer bestimmten Stelle, wo wir ihn vermutet haben, gekreist, hat den Punkt bestimmt, und dann oben aus dem Hubschrauber einen Farbbeutel abgeworfen. Und wir haben dort den Drehleitertest durchgeführt: Wenn man sich auf einer Höhe von 21 Metern befindet, sieht man den Rhein an verschiedenen Stellen."

    Fünf Seen zwischen Boppard und St. Goar! Hinzu käme der imposante Ausblick auf die Burgen Katz und Maus, sowie die Marksburg. Für das Projekt setzt Walter Bersch einiges in Gang. Doch ein wenig bleibt der Fünf-Seen-Blick noch Zukunftsmusik!

    "Die Stelle haben wir inzwischen gerodet, einen kleinen Weg hergerichtet. Wir haben auch ne wunderschöne Planung, wie wir das jedermann zugänglich machen können. Wir könnten den Drehleiterwagen dort hinstellen. Alternative ist, einen Aussichtturm zu bauen, da sind wir in der Planung, auch im Gespräch mit der Landesregierung."